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Kritik: Radio Havanna - "VETO"

Schaltet eure Empfänger ein, denn morgen erscheint das neue Album von Radio Havanna. Dieses trägt den knackigen Namen „Veto“ und ...

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Schaltet eure Empfänger ein, denn morgen erscheint das neue Album von Radio Havanna. Dieses trägt den knackigen Namen „Veto“ und erklärt auf 13 Titeln, wofür die Band steht und was ihr in der heutigen Zeit missfällt. Wir haben uns das Album schon einmal anhören können und präsentieren euch unsere Eindrücke.

Wer den musikalischen Werdegang der Band, die sich ursprünglich im thüringischen Suhl gründete und mittlerweile nach Berlin umgesiedelt ist, kennt, der weiß, dass die Kombo einen direkten und lauten Ton vorzieht. Somit beginnt das Album mit dem Song „Krach“, welcher bereits vorab veröffentlicht wurde. Der Song legt sofort los und der Einstieg in das Album wird dominiert von einem treibenden Schlagzeug innerhalb eines Songs, der von der Liebe zum Tourleben handelt und zum Mitsingen einlädt. Genauso abrupt, wie er begonnen hat, endet „Krach“ dann auch wieder und wir springen in den zweiten Song „Coole Kids“. Dieser besitzt einen etwas poppigeren Sound, was sich zum einen durch die verwendeten Claps in den Strophen, aber auch durch den verwendeten Background-Chor im Refrain verdeutlicht. Generell versprüht der Song eine gute Laune und bringt sogar im Januar schon die ersten Gedanken an den Sommer zurück.

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Radio Havanna-Frontmann Fichte singt hierbei in humorvoller Weise von der Begegnung mit einer gut aussehenden, linken Person, in die er sich sofort verliebt hat. Insgesamt ist der Song eine runde Sache, allerdings wirkt der höher gespielte, letzte Refrain doch etwas schrill und vielleicht zuviel des Guten. Auch Song Nummer Drei besitzt eventuell die ein oder andere Passage, die man unter „etwas dick aufgetragen“ abspeichern könnte. Mit „Immer noch da“ schlägt die Band einen eher melancholischen und motivierenden Ton an. Von musikalischer Seite aus ist auch dieser Song in einer eher pop-rockigen Richtung zu finden, die ein oder andere Textpassage wirkt dann allerdings doch recht kitschig. Ein Beispiel hierfür wäre „hinfallen, aufstehen, Krone richten, weiter geht’s“, was ein wenig nach einem mittelguten Status-Update bei Facebook klingt.

Im mittleren Teil des Albums legen Radio Havanna aus musikalischer Sicht ein deutliches Augenmerk auf den Mitsingcharakter der Songs. So gelingt der Band mit „Helden“ ein Song, der definitiv das Zeug zu einer waschechten Hymne besitzt. Die eher ruhig aufgebauten Strophen erzählen von dem Leben in einer Kleinstadt, für die man eigentlich viel zu wild und bunt ist, und von einer Nacht, die niemals enden sollte. Gedanken, die der Band während der Zeit in Suhl sicherlich auch durch den Kopf gegangen sein werden. Wirklich neu ist die erzählte Geschichte allerdings nicht und daher fehlt es dem Song, trotz seines Ohrwurmcharakters, etwas an Frische. Der folgende Track, „Ich komm klar“ besitzt durch seine Struktur ebenfalls das Zeug zu einer Hymne. Diese richtet sich direkt an den Punk und überzeugt durch den stampfenden Beat, der so gleich durch Mark und Bein geht. Der Song stellt definitiv eines der herauszuhebenden Stücke des Albums dar, da er in seiner Gesamtheit schlüssig konzipiert ist.

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Mit „Chaoskind“ entschleunigt die Band das Album für einen Moment. Besonders den Wechsel des Tempos und die Veränderung der Dynamik sind auffallend. Generell wirkt das Lied tiefgründiger und facettenreicher, eine Beobachtung, die sich auf die gesamte Hälfte des Albums anwenden lässt. Dies wird auch in „Hungerturm“ deutlich. Der Sound wird deutlich tiefergehend und erzählt von dem Leben in einem Hochhaus, mit dem Traum diesen Ort einmal zu verlassen. Die Nummer wirkt sehr persönlich und wird definitiv eine breite Hörerschaft ansprechen, auch wenn diese Story selbstverständlich schon diverse Male erzählt wurde, so wirkt sie aus der Sicht der Band sehr direkt und beklemmend; natürlich im positiven Sinne.

Da die Mannen auf der einen Seite von den negativen Aspekten des Kleinstadtlebens erzählen, nähern sie sich in „Simsonpunk“ mit einer nostalgischen und positiven Sichtweise der Thematik. Es handelt sich um einen eher klassischen Punk-Song, der allerdings eine Menge gute Laune versprüht und ganz besonders ehrlich klingt, da man sich sogleich in die Gedanken und die geschaffenen Bilder hineinversetzen kann. Auch dieser Song wirkt, nicht zuletzt durch die Erwähnung von Suhl und Sänger Fichte sehr persönlich. Eine der Top-Zeilen ist hier: „Geboren in der Stadt für die sich manche meiner Freunde heute schämen“, da sie eine der großen Probleme von Kleinstädten aufwirft. Dieser Gedanke dürfte dem ein oder anderen bekannt vorkommen. Definitiv ein Song, der ins Ohr geht und auch live bestens funktionieren sollte.

Der letzte Teil des Albums kommt dann mit einem wütenderen Einschlag daher. Mit „Hass ohne Verstand“ wird die Band musikalisch deutlich härter und drückt die Position der Jungs bestens aus. Die politische Position wird auch in „Freie Radikale“ aufgegriffen. Dieser Song ist eine ganz klare Kampfansage gegen rechte Strömungen und die Missstände in der Welt. Aus musikalischer Sicht ist hier definitiv der Punk zu spüren. Der Song wirkt sehr gradlinig und direkt, auch wenn er inhaltlich ohne ein wirkliches Ergebnis auskommt. Auch der letzte Song, „Schatten“ hat eine politische Message und wirkt zum Ende des Albums sehr atmosphärisch und gut ausgearbeitet, auch wenn er von der textlichen Seite recht dünn bestückt ist und mit diversen Wiederholungen arbeitet. Die Aussage der Band kommt dadurch definitiv beim Hörer an.

Foto: Radio Havanna / Offizielles Pressebild

ALBUM
VETO
Künstler: Radio Havanna

Erscheinungsdatum: 17.01.2020
Genre:
Label: Dynamit Records
Medium: CD, Vinyl

Tracklist:
  1. Krach
  2. Coole Kids
  3. Immer noch da
  4. Herzschmerzsäufer
  5. Helden
  6. Ich komm klar
  7. Chaoskind
  8. Hungerturm
  9. Simsonpunk
  10. Antifaschisten
  11. Hass ohne Verstand
  12. Freie Radikale
  13. Schatten
Radio Havanna VETO
Radio Havanna VETO
7
FAZIT
Mit „Veto“ knüpfen Radio Havanna nahtlos an ihre vergangenen Werke an. Das Album besitzt eine ordentliche Diversität, sowohl von musikalischer als auch von textlicher Seite. Man würde sich allerdings wünschen, dass die Mischung innerhalb des Albums ein wenig ausgewogener vollzogen werden würde, sodass es nicht so einfach wäre, eine klare Blockbildung im Album durchführen zu können. So wirkt der erste Teil des Albums sehr nach eher klassischen Punksongs mit ebenso klassischen Themen, der zweite Teil wirkt dagegen ausgereifter und persönlicher, während die letzten drei Songs dann eher wieder politische Aussagen vertreten.

Was den Inhalt der Songs betrifft, so sind die angesprochenen Themen auf „Veto“ zumeist keine neuen und auch die Ausarbeitung wirkt an der ein oder anderen Seite etwas hölzern, allerdings kommt besonders bei den persönlicheren Songs eine eigene Note mit ins Spiel, die den Song zu etwas besonderes machen. Hier sind vor allem Songs wie „Hungerturm“ oder „Simsonpunk“ zu nennen. Generell enttäuscht das Album keinesfalls, erfindet das Rad allerdings auch nicht neu, sondern schlägt in eine Kerbe, in die schon einige Male zuvor geschlagen wurde. Die Fans der Band werden keinesfalls enttäuscht werden und auch live werden die Songs eine gute Stimmung verbreiten.