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Folk

Kritik: Wardruna - "Kvitravn"

Weißer Rabe oder“„Kvitravn“, wie es im norwegischen Original heißt, ist das fünfte Album der norwegischen Band Wardruna. Mit diesem Album ...

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Weißer Rabe oder“„Kvitravn“, wie es im norwegischen Original heißt, ist das fünfte Album der norwegischen Band Wardruna. Mit diesem Album liegt mir das erste mal eine Platte vor, mit deren Genre ich mich noch nie so richtig beschäftigt habe. Nach dem ersten Reinhören wurde ich allerdings neugrierig – Irgendwie kam mir die Musik bekannt vor. Wie sich später herausstellen sollte, war mir das Ganze doch garnicht so unbekannt und ich gehe jede Wette ein, dass ich da nicht die einzige bin…

Beim Anblick der Pressebilder schossen mir unwillkürlich die Begriffe Mittelalterrock und Mittelaltermärkte in den Kopf und damit zugegebenermaßen auch eine gewisse Skepsis, die sich auf einer ganzen Menge Klischees begründet, die doch irgendwie jeder kennt. Aber weil ich grundsätzlich immer auf der Suche nach der Ausnahme bin, die die Regel bestätigt, habe ich mir diesem geheimnisumwobenen Album einfach mal angenommen. Das Ergebnis ist eine positive Überraschung, die zumindest ein paar Vorurteile aus meiner Klischeekiste streichen konnte. Außerdem bin ich mir immer noch sicher, dass bereits mehr Leute die Musik dieser Truppe gehört haben, ohne es überhaupt zu wissen – aber dazu später mehr.

Wardruna huldigen den alten skandinavischen Göttern

Unglücklicherweise zählt Norwegisch nicht zu meinen stärksten Fremdsprachen, trotzdem höre selbst ich Worte wie „Freya“ deutlich heraus. Mit Hilfe des Google-Translators bestätigte sich mir, was ja eigentlich ohnehin offensichtlich war (Outfits der Musiker und das Cover des Albums sprechen für sich): In ihren Texten geht es vor allem um Spiritualität in Bezug auf die alten skandinavischen Götter und den Glauben der alten Wikinger an eben diese. „Kvitravn“ ist bereits das fünfte Album der Kombo aus Bergen und wer die Band und ihre Diskographie kennt, der weiß, dass sich allein die ersten drei Alben ausschließlich den 24 Runen des älteren Futhark widmen. Mit ihrem neusten Werk wollen sie an die Trilogie anschließen und beschäftige sich diesmal vornehmlich mit ausgewählten Mythen, spirituellen Konzepten und nordischer Zauberei.

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Die engelsgleiche Stimme von Sängerin Lindy Fay Hella im Kontrast zu den kriegerischen Gesängen von Frontmann Einar Selvik klingen tatsächlich fast wie Gebete an die Götter. Nur die Instrumente setzte dem Ganzen noch die Krone auf den Schädel. Nach dem Vorbild traditioneller und historischer Instrumente nutzen Wardruna ausschließlich verschiedene Leiern und Fiedeln sowie Flöten oder einem Ziegenhorn. Dabei greift Selvik, der die Insturmente übrigens alle selbst einspielt, nicht nur auf altertümliche Mittel zurück, sondern bedient sich auch ausgiebig an den Klängen der Natur. Hier und da legt sich ein Gewitter über die Songs oder wird von dem Gekrächze eines Rabens begleitet. Rauschender Wind wird vom prasselndem Regen abgelöst („Fylgjutal“) oder endet im entfernten Wolfsgehäul („Grá“).

Das Zusammenspiel aus natürlichen Klängen, altertümlichen Instrumenten und rauem Chanten erzeugt eine fantastische Soundlandschaft, die alle Wikingerklischees erfüllt und wenn man sich drauf einlässt, sogar ein bisschen Spaß macht.

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Weniger spaßig, dafür aber seltsam verstörend ist mir der Song „Kvit hjort“ in Erinnerung geblieben. Was klingt, als würde gerade ein Schwein geschlachtet, ist laut Titel vermutlich dann doch eher ein weißer Hirsch. Ob es sich tatsächlich um das Erlegen des Tieres oder nur um seine Brunftlaute handelt, vermag ich an dieser Stelle allerdings nicht zu sagen. Aber wenn Wardruna sich aller Sagen und Mythen widmen, dann sicherlich auch der Opferungen. Andererseits geht es in ihren Liedern, nach eigener Aussage, vor allem auch um Spirit Animals und Animismus.

Wardruna schicken uns auf eine gelungene Zeitreise (Authentizität sei an dieser Stelle mal dahingestellt). Bei allen Vorurteilen und Mitstreitern auf diesem Gebiet schaffen sie eine einzigartige Stimmung, der ich in dieser Form noch nicht begegnet bin. Außerdem zaubern sie Bilder von starken Frauen und Männern, blutverschmierten Gesichtern und fantasievollen Flechtfrisuren in meinen Kopf.

Vielleicht habe ich auch einfach nur zu viel „Vikings“ geschaut. Moment mal? Kann das sein? Daher kam mir die Musik also so bekannt vor. Wardruna ist quasi das musikalische Pondant zur Wikingerserie und wie sollte es anders sein: Die Band hat bereits erfolgreich einige Tracks für den Soundtrack der Serie beigesteuert (die sich übrigens in Album Nummer 4 finden).

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Anders als andere Bands, die sich in ihrer Musik mit dem Thema Mittelalter beschäftigen, wirkt Wardruna bodenständiger und wirklich darum bemüht, authentische Musik abzuliefern. Ob das alles „historisch korrekt“ und wirklich „authentisch“ ist, überlasse ich dann aber doch lieber den Historikern und Archäologen. Trotzdem, bei dem Gechante bekommt man tatsächlich fast das Gefühl, man sitzt mit den Wikingern am Feuer, feiert die Wintersonnenwende und freut sich auf Walhalla.

Foto: Wardruna / Offizielles Pressebild

ALBUM
Kvitravn
Künstler: Wardruna

Erscheinungsdatum: 22.01.2021
Genre:
Label: Columbia Local (Sony Music)
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Synkverv
  2. Kvitravn
  3. Skugge
  4. Grá
  5. Fylgjutal
  6. Munin
  7. Kvit hjort
  8. Viseveiding
  9. Ni
  10. Vindavlarljod
  11. Andvevarljod
Wardruna Kvitravn
Wardruna Kvitravn
7.5
FAZIT
Von Mittelalter-Rock kann bei Wardruna keine Rede sein. Vielmehr handelt es sich um eine Art düsteren skandinavischen Folk. Wer klassische Elemente des Rock oder sogar Metal sucht, wird hier nicht fündig. Wer jedoch auf Wikinger und traditionelle Instrumente steht oder die passende Hintergrundbeschallung für das nächste Opferfest sucht, der findet in „Kvitravn“ den perfekten Soundtrack.