Review
AlternativeRock
Kritik: Foals - "Life Is Yours"
Die Bewältigungsmethoden für die letzten drei Jahre haben sich bei Künstler*innen weltweit als sehr verschieden herausgestellt. Während die einen sich ...
VON
Malin Jerome Weber
AM 13/06/2022
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Die Bewältigungsmethoden für die letzten drei Jahre haben sich bei Künstler*innen weltweit als sehr verschieden herausgestellt. Während die einen sich erfreut über die Zwangspause vom stressigen Touralltag zeigten um mehr Zeit mit sich selbst und ihren Familien zu verbringen, hielten die anderen fleißig Kontakt mit ihren Fans und beglückten sie zum Beispiel durch Konzerte im Livestream. Wiederum andere schlossen sich in Windeseile im Studio ein, um den großen Output für die post-pandemische Rückkehr vorzubereiten.
Fernab von jeglichem Corona-Blues
Die Liste der entstandenen Alben die dabei hauptsächlich vom Leben auf Stand-By und der emotionalen Schwere der Isolation handeln ist sicher lang. Foals aus Oxford haben sich jedoch für einen anderen Weg entschieden, nämlich ihre überschüssige Energie in etwas Positives zu verwandeln. Das Ergebnis ist ihr siebtes Studioalbum, das uns im frischen Soundgewand und mit dem lebensbejahenden Titel “Life Is Yours” wohl nun auch mitten in der ersten Festivalsaison seit 2019 genau zum richtigen Zeitpunkt erreicht.
Die Erwartungen hätten zumindest von meiner Seite aus nicht höher sein können. Mit ihrem dystopisch angehauchten Doppelalbum “Everything Not Saved Will Be Lost” (2019) haben sich die Indie-Rocker zuletzt regelrecht selbst übertroffen. All ihre Stärken hatten sie doch dort schon vereint und sogar aufgeteilt im Synthrausch des ersten, sowie den Riff-Gewittern des zweiten Teils manifestiert. Für “Life Is Yours” haben Foals jedoch einen cleveren Schritt zurück gemacht: Denn soundtechnisch versuchen sie gar nicht erst, die Opulenz des Vorgängers zu überbieten.
“Wir wollten unseren Fokus neu ausrichten und etwas machen, das sich wie eine gemeinsame DNA durch die Songs zieht: eine Körperlichkeit, eine Tanzbarkeit, angefüllt mit Energie und Lebensfreude. Es ist definitiv die poppigste Platte, die wir je gemacht haben.”
Eine Reise durch die Musikgeschichte
Für ihre neue Platte haben sich die Briten eine Menge leckerer Zutaten eingepackt. Nicht nur kehren sie in ihrer eigenen Diskographie zurück und bedienen sich an der Groovigkeit von “Total Life Forever” (2010) und “Holy Fire” (2013), sondern reisen generell auch ein wenig in der Musikgeschichte, um sich von gestern und heute inspirieren zu lassen. Während zwar immer wieder Spuren von Michael Jackson, Earth, Wind and Fire und Jamiroquai aufblitzen, reihen sich Foals dennoch soundtechnisch genau dort ein, wo es sich aktuell heiß gehandelte Acts wie Harry Styles, Parcels oder auch hierzulande Roosevelt gemütlich gemacht haben.
Es soll getanzt werden! Bereits die ersten Tracks machen das unverständlich klar und setzen den Grundton für eine elektrisierende Indieplatte, die sich nicht zu knapp an Funk, Disco, Pop und New Wave bedient. Während “Life Is Yours” und “2AM” ihre Eingängigkeit aus rhythmisch pumpenden Synths ziehen, fokussieren sich “Wake Me Up” und “2001” mehr auf funkige Gitarren. Bass und Drums grooven dabei ein wenig reduzierter aber dafür absolut songdienlich vor sich hin und setzen die richtigen Impulse um Körper für Körper in Bewegung zu versetzen.
Foals rücken den Rock in den Hintergrund
Diese Fokussiertheit auf Catchiness und tanzbare Beats bildet die größte Stärke von “Life Is Yours”. Foals erreichen auf ihrer Platte genau das, was sie erreichen wollen – und das ohne dabei komplett auf Spielereien verzichten zu müssen. Immer wieder blitzen kleine Gitarrenmotive und eingestreute Percussionsounds auf, die die Kernelemente unterstützen. Im Mix ist dabei alles angenehm platziert um niemals von der stampfenden Rhythmusfraktion abzulenken. Vor allem die Drums sorgen durch ihren komprimierten Sound dafür, dass sich nichts in der Weite verläuft.
Auch wenn ihre siebte Platte auf voller Länge gut funktioniert, bleiben die Hits und Ausnahmemomente leider ein wenig aus. Aus dem generellen Soundbild des Albums heraus stechen lediglich “Flutter”, das mit einem rockigen Main Riff und 8-bit-ähnlichen Synths aufwartet, sowie das mit starken New Wave-Anleihen daherkommende “Under The Radar”. “Crest of the Wave” schafft es wiederum auch ihr Händchen für atmosphärische Lead-Gitarren – die sich über den unermüdlich prügelnden Drums ausbreiten – einzufangen.
Club-Feeling zum Ende hin
Ein wenig ungewöhnlich wird es zum Ende. Bei “The Sound” und “Wild Green” wird der Fokus beinahe ausschließlich auf die Tanzbarkeit gelegt. Foals lassen hierbei durch die Einbeziehung von EDM- und House-Elementen auch einen Hauch der 90er spüren. Besonders interessant ist dabei, wie auch die Vocals zu weiten Strecken in den Hintergrund gerückt werden und nur noch als Ergänzung zu den unermüdlich pulsierenden Beats fungieren. Das Ganze ist definitiv gewagt, erzeugt aber einen ganz eigenen Sog, dem sich wahrscheinlich vor allem club-affine Hörer*innen kaum entziehen werden können.
Wenn man nun den Vergleich mit dem Vorgänger ziehen möchte, lassen sich gleichermaßen Licht und Schatten aufzeigen. Zum Einen besitzt “Life Is Yours” einfach nicht die Tiefe von “Everything Not Saved Will Be Lost” und kann auch vom Songwriting her nicht an die vielen einzigartigen Momente des Doppelalbums anknüpfen. Andererseits streben Foals hier auch offensichtlich nicht danach ein Album getreu dem Motto “Mehr ist Mehr” zu kreieren und das sollte man ihnen durchaus sehr hoch anrechnen.
Genau zum richtigen Zeitpunkt
Aus diesem Blickwinkel betrachtet hätten uns die Briten wahrscheinlich keine bessere Platte auftischen können. Am Ende des Tages macht “Life Is Yours” einfach eine Menge Spaß und möchte uns schlichtweg mitreißen. Dorthin, wo das Leben wieder so geschehen kann wie vor der Pandemie. Zu Partys, zu Konzerten, dorthin, wo Menschen gemeinsam nah an nah die außergewöhnliche Energie der Musik spüren können. Und für den Moment wird es den Foals auch trotz der weiterhin angespannten Weltlage und wieder vermehrt auftretenden Coronafällen gelingen.
Foto: Edward Crooke / Offizielles Pressebild
Foals News
Life Is Yours
Künstler: Foals
Erscheinungsdatum: 17.06.2022
Genre: Alternative, Rock
Label: Warner Music
Medium: CD, Vinyl, etc
- Life Is Yours
- Wake Me Up
- 2am
- 2001
- (summer sky)
- Flutter
- Looking High
- Under The Radar
- Crest Of The Wave
- The Sound
- Wild Green
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