Kritik: Kind Kaputt - "Morgen ist auch noch kein Tag"

„Morgen ist auch noch kein Tag“ – besonders optimistisch klingt der Titel des neuen Albums von Kind Kaputt wahrlich nicht. Das hat bei der Band, deren Mitglieder über ganz Deutschland verstreut wohnen, allerdings durchaus Tradition, wenn man an den Titel des Debütalbums von 2019 – „Zerfall“ – denkt. Mit dem Debüt stieß die Band seinerzeit durchaus in die Liga der deutschsprachigen Post Hardcore-Bands, die bekanntlich von Acts wie Fjørt angeführt wird vor. Kind Kaputt lassen es dabei allerdings auch auf Morgen ist auch noch kein Tag weniger verspielt, sondern vielmehr sehr straight und unverblümt angehen.

Im Opener „Anfang und Ende“ scheinen Band und insbesondere Sänger Johannes Prautzsch ihre gesamte Wut über den Zustand der Welt in eben diese hinauszuschreien. Das macht ohne Frage Lust auf mehr. Insofern ist man dann doch etwas enttäuscht, dass es schon in „Glücklich sein“ und „Kenntnisstand“ verhaltener zugeht. Ein bisschen mehr Tempo am Anfang hätte der Platte durchaus gut getan. Dass es die Band ruhiger angehen lässt, liegt im Übrigen nicht daran, dass ihnen die Wut schon vergangen ist. Lyrisch sind die Songs nämlich auch im Folgenden voll mit Herzschmerz und Melancholie. Das ganze allerdings, ohne dabei übertrieben kitschig zu wirken. Und allein das ist bei deutschen Texten bekanntlich schon eine Leistung.

Ein Schritt nach vorne

Dass es nun doch mehr als drei Jahre gedauert hat, bis Kind Kaputt-Album Nr.2 am Start ist, ist nicht nur auf das Corona-Chaos zurückzuführen. Die Band hat sich in Sachen Songwriting und Produktion ganz bewusst viel Zeit gelassen. Dadurch ist es zwar nach Aussage der Band am Ende in Sachen Mixing und Mastering noch einmal eng geworden. Doch es hat sich offensichtlich gelohnt. Gerade ein Song wie „Gegen Dich“, der erst ab der Hälfte seine volle Wirkung entfaltet, zeigt, dass die Band in Sachen Songwriting noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht hat und nun sehr präzise genau das in Ton und Wort umsetzen will, was sie auch ausdrücken möchte.

View this post on Instagram

A post shared by Kind Kaputt (@kindkaputt)

Und wo wir gerade von der Produktion sprechen: Die Band hat tatsächlich komplett auf den Bass verzichtet. Freunde des Viersaiters werden sich nun empören. Doch es gehört zur Wahrheit, dass man ein Album, das in Sachen Sound keine Wünsche offen lässt, im Jahr 2022 offensichtlich auch ohne Bass aufnehmen kann.

Kind Kaputt: Vielseitigkeit als große Stärke

Ein absolutes Highlight des Albums ist sicher auch „Vergessen“. Auch dieser Song startet so verhalten, dass man sich beinahe schon dabei erwischt, aufgrund des doch sehr monotonen Gesangs zu skippen. Wer dieser Versuchung widersteht, wird aber in der zweiten Hälfe von einem Ausbruch belohnt, der den Namen Post Hardcore mehr als verdient. Wow, gerne mehr davon. Gerade diese Songs sind es, wegen denen man Bands wie Kind Kaputt hört. Die Wut wird kanalisiert. Und weil das auch noch auf deutsch erfolgt, wirkt es direkt nahbarer und emotionaler.

Dass Kind Kaputt eine überaus talentierte Band sind, zeigt sich dann auch in „Stolpern“. Johannes Prautzsch wagt sich durchaus erfolgreich am Sprechgesang und gibt dem Album dadurch noch einmal eine ganz neue Facette. Im letzten Drittel des Albums stehen dann aber die Gitarren wieder mehr im Vordergrund. Meist mit gefälligem Punkrock wie in „Nadel“. Aber wie schon gesagt: Die Band ruht sich nicht auf ein oder zwei Stilarten aus. So wird in „CH20“ gleich alles außer einer Gitarre und dem Gesang weggelassen. Dass gelingt grundsätzlich auch ganz gut, ist aber gesanglich nicht unbedingt die stärkste Nummer des Albums. Nicht schlimm, denn davon gibt es auf „Morgen ist auch noch kein Tag“ ohnehin schon genügend.

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

YouTube immer entsperren

Foto: Pascal Oswald / Offizielles Pressebild