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Death MetalMetalcore

Kritik: Heaven Shall Burn - "Of Truth & Sacrifice"

Ein paar Jahre ist es nun her, dass Heaven Shall Burn-Fans neue Musik ihrer Lieblinge genießen durften. Das Warten hat ...

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Ein paar Jahre ist es nun her, dass Heaven Shall Burn-Fans neue Musik ihrer Lieblinge genießen durften. Das Warten hat endlich ein Ende. Gerade noch konnten Anhänger der Band die Jungs in ihrer kürzlich erschienenen Kino-Dokumentation „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ sehen, da gibt es sogleich frische Brecher auf die Ohren. Mit dem Doppelalbum „Of Truth & Sacrifice“ liefert die Band aus Thüringen neues Material und das hat es in sich.

Wir konnten uns vorab ein Bild der satten 19 brandneuen Songs machen, die über Century Media Records veröffentlicht werden und wollen unsere Eindrücke selbstverständlich mit euch teilen.

Heaven Shall Burn liefern mit „Of Truth & Sacrifice“ ein musikalisch und thematisch zweigeteiltes Doppelalbum

Auch wenn die Band nach ihrem letzten Album „Wanderer“ eine Pause einlegen wollte, wurde im Hintergrund und ohne den Druck der Öffentlichkeit fleißig weitergeschrieben. „Eine Weile lang hat sich jeder um seinen Kram gekümmert. Aber wir sind halt privat immer noch sehr gute Freunde. Wenn Polizisten einen Stammtisch haben, reden die ja auch unweigerlich über Verbrecher“, kommentiert Gitarrist Maik Weichert und so kam es, dass sich die Band auch privat über Musik austauschte.

Die Freiheiten und die frische Herangehensweise hört man auf „Of Truth & Sacrifice“ deutlich. Das Album besteht aus zwei Teilen: Auf der einen Seite „Of Truth“ und auf der anderen „Of Sacrifice“. Nach Aussagen der Band soll der erste Teil sowohl Kampfbereitschaft als auch Zuversicht signalisieren – das kommt musikalisch beim Hörer an. Hierbei wird auch immer wieder deutlich, dass die Band eine politische Haltung hat und sich nicht scheut, diese musikalisch zu verarbeiten. Dabei geht es beispielsweise um die globale Klimakrise, um alternative Wahrheiten, die in unterschiedlichen Filterblasen ihren Einzug erhalten, aber auch um die Erfolge der AfD in Thüringen. Die Themen sind daher sowohl komplex als auch wichtig für das Zusammenleben aller.

Mit „March of Retribution“ gelingt Heaven Shall Burn ein episches Instrumental-Intro, das sich die Zeit für einen langsamen Aufbau nimmt und mit brachialem Schlagzeugsound direkt in das zweite Stück „Thoughts and Prayers“ übergeht. Dieses ist eingängig und dringt mit der Härte des Beats tief in die Herzen der Fans ein – Möglichkeiten zum Headbangen inklusive! Darüber hinaus wird das Gitarrenriff des Introsongs elegant aufgegriffen, wodurch eine Brücke zwischen den beiden Songs geschaffen wird. Der ruhigere Teil des Songs, der den Drive noch einmal herausnimmt, wird mit unverzerrten Instrumenten und einer Akustikgitarre bestritten. Beim Wechsel des Beats kommt dann ein Punkt auf, der auf „Of Truth & Sacrifice“ mehrfach erscheint und an dem sich die Geschmäcker durchaus scheiden können.

Der Gesamtsound klingt ein Stück weit altbacken und erinnert (in leider nicht immer positiver Form) an den Metal-Sound Mitte der 2000er. Dabei könnte man mitunter an vergangene Alben von In Flames denken. An Modernität könnte es daher an der ein oder anderen Stelle etwas mangeln.

Dass die Jungs nach wie vor heftige Metal-Bretter schreiben können und ihren Stil nicht aus den Augen verloren haben, beweisen sie allerdings gekonnt. Hier sind beispielsweise „Eradicate“, „Protector“ und „What War Means“ zu nennen.

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„Übermacht“ ist ein Song, der noch einmal heraussticht. Der Song beginnt elektronisch. Die Band experimentiert dabei sowohl mit Synthesizern als auch mit einem elektronischen Beat, bei dem man ein Stück weit Einflüsse von Bands wie Rammstein zu erkennen scheint. Allerdings ist der stampfend einsetzende Beat weniger eingängig und roh, wie man es von den Kollegen gewohnt ist. Im Laufe des Songs entwickelt „Übermacht“ dann die Merkmale, die man von einem HSB-Song erwartet. Dabei wird sowohl auf deutscher als auch auf englischer Sprache gesungen.

„My Heart And The Ocean“ ist eines der Juwelen auf der ersten Hälfte von „Of Truth & Sacrifice“ und wurde den Fans bereits vor dem Release des Albums präsentiert. Besonders auffallend ist, dass sich der Song ausreichend viel Zeit nimmt, um sich komplett aufzubauen, ohne dabei langatmig oder eintönig zu wirken. Dabei besteht der größte Teil des Songs aus geschrammelten 16tel Noten auf der Gitarre, während das zusätzlich gespielte Riff dem Track die notwendige Dramatik verleiht, die sich besonders im Schluss bemerkbar macht. Dadurch wird eine Schwere geschaffen, die beinahe spürbar ist.

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Mit „Expatriate“ zeigen Heaven Shall Burn dann, dass sie keine Scheu davor haben, den herkömmlichen Weg zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. Für diesen Song (und auch weitere) fuhr die Band bis nach Minsk, um die Orchesterpassagen des Songs zu vertonen. Hierfür wurden Dirigent Wilhelm Keitel und Komponist Sven Helbig mit ins Boot geholt, welcher Mitbegründer der Dresdener Sinfoniker ist und zusätzlich bereits mit Bands wie Rammstein und den Pet Shop Boys arbeitete.

Das Ergebnis kann sich definitiv hören lassen. Der Track beginnt eher minimalistisch. Zu hören ist ein Klavier und sehr dezente elektronische Samples. Mit dem Einsetzen der Streicher ändert sich die Stimmung und es wird eine ganz besondere Dramatik hervorgerufen, die von teils gesprochenen und teils gerufenen Vocals unterstützt wird. In der zweiten Hälfte des Songs setzt die gesamte Band mit ein und offenbart ein beeindruckendes Klanggerüst, welches sich eindrucksvoll und stimmungsgeladen erhebt. Das letzte Viertel des Songs ist außerdem in deutscher Sprache verfasst, in dem Sänger Marcus Bischoff in einem politischen Statement die Vergänglichkeit thematisiert.

„The Ashes Of My Enemies“ schlägt einen Bogen zum Intro von „Of Truth“, da es sich hier um ein vollständig instrumentales Outro der ersten Albumhälfte handelt. Dieses besteht hauptsächlich aus Streichern, die den ersten Teil gekonnt abrunden.

Dort, wo sich andere Bands sich nun zurücklehnen und sich eines vielseitigen Albums erfreuen würden, fangen Heaven Shall Burn erst an. So können sich die Fans im Anschluss auf „Of Sacrifice“ freuen.

Der zweite Teil des Doppelalbums nimmt sich noch mehr Raum für musikalische Ausfertigungen abseits der herkömmlichen Metal-Blase. So beginnt das Album mit „Children Of A Lesser God“ und bietet gleich einen klanglich gewaltigen Einstieg. Auffällig ist besonders, dass es sich um einen längeren Song handelt, der sich die notwendige Zeit für die Ausarbeitung intensiver, ruhiger Parts nimmt. Zusätzlich wirkt der Gesang von Bischoff weniger raumfüllend, sondern spitzer und präziser.

Trotz allem gibt es immer wieder Songs, die die gewohnten HSB-Merkmale beinhalten und den Hörer dadurch stetig zum Kern der Sache bewegen, sodass die kreativen Ausflüchte akzentuiert im Gesamtbild des Albums erscheinen. Hier wären beispielsweise „Stateless“ oder „Truther“ zu nennen, der eine enorme musikalische Brutalität aufweist und dem Hörer musikalisch förmlich ins Gesicht schlägt.

„La Resistance“ greift erneut die elektronischen Einflüsse auf, die bereits auf der ersten Hälfte des Albums eingeführt wurden. Allerdings wirkt der elektronische Sound, der im Laufe des Songs durch die klassischen Instrumente der Band ergänzt wird, ein Stück weit abgedroschen und eingestaubt, da er sich soundtechnisch in die Richtung des Techno der 90er Jahre bewegt, wodurch ein aktueller Bezug verloren geht.

„The Sorrow Of Victory“ beginnt eher clean mit einem angenehm vollen Sound, der durch die Zweistimmigkeit der beiden Gitarren erzeugt wird. Hinzu kommt der Klargesang, der das Bild abrundet. Ziemlich abrupt kippt die Stimmung des Songs und es wird deutlich härter. Die unterschiedlichen, musikalischen Themen werden im Verlauf immer wieder aufgegriffen und sind miteinander verbunden, wodurch der Track trotz des starken Bruchs sehr flüssig wirkt. Allerdings hat man das Gefühl, dass sich der Song, auch herbeigerufen durch seine Länge, etwas zieht und gerne kürzer sein dürfte.

Diesen Eindruck hat man bei „Critical Mass“ hingegen nicht. Die Nummer ist deutlich kürzer, besitzt Hardcore-Einflüsse und sticht durch seine Kompaktheit hervor.

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Mit „Weakness Leaving My Heart“ endet „Of Sacrifice“ mit einem wunderschön designten Song. Der ruhige Start, der mit Streichern bestritten wird, wird im Laufe des Songs durch ein Klavier ergänzt und gewinnt dadurch deutlich an Dramatik und Stimmung. Es handelt sich hierbei nicht um ein musikalisches, orchestrales Epos, wie es gerne im Metal verwendet wird, sondern um ein feinfühliges, nahezu zerbrechliches Stück, welches durch das Hervortreten des Klaviers und den dezenten Einstieg der Gitarre weiter an Fahrt aufnimmt. Mit dem Einsetzen der gesamten Band steigt dann auch der Gesang, erst nach mehreren Minuten des Tracks, ein, zieht dadurch allerdings keineswegs die Aufmerksamkeit auf sich, sodass das Gesamtbild des Songs im Fokus bleibt. Der Song ist abrundend, greift die unterschiedlichen Einflüsse des gesamten Albums noch einmal auf und summiert sie in einem einzigen Song, was beim Zuhören wirklich Spaß macht.

Beitragsfoto im Auftrag von MoreCore.de: Karoline Schaefer (Cat Eye Photography)

ALBUM
Of Truth & Sacrifice
Künstler: Heaven Shall Burn

Erscheinungsdatum: 20.03.2020
Genre:
Label: Century Media Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. March Of Retribution
  2. Thoughts And Prayers
  3. Eradicate
  4. Protector
  5. Übermacht
  6. My Heart And The Ocean
  7. Expatriate
  8. What War Means
  9. Terminate The Unconcern
  10. The Ashes Of My Enemies
  11. Children Of A Lesser God
  12. La Résistance
  13. The Sorrows Of Victory
  14. Stateless
  15. Tirpitz
  16. Truther
  17. Critical Mass
  18. Eagles Among Vultures
  19. Weakness Leaving My Heart
Heaven Shall Burn Of Truth & Sacrifice
Heaven Shall Burn Of Truth & Sacrifice
7.5
FAZIT
„Of Truth And Sacrifice“ ist mit seinen 19 Songs definitiv ein Brocken und in Zeiten des Streamings und verkürzten Aufmerksamkeitsspannen auffallend. Für dieses Album muss sich der Hörer Zeit nehmen, denn das ist es auch, was die Platte verdient. Genau das hat die Band auch beabsichtigt. Das Album vereint die unterschiedlichen Strömungen von Heaven Shall Burn, verliert dabei auch die auffällige Handschrift nicht, wirkt allerdings an der ein oder anderen Stelle etwas zäh und sperrig.

Durch den Einbezug des Orchesters an der ein oder anderen Stelle gewinnt das Album stark an Vielseitigkeit und geht einen neuen Weg. Die Verwendung der elektronischen Sounds wirkt hingegen etwas eingestaubt und verfehlt die beabsichtigte Wirkung ein Stück weit. Es ist schön zu sehen, dass sich Bands auch nach 24-jährigem Bestehen nicht zu schade sind, neue Wege zu gehen und sich gegen aktuelle Marketingströumungen stellen. Das wird sowohl der Band als auch den Fans Freude bereiten und wir können gespannt sein, was die Mannen für uns in Zukunft noch in petto haben.