Review

Pop-PunkPunkrock

Kritik: Boston Manor - "Desperate Times Desperate Pleasures"

Boston Manor, gegründet 2013 im nordenglischen Blackpool, gelten schon längst nicht mehr als Geheimtipp. Zu überzeugend waren die ersten drei ...

VON

Boston Manor, gegründet 2013 im nordenglischen Blackpool, gelten schon längst nicht mehr als Geheimtipp. Zu überzeugend waren die ersten drei Studioalben der Band, die gleichwohl eine erstaunliche Entwicklung mit sich brachten.

War das Debütalbum „Be Nothing.“ (2016) noch stark vom Pop-Punk geprägt, hielten auf „Welcome To The Neighbourhood“ (2018) und vor allem auf „Glue“ (2020) immer mehr elektronische Klänge Einzug. Bei der Hörerschaft kam die Entwicklung offensichtlich sehr gut an, denn inzwischen hat sich die Band zu einem absoluten Top-Act der ohnehin schon nicht kleinen UK-Alternative-Szene gemausert.

Da das letzte Album erst 2020 erschienen ist und die (Musik-)Welt sich danach erst einmal in den kollektiven Lockdown verabschiedete, konnte man nicht unbedingt jetzt schon mit neuem Material der Band rechnen. Fronter Henry Cox gibt auch zu, dass es im letzten Jahr schwergefallen ist, überhaupt die nötige Kreativität für neue Songs zu entwickeln. Doch zum Glück kam diese irgendwann wieder und hat sogar eine ganze EP mit dem Titel „Desperate Times Desperate Pleasures“ hervorgebracht.

So klingt die neue EP „Desperate Times Despreate Pleasuers von Boston Manor

Die EP startet mit dem schon seit August veröffentlichen Track „Carbon Mono“, der alles enthält, was einen guten Song von Boston Manor ausmacht. Nicht nur der Wechsel zwischen harten, von Synthie-Klängen untermalten Parts und zerbrechlichen Strophen überzeugt, sondern gerade auch die lyrische Seite. Henry Cox schafft es wie kaum ein anderer, seine Texte einerseits sehr klar und pointiert, anderseits aber auch niemals zu platt wirken zu lassen.

Das absolute Highlight ist dann aber wohl der folgende Track „Algorithm“. Das liegt zum Teil sicher an dem zum Kopfnicken prädestinierten Refrain, aber an erster Linie an den ehrlichen Lyrics, in denen Cox den Druck beschreibt, als Band einen perfekten (Social) Media-Auftritt hinlegen und die Musik als Kunstwerk verkaufen zu müssen. Ein hartes Zeugnis über den Zustand der Szene, das zum Nachdenken anregt. „Desperate Pleasures“ geht musikalisch wieder deutlich mehr in die Richtung von „Algorithm“ und greift die Erfahrungen auf, die die Band mit dem fehlenden gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Pandemie gemacht hat.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Vermutlich waren diese Erfahrungen auch namensgebend für „I Don’t Like People (& They Don’t Like Me)“. Musikalisch hat der Song ebenfalls sehr gute Ansätze, plätschert aber im Vergleich zu den vorherigen Tracks ein wenig daher, ohne dass die Hookline, auf die man bei Boston Manor fast schon wetten kann, sichtbar hervorkommt. Solide, mehr aber auch nicht.

Die EP wird schließlich mit „Let The Right One In“ beschlossen, einem Track, der sich vor allem durch seinen fast schon psychodelischen Beginn musikalisch deutlich von den anderen Songs abhebt. Und auch wenn der Song in der Mitte zumindest zeitweise Fahrt aufnimmt, bleibt er doch noch einmal melancholischer als die vorherigen Songs der EP, wodurch er jedenfalls zum runden Abschluss wird und den Titel der Platte noch einmal unterstreicht.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Für Boston Manor war es nach eigener Aussage eine Befreiung, nach dem langen und ungewissen Lockdown-Monaten wieder kreativ zu werden und die EP zu recorden. Die Schwere der Pandemie-Zeit merkt man der EP an, wobei dies ein Pluspunkt ist. Boston Manor sind ernster geworden, aber sie haben auch ihre Sinne geschärft und wissen, was sie am besten können. Die Lyrics sind noch eingängiger geworden, die Musik noch differenzierter. Die Erfolgsgeschichte der Band, die Anfang des Jahres hierzulande Neck Deep supporten wird, ist noch lange nicht zu Ende, das kann man sicher sagen.

Foto: Boston Manor / Offizielles Pressebild

ALBUM
Desperate Times Desperate Pleasures (EP)
Künstler: Boston Manor

Erscheinungsdatum: 29.10.2021
Genre: ,
Label: SharpTone Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Carbon Mono
  2. Algorithm
  3. Desperate Pleasures
  4. I Don't Like People (& They Don't Like Me)
  5. Let The Right One In
Boston Manor Desperate Times Desperate Pleasures
Boston Manor Desperate Times Desperate Pleasures
8
FAZIT
Der rasante Aufstieg von Boston Manor zu einem der heißesten UK-Acts wurde im letzten Jahr jäh durch die Pandemie gestoppt. Doch es spricht für die Band, dass sie es geschafft hat, diese schwierige Zeit in Texte und Musik umzuwandeln, die wir jetzt auf "Desperate Times Desperate Pleasures" hören. Vielleicht wird dem ein oder anderen die Leichtigkeit der Anfangstage fehlen, doch so authentisch wie auf "Desperate Times Desperate Pleasures" war die Band wohl nie. Und das macht Lust auf mehr.