Review
PunkrockRock
Kritik: Madsen - "Na gut dann nicht"
Holt die Nietengürtel aus dem Keller, dreht die Boxen auf und setzt schon mal das Zuckerwasser an – ganz nach ...
VON
Kathrin Löffler
AM 08/10/2020
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Holt die Nietengürtel aus dem Keller, dreht die Boxen auf und setzt schon mal das Zuckerwasser an – ganz nach dem Motto: Punk‘s not Dead! verpassen Madsen dem dahinscheidenden Punk einen Bypass und begießen ihre allgemeine Empörung mit einem kräftigen Schluck Bier.
Was Madsen in ihrem neuen Album „Na gut dann nicht“ abliefern, ist der Punk der nächsten Generation. In knapp 35 Minuten wird humorvoll gegen Influencer, Kapitalisten und Trash-TV gepöbelt. Was die Kombo diesmal bietet, ist sicherlich nicht das, was der durchschnittliche Madsen-Fan gewöhnt ist und genau deshalb auch an dieser Stelle eine Erwähnung wert.
Dass ihre Wurzeln im Punk liegen, war damals auf ihrem Debütalbum noch deutlich herauszuhören. Seitdem hat sich ihr Stil in eine andere, ruhigere Richtung entwickelt. Schade, dass wir 15 Jahre und sieben Alben lang warten mussten, bis sie ihrer Wut und ihrem Frust wieder freien Lauf lassen und die harten, lauten Töne zurück auf das schwarze Plastik pressen.
Wenn man bedenkt, dass eigentlich ein anderes Album auf dem Plan stand, hat Corona in diesem Fall auch mal etwas Positives hervorgebracht. Für „Na gut dann nicht“ wurde der reguläre Nachfolger von „Lichtjahre“ einfach mal hinten angestellt und aus einer spontanen Laune heraus schrieben und produzierten die Jungs das Ding innerhalb von zwei Wochen im heimischen Wendland.
Madsen bieten Punkrock der nächsten Generation
Frei Schnauze prangern sie an, was ihrer Meinung nach in der heutigen Zeit falsch läuft und treffen damit den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Erfolgreich drücken sie dem Punk unverkennbar ihren individuellen Stempel auf und wirken zu 100% authentisch. Man bekommt fast den Eindruck, als fänden sie in dieser Musik endlich ihre Erfüllung und können ungezwungen ihrer wahren Leidenschaft nachgehen.
Zwar beschränken sie sich nicht klischeehaft auf drei Akkorde pro Song, dennoch ist ihr Sound frei von Schnickschnack und weckt in Kombination mit provozierenden, humorvollen und frechen Texten nostalgische Gefühle an Zeiten, als Die Ärzte noch gute Musik machten.
Damit das Ganze dann auch noch schön motzig klingt und der gewisse rotzige Charme nicht fehlt, lässt Sänger Sebastian auch gerne mal seinen Brüdern oder Bassist Niko den Vortritt am Mikro oder brüllt sich selbst die Kehle aus dem Leib.
Auch wenn oder gerade weil das Album eher spontan entstand, ist es eine beeindruckende Momentaufnahme unserer Gesellschaft im Jahr 2020, das die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation wütend zu Boden prügelt und nochmal heftig nachtritt.
Es wird an die Empathie der Bürger appelliert, die Jugend zum Handeln aufgerufen und so gut wie jedes kontroverse Thema kurz angekratzt: Kapitalismus, Demonstrationen, Politik, Rassismus, Faschismus, Influencer, Verschwörungstheoretiker, die Menschheit und ihre Fehler im Allgemeinen, Selbstdarsteller im Trash-TV, u.v.m. – jeder kriegt hier, mal mehr und mal weniger sympathisch, sein Fett weg.
Madsen übertreffen sich diesmal ausnahmsweise selbst und regen mit ihren Texten nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum Handeln an. Ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, wage ich die Prognose, dass es mit diesem Album bei einer einmaligen Sache bleiben wird.
Trotzdem bleibt zu wünschen, dass sie die Attitüde, die sie hier an den Tag legen, mit in das nächste Album nehmen – Der Punk steht ihnen nämlich ausgesprochen gut.
Credit: Dennis Dirksen / Offizielles Pressefoto
Na gut dann nicht
Künstler: Madsen
Erscheinungsdatum: 09.10.2020
Genre: Punkrock, Rock
Label: Arising Empire
Medium: CD, Vinyl, etc
- Na gut dann nicht
- Herzstillstand
- Quarantäne für immer
- Auf deinem Balkon
- Supergau
- Protest ist cool aber anstrengend
- Scheiße zu Gold
- A.W.M.
- Behalt deine Meinung
- Trash TV
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