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GrindcoreHardcore

Kritik: Mastiff - "Deprecipice"

Mit ihrem Debütalbum „Leave Me The Ashes Of The World” haben Mastiff die britische Grindcore-Szene mächtig aufgeräumt. Kaum zweieinhalb Jahre ...

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Mit ihrem Debütalbum „Leave Me The Ashes Of The World” haben Mastiff die britische Grindcore-Szene mächtig aufgeräumt. Kaum zweieinhalb Jahre später legt die Band mit „Deprecicipe“ ihr zweites Album nach und liefert 34 Minuten frische Musik, die dort anknüpft, wo man 2021 aufgehört hat.

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Mastiff: Chaos reigns?

„Bite Radius“ haut direkt zu Beginn mit chaotischem Ansatz und Mathcore-Elementen auf die Zwölf. Inmitten des Crust-Gitarrensounds und Blast Beats findet sich auf den ersten Eindruck nur wenig Form und Struktur – viel mehr liefern Mastiff eine fiese Abreibung, die zunächst überfordern mag und sich jeglicher Geradlinigkeit entzieht.

Doch gerade die reduzierten Momente des Tracks lassen „Bite Radius“ etwas greifbarer werden, auch wenn die strukturelle Komponente nicht mit Eingängigkeit überzeugen kann. So endet der Track in abrasiver Hardcore-Manier und lässt vermuten, dass „Deprecicipe“ vom Chaos regiert ist.

Mit punchigen und auf Groove angelegten Riffs liefert „Everything Is Ending“ den ersten richtigen Breakdown des Albums, bleibt dabei aber durch die gebotene Simplizität dessen etwas hinter seinen Möglichkeiten. Auch Einflüsse aus Beatdown und Hardcore lassen die gebotene Brisanz nicht in ein Feuer aufgehen.

Bedrückende Stimmung und erste Fragezeichen

Dagegen wirkt das schnellere „Void“ wesentlich agiler und bemüht sich um eine dezent avancierte Atonalität, die dem Track eine düstere Stimmung verleiht. Das funktioniert folglich etwas besser als die ersten beiden Tracks, wurde aber bei Bands wie Noise Trail Immersion längst auf die Spitze getrieben und wirkt hier um eine stumpfe Hau-Drauf Komponente abgeschwächt.

Zusammen mit Primitive Man-Sänger Ethan Lee MacCartey ist das kurzweilige „Cut-Throat” nicht minder bedrückender als die Musik der US-Amerikaner. Die Atmosphäre des Tracks funktioniert zwar, doch stellt sich die Frage, warum man diesen Lückenfüller nicht weiter ausbaut und zu einem zweieinhalb-minütigen Interlude werden lässt, während das folgende „Skin Stripper“ in Grindcore-Gangart mit 1:32 konzise auf den Punkt bring, warum man die Musik von Mastiff feiern kann.

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Zwischen Old School Ansatz und ernsthaften Beatdown

„Serrated“ zeigt sich Riff-lastig von einer Old School Death Metal Seite, die hin und wieder auf dem gesamten Album anklingt. „Worship“ hingegen beginnt fast schon thrashig und wirft Parallelen zu alten Slayer-Songs auf, so lässt sich das Mainriff fast schon als Allusion an „Reigning Blood“ auffassen. Insgesamt zeigt sich das musikalische Spektrum auf „Worship“ etwas deutlicher und wird um ein Gitarrensolo ergänzt.

Nur selten spielt Melodie eine große Rolle auf „Deprecipice“, auf „Worship“ kommt dieser Aspekt jedoch am deutlichsten hervor, nur um dann von Beatdown-Einschüben regelrecht zerstampft zu werden. Ähnlich stampfend beginnt das fünfminütige „Pitiful“, das auf einem Riff basiert, das fast schon lächerlich stumpf ist, durch den Sound von Mastiff allerdings durchweg kredibel bleibt und seine Wirkung beibehält, ohne als Farce aufgegriffen zu werden.

Es ist die Ernsthaftigkeit, die im Songwriting von Mastiff durchweg scheint und sie trotz teilweise roher Brutalität und stumpfer Riffs mit einer gewisse Integrität auszeichnet. Das Problem hierbei ist allerdings, das insgesamt zu wenig passiert und die düstere Grundstimmung des Albums einfach nicht genug ist, um auf voller Linie zu überzeugen.

Frühlingsgefühle?

Sicherlich sind die Tracks durchweg solide geschrieben und bringen das nötige Fünkchen Punch ohne jeden Zweifel mit. Es passiert jedoch zu wenig, dass etwas hängenbleibt, während die Grundstimmung des Albums einen nichtssagenden Eindruck hinterlässt. Weit entfernt von nihilistischem Weltschmerz, wirkt „Deprecipice“ wie ein genervter Wutausbruch, der mit „Thorn Trauma“ und Black Metal-Anleihen wesentlich überzeugender endet, als er angefangen hat.

Am Ende bleibt der Eindruck, dass Mastiff ihr Album voller Wut vortragen, dabei aber vergessen haben, an einzelnen Stellschrauben zu drehen. Stellenweise funktioniert die blanke Wut bestens, teilweise ist sie doch zu platt, um ansteckend zu wirken. Wer für etwas mehr als eine halbe Stunde mal ordentlich auf den Putz hauen will, ist mit „Deprecipice“ bestens beraten.

Wer sich in düstere Hau-Drauf Mucke verlieben möchte, sucht besser an anderer Stelle, denn dafür werden beim Hören eindeutig zu wenige Hormone freigesetzt. Da hilft auch das Releasedatum im beginnenden Frühling nur bedingt.

 

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Foto: Nick Sayers / Offizielles Pressebild

ALBUM
Deprecipice
Künstler: Mastiff

Erscheinungsdatum: 22.03.2024
Genre: ,
Label: Melody Catalog LP
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Bite Radius
  2. Everything Is Ending
  3. Void
  4. Cut-Throat
  5. Skin Stripper
  6. Serrated
  7. Worship
  8. Pitiful
  9. The Shape
  10. Thorn Trauma
Mastiff Deprecipice
Mastiff Deprecipice
6.5
FAZIT
Das, was Mastiff auf ihrem zweiten Album offenbaren, liegt irgendwo zwischen einer Uptempo Hardcore-Version von Primitive Man, einem modernen Take auf Napalm Death, einer weniger technisch versierten Version der Schweden Mass Worship und einer Sludge-introktrinierten NYHC Studie. Dabei klingt „Deprecipice“ eigenständig genug, um sich von anderen Bands abzuheben – alles in allem fehlt es aber an irgendwas, das den Funken letztlich überspringen lässt. Was genau das ist, ist schwer zu sagen. Fans werden vermutlich aber dennoch auf ihre Kosten kommen.