Review

Hardcore

Kritik: Rotting Out - "Ronin"

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe als ich hörte, dass Rotting Out ein neues Album ...

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Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe als ich hörte, dass Rotting Out ein neues Album auf den Markt bringen. Die Band hat in den letzten sieben Jahren einiges durchgemacht.

Das beginnt damit, dass innerhalb der letzten Jahre keine neue Musik veröffentlicht wurde. Zudem galten Rotting Out zwischendurch sogar als aufgelöst. Um dem Ganzen dann noch die Krone aufzusetzen, musste Sänger Walter Delgado eine Gefängnisstrafe absitzen.

Genügend „Material“, um eine Band komplett dem Erdboden gleich zu machen, aber auch genügend Material für ein neues Album. Dieses heißt „Ronin“, erschien via Pure Noise Records und beinhaltet zehn neue Songs.

Rotting Out geben sich auf „Ronin“ thematisch persönlich und musikalisch wohlbekannt

Die Platte beginnt mit dem Song „Vessel“. Dieser steigt gleich wild mit einem unverkennbaren Blastbeat und dem abwechslungsreichen Gesang von Delgado ein. Man merkt sofort, dass Rotting Out auch nach sieben Jahren ihren Sound nicht verloren haben.

Der Song ist mit 1:41 Minuten sehr kurz und auch die anfängliche Geschwindigkeit nimmt abrupt ab, wodurch „Vessel“ wohl eher als eine Art Intro gelten könnte. Inhaltlich spricht der Song das Hauptthema des Albums an.

Auf diesem verarbeitet Delgado die Dämonen seiner Vergangenheit. Er sieht sich in „Vessel“ als Produkt seiner Vergangenheit, das durch häusliche Gewalt kurz davor ist, zu zerbrechen und den Grund für die Misshandlungen stets bei sich sucht.

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„Last Man Standing“ beginnt im klassischen Stil einer Hardcore-Band instrumental, beim Einsetzen des Gesangs treten die Instrumente deutlich in den Hintergrund, sind tatsächlich nur begleitend vorhanden. Der Song handelt von den Schattenseiten des Lebens in Los Angeles, der Konfrontation mit Tod und Leid und der Tatsache, dass man sich nicht unterkriegen lässt und diese Stadt trotz allem nicht verlassen möchte. Gegen Ende des Songs erhalten die Gitarren durch einen zusätzlichen Overdrive-Boost noch einmal zusätzliche Fülle, wodurch der Song eine Steigerungskurve aufweist.

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Die kreischende Rückkopplung, mit der „Reaper“ beginnt, wird durch einen kraftvollen und wütenden Sound abgelöst, der durch Mark und Bein geht. Der Gesangsteil wird hingegen instrumentenlos bestritten, wodurch es den Anschein macht, als würde der Gesang noch deutlich direkter und unverblümter wahrgenommen werden.

Der Song strotzt in einem besonderen Maße vor Authentizität. Dies wird ebenso im Breakdown deutlich, der eher minimalistisch und schlicht gehalten ist, allerdings sein Ziel in keiner Weise verfehlt. Mit diesem Breakdown endet „Reaper“ nach 1:42 Minuten.

Der Song „Prisoner“ ist, anders als man es beim Titel vielleicht erwarten würde, nicht der Zeit im Gefängnis gewidmet, die Delgado erlebt hat, sondern behandelt seine Kindheit. Es geht um die Gewalt, die der Rotting Out-Frontmann erlebte; die Angst in seinen Augen, als seine Mutter in einen Raum gesperrt wurde und er und sein Bruder „um ihr Leben liefen“.

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Der Song geht definitiv unter die Haut und wirkt gnadenlos persönlich. Von musikalischer Seite werten besonders das Bassspiel und die gespielten Oktaven der Gitarren den Sound des Songs weiter auf. Von gesanglicher Seite wirkt Delgado in diesem Stück etwas krächzig, was den Song zwar nicht schmälert, das mehrmalige Hören aber doch hemmt.

Der Breakdown des Lieds wird durch die Verwendung einzelner Gitarren hervorgerufen, die abwechselnd auf unterschiedlichen Kopfhörerseiten zu hören sind. Mit dem Ende von „Prisoner“ geht gleichzeitig der Beginn von „Unforgiven“ einher.

Dieser startet mit einem Gitarrensound, der stark an die Sirenen eines Krankenwagens erinnern. Der Song ist von musikalischer Seite deutlich zurückhaltender und besitzt einen starken Punk-Vibe, was ihn im Vergleich zu den bisherigen Stücken hervorhebt. Diese besitzen einen klaren Hardcore-Sound.

Zusätzlich ist in „Unforgiven“ das erste Gitarrensolo des Albums enthalten, was dem Hörer besondere Freude bereiten sollte. Der Song, der bereits als erste Single veröffentlicht wurde, behandelt das, was ihm von Kindestagen an im familiären Umfeld eingetrichtert wurde: Es ist deine Schuld!

Mit diesem tiefverankerten Schuldgefühl setzt sich Delgado in diesem Song auseinander, zeigt darüber hinaus seine persönliche Entwicklung und den Willen, sich selbst zu vergeben und darüber hinaus einzusehen, dass er nicht die Schuld an dem hat, was ihm als Kind widerfahren ist.

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„Thief“ ist ebenfalls ein Song, der punkigere Einschläge besitzt und zwischenzeitlich den Vibe von Bands, wie The Offspring versprüht. Im Two-Step-Tempo baut sich das Lied auf, indem immer mehr Instrumente das Riff nach und nach spielen. Allerdings klingt eben dieser Riff in gewisser Weise abgedroschen.

Der Text des Songs zeigt hingegen einen positiven Aspekt: Delgado zeigt den Willen, sich von seinen Dämonen aus der Vergangenheit zu löse, möchte mit dem Thema abschließen und nach vorne blicken, wodurch der Song trotz der eher eintönigen musikalischen Ausarbeitung, von textlicher Seite eine besondere Relevanz darstellt und eine Art Wendepunkt symbolisiert.

Der letzte Song des Albums ist „Boy“. Dieser baut sich sehr langsam auf, ist mit 5:33 Minuten der mit Abstand längste Song des neuen Rotting Out-Albums und besitzt eine ganz besondere Schwere, die sich über das Gesamtgerüst des Liedes legt.

Durch den eher ruhigen Beginn und den stetigen Aufbau hätte der Song auch als erster Track des Albums sicherlich eine gute Figur gemacht. Das Schlagzeug und die Saiteninstrumente stellen in diesem Stück eine Einheit dar, die deutlich hervorsticht und in ihrer Intensität auf „Ronin“ einzigartig ist.

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Die Schwere der Musik wird auch im Text deutlich, in der es um die Gedanken Delgados bzgl. seiner Misshandlungen in der Kindheit geht und um die Mauer des Schweigens, die er seitdem aufrechterhalten hat.

Der Text macht betroffen, weckt durch seine Direktheit ein unwohles Gefühl und trifft daher mitten in das Herz des Hörers.

Mit der letzten Zeile „Ronin: Unknown“ wird zum einen ein Bezug zum Titel des Albums hergestellt, zum anderen wird die Reise Delgados symbolisiert, die ihn als einsamen Kämpfer darstellt, der seinen Weg bestreitet und sich erst jetzt traut, sein Schweigen zu brechen und sich seiner Vergangenheit zu stellen.

Foto: Rotting Out / Offizielles Pressebild

ALBUM
Ronin
Künstler: Rotting Out

Erscheinungsdatum: 10.04.2020
Genre:
Label: Pure Noise Records
Medium: CD, Vinyl

Tracklist:
  1. Vessel
  2. Last Man Standing
  3. Stones
  4. Reaper
  5. Prisoner
  6. Unforgiven
  7. Still Her
  8. Thief
  9. Visceral
  10. Boy
Rotting Out Ronin
Rotting Out Ronin
8
FAZIT
Es fällt wirklich schwer, eine Kritik zu verfassen, wenn die Thematiken und die verarbeiteten Erfahrungen so gradlinig und beklemmend wirken. Rotting Out haben musikalisch mit „Ronin“ definitiv zu ihrer alten Stimme gefunden. Die Songs sind von textlicher Seite schnörkellos und schaffen es, in Kombination mit der Musik, ein Unbehagen hervorzurufen, das seinesgleichen sucht.

Sänger Walter Delgado legt in den Songs sowohl seine dunkle Vergangenheit als auch die daraus resultierenden Gedankengänge und Verhaltensmuster, die ihn bis heute beschäftigen, dar.

Von musikalischer Seite ist zu sagen, dass es sich um ein Hardcore-Album handelt, das gradlinig und direkt wirkt. Die Länge der Songs und des Albums generell ist eher kurz gehalten und könnte dem ein oder anderen deshalb vielleicht etwas missfallen. Der Sound bewegt sich in den klassischen Gefilden des LA-Hardcore und macht keine sonderlich großen Ausflüchte, was allerdings auch nicht nötig ist, da es deutlich um den Inhalt der Songs geht, die eher in eine Art musikalisches Gewand gekleidet werden. Fans des Genres und der Band wird dieses Album definitiv Spaß bereiten.