Review
Punkrock
Kritik: NOFX - "Half Album"
In diesem Jahr ist es nun wirklich soweit – NOFX werden ab Herbst 2024 Geschichte sein. Die Band um Frontman ...
VON
Mauritz Hagemann
AM 21/04/2024
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In diesem Jahr ist es nun wirklich soweit – NOFX werden ab Herbst 2024 Geschichte sein. Die Band um Frontman Mike Burkett alias Fat Mike wird sich nach einem letzten Konzert in Los Angeles – wo auch sonst – in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden. Wer Fat Mike kennt, weiß aber, dass man eine ständig sprudelnde Kreativ-Quelle nicht einfach so trockenlegen kann. Und so überrascht es wenig, dass NOFX auch im letzten Jahr ihrer langen Karriere noch reichlich neues Material für uns haben. Denn auch das am Freitag erschienene „Half Album“ wird nicht die letzte Veröffentlichung der Band aus Kalifornien sein. So viel sei schon einmal verraten.
NOFX: Mehr EP als „Half Album“
Das „Half Album“ ist dann – der Name verrät es schon – auch kein Album, sondern mit fünf Tracks eine EP. Von diesen fünf Tracks ist der erste namens „Fake-A-Wish-Foundation“ auch nur ein besseres Intro. Die knapp 90 Sekunden Spielzeit genügen aber, um die Handschrift von Fat Mike zu erkennen. Alles andere wäre auch unsinnig – warum sollte man auf der Zielgeraden noch einmal etwas völlig Neues machen? Und so sind auch die folgenden Songs auf dem „Half Album“ in weiten Teilen das, was man von NOFX kennt, erwartet und im besten Fall auch liebt. Der Teufel – oder besser das Geniale – liegt hier eher im Detail. So spielt die Band auf „I’m A Rat“ sage und schreibe 54 Akkorde hintereinander, ohne dass sich einer von ihnen wiederholt. Das führt zu einer ganzen Menge an Erkenntnissen. 1. Der gemeine Punkrocker wird bis zu diesem Moment nicht gewusst haben, dass es überhaupt 54 Akkorde gibt. 2. NOFX können einen Song mit 54 verschiedenen Akkorden schreiben und er hört sich immer noch nach NOFX an. 3. Es soll noch einmal jemand behaupten, Punkrock könne nicht progressiv sein. Arnold Schönberg und seine Zwölftonmusik müssen sich warm anziehen. Hier kommen NOFX und die 54-Akkorde-Musik. Besagter Arnold Schönberg verstarb übrigens in Los Angeles. So schließt sich der Kreis.
Alte Ideen, frisch poliert
„The Queen Is Dead“ und „The Humblest Man in the World” sind dann aber doch Songs, die man ohne Weiteres als NOFX-typisch bezeichnen kann. Letzterer ist allerdings als eher gemächliche Midtempo-Nummer eine angenehme Überraschung. „The Queen Is Dead“ könnte Fat Mike-Diehards übrigens bekannt vorkommen, denn der Song ist eine Neuauflage des bereits auf seinem als Cookie The Clown veröffentlichten Soloalbums „You’re Welcome“ aus dem Jahr 2019. Der Song hat in der 2024er-Version allerdings deutlich mehr Tempo und Distortion bekommen – es bleibt Geschmackssache, was einem besser gefällt.
Die Verarbeitung steht im Vordergrund
Das „Half Album“ endet mit dem über sechs Minuten langen „The Last Drag“ . NOFX-Fans werden direkt den Zusammenhang zu „The Big Drag“ vom „Single Album“ erkennen. In „The Last Drag“ verarbeitet Fat Mike die Drogensucht und den Entzug seiner Ex-Partnerin. Es hat fünf Jahre gedauert, um den Song zu vollenden. Für Fat Mike keine besonders angenehme Erfahrung – und das hört man dem Songs auch an. Kein ganz leicht verdauliches Ende dieser EP – aber zum Glück ist es ja auch noch nicht das Ende von NOFX.
Anmerkung der Redaktion: Solltest du selbst das Gefühl haben, dass du dich in einer belastenden Situation befindest, dann kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Hilfe von Beratern, die mit dir Auswege aus schwierigen Situationen finden und eine tolle Stütze sein können. Danke, dass du es versuchst!
Foto: Susan Moss / Offizielles Pressebild
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