Review

AlternativePost-HardcoreRock

Kritik: Enter Shikari – "A Kiss For The Whole World"

„A Kiss for the Whole World” ist das Album, mit dem Enter Shikari voller Energie in eine Welt zurückkehren, in ...

VON

„A Kiss for the Whole World” ist das Album, mit dem Enter Shikari voller Energie in eine Welt zurückkehren, in der sie live alles geben können. Das Quartett aus St. Albans veröffentlicht diese Woche seinen siebten Longplayer, der 2022 in einer abgeschottenen Hütte auf dem englischen Land entstand. Produziert ist das Album ausschließlich mit solarer Energie von niemand anderem als Sänger und Texter Rou Reynolds selbst.

Im Zuge der Veröffentlichung des letztes Albums „Nothing Is True & Everything Is Possible“ (2020) kündigte die Band an, es werde das Enter Shikari-Album schlechthin sein. Was damals versprochen wurde, ist mit „A Kiss For The Whole World“ nun gelungen. Denn LP Nr. 7 ist nichts weniger als die Quintessenz von Enter Shikari auf einer Platte.

Enter shikari: „Be embraced, Billions!“

Werdet ergriffen, umarmt, eingenommen – mit dieser Line startet das Album, das mit typischen Shikari-Synths auffährt. Der erste Track fasst gut zusammen, was man vom Rest der Platte erwarten kann. Neben dem Titeltrack stimmen die bereits vorab veröffentlichten Single „(pls) set me on fire“ und „It Hurts“ ein. Es wird schnell klar: Auf dieser Platte passiert viel. Es türmen sich Spuren von Instrumenten, Vocals und Synths. Doch hier kommt die langjährige Erfahrung der Band ins Spiel. Denn auch wenn die Tracks überladen wirken könnten, ist dies nicht der Fall.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Jedes Piepen und jeder Streicher sitzen mit Intention, was sich über die Platte hinweg verfestigt. Vor allem das Gesamtbild passt – Hörende werden über das Album hinweg problemlos abgeholt. Anstatt Song für Song zusammenhanglos aneinanderzureihen, sorgen verschiedene Interludes für ein stimmiges Werk. Selbst der Ausreißer „Dead Wood“, der sich mit orchestralen Klängen ankündigt, reiht sich ein. Und das, obwohl er auf das vielschichtige D’n’B-Interlude „feed yøur søul“ trifft. Auch stimmlich ist Sänger Rou Reynolds in Bestform – egal, ob bei klarer Stimme, Screams, Shouts oder auch Sprachgesang.

Die Highlights: „Jailbreak“ & „Bloodshot“

Musikalisch geht es zur zweiten Hälfte des Albums nochmal richtig los. Mit „Jailbreak“ legt das Quartett einen upbeat, „Break Free!“, Mitsing-Track vor, der trotz Eingängigkeit nicht flach ist – sondern einfach Spaß macht. Womöglich DER Song der Platte, zaubert die reine Vorstellung des Lieds auf Festivalbühnen ein Lächeln aufs Gesicht. Der Sprechgesang zu Ende des Songs erinnert umgehend an „Constellations“ von „A Flash Flood of Colour“ (2012) und ist somit das emotionale i-Tüpfelchen.

Direkt gefolgt von dunklen verzerrten Stimmen und melodischen Bögen in „Bloodshot“, das bereits vorab veröffentlicht war, rundet sich das Album zum Ende hin mit dem Remix-Interlude „Bloodshot (Coda)“ in nur drei Tracks perfekt ab. Dazu noch das aggressivere Intro von „goldfish ~“, ist die zweite Hälfte des Albums ein Querschnitt von dem, was Enter Shikari 2023 ist. Wer also nur kurz einen Eindruck von Album bekommen möchte, steigt am besten hier ein.

Mut zur Selbstreferenz: Eine Liebeserklärung an die Fans

„Standing like statues“ – das Mantra, das die Band und ihre Fans seit Jahren begleitet und sich auf fast allen Platten wiederfindet, darf auch auf „A Kiss For The Whole World“ nicht fehlen. Wenn es um Selbstreferenz geht, haben sich Enter Shikari auf diesem Album nicht zurückgehalten, ganz im Gegenteil. Wer weiter genau hinhört, wird auf über das ganze Album verteilt Erinnerungsstücke vergangener Töne und Texte entdecken. Fanfare als Intro wie jedes Konzert der letzten drei Jahre; „Wait for the spark“ heißt es in „(pls) set me on fire”; „Wish I was back in the Dreamer’s Hotel“ findet uns in „Jailbreak“; und “Nothing is true” singt Rou auf “Dead Wood”, das mit seinen orchestralen Tönen auch musikalisch am ehesten an die Vorgängerplatte erinnert. Ein emotionales Anknüpfen findet sich im vorletzten Track „Giant Pacific Octopus (i don’t know you anymore)“ – sagt Bescheid, wenn ihr es gehört habt!

Übrigens: Nicht nur in der Musik, sondern auch auf dem Albumcover wird mit Vergangenem gespielt: Auf Twitter teilte Sänger Rou Reynolds im März das Albumcover in ganzer Größe. Hinten links findet man ein umgefallenes leuchtendes Dreieck, das doch sehr nahe an das Cover des dritten Studioalbums „A Flash Flood of Colour“ (2012) herankommt.

Enter Shikari durch und durch

Texlich und thematisch bleiben sich Enter Shikari auf diesem Album treu. Mit bildhaften Metaphern um Natur und das Universum sind die Songs des Albums bekannt sozialkritisch und politisch. „Leap into the Lightning“ nimmt so ziemlich alles mit, was Enter Shikari in den letzten Jahren textlich und musikalisch beschreibt – dunkler Sprachgesang, ein durchaus melodischer Refrain, umgeben von Sounds von Laserbeams und ergänzt durch das dunkle Interlude „feed yøur søul“, das Motive des Tracks mit aufnimmt. Aber auch die nötige Prise Introspektive fehlt dem Album nicht.

Grundsätzlich entsteht der Eindruck, dass auf dieser Platte viel mitgenommen wurde, was auf dem letzten Longplayer als Experiment startete. Was dort versucht wurde, ist nun perfektioniert. Ein typisches Muster, wie die Band in der kürzlich erschienen Autobiographie „Standing Like Statues“ beschreibt.

Foto: Jamie Waters / Offizielles Pressebild

ALBUM
A Kiss For The Whole World
Künstler: Enter Shikari

Erscheinungsdatum: 21.04.2023
Genre: , ,
Label: SO Recordings / Ambush Reality
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. A Kiss For The Whole World x
  2. (pls) set me on fire
  3. It Hurts
  4. Leap into the Lightning
  5. feed yøur søul
  6. Dead Wood
  7. Jailbreak
  8. Bloodshot
  9. Bloodshot (Coda)
  10. goldfĭsh ~
  11. Giant Pacific Octopus (i don’t know you anymore)
  12. giant pacific octopus swirling off into infinity…
Enter Shikari A Kiss For The Whole World
Enter Shikari A Kiss For The Whole World
9
FAZIT
Nach gut 20 Jahren Bandgeschichte lässt sich festhalten: „A Kiss For The Whole World“ ist Enter Shikari in der Quintessenz. Was dem Album noch die Krone aufsetzen könnte, wäre ein heavy Track im alten Stile. Gleichzeitig braucht es das nicht, um eine stimmige Platte zu sein. Denn das Album ist das, was Enter Shikari heute sind, und nicht das, was die Band mal war. Es ist ein Genre in sich, das auch im Jahr 2023 noch enorm gut funktioniert. So viel zu machen und trotzdem nicht überladen zu sein, verdient eine Runde Applaus – den sich die Jungs mit den Tracks des Albums auf diesjährigen Festivals sicher erspielen werden.