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Bands im musikalischen Wandel – Themenreihe „Core-Relations“ (Teil 1)

Achtung, dieser Artikel könnte Kontroversen hervorrufen.

VON AM 21/04/2020

Sie sind erwachsen geworden.”, “Künstler brauchen kreative Freiheit.” oder “Sie machen’s halt einfach und alle anderen werden nachziehen.” – Sätze wie diese hat der ein oder andere sicher schon oft gelesen oder sogar selbst als Kommentar gepostet. Ganz gleich ob Parkway Drive, Bring Me The Horizon oder Enter Shikari, Bands entwickeln sich – nach oben, unten, links und rechts. Manchmal entstehen dabei neue Trends, manchmal gehen diese Experimente gelinde gesagt in die Hose und manchmal formen und festigen Künstler durch neue Ideen und Ansätze ihren musikalischen Charakter. Und damit willkommen zum ersten von drei Teilen der Themenreihe “Core-Relations”.

MoreCore Themenreihe „Core-Relations“ (Teil 1)

Wir möchten einmal – nicht zwingend musikwissenschaftlich, aber faktenbasiert – beleuchten, wo unsere Lieblingskünstler aus den verschiedensten Genres ihre musikalischen Ursprünge haben und wer von ihnen einen hörbaren Wandel vollzogen hat. Frei nach dem Motto “You win some, you lose some” fiel dies’ mal mehr, mal weniger extrem aus. Los geht’s mit dem Bollwerk des Metalcore.

Core-Relations Analyse: Parkway Drive

So cry me a fucking river, bitch!
Wohl die vermutlich am häufigsten mitgebrüllte Textzeile in Rockclubs Mitte der 2000er aus dem wegweisenden Parkway Drive-Album “Killing With A Smile”. Die Australier hatten hier mit der Symbiose aus technisch komplexeren Metal- sowie Thrash-Elementen und klassischen Hardcore-/Beatdown-Parts neue Maßstäbe im Metalcore gesetzt.

Wütende Riffs, tiefste Growls, kriegerische, stetig phrasierende Rhythmen und wechselnde Tempi…dieses Album war etwas Neues und widersprach akustisch vollends dem optischen immer gut gelaunten Sunnyboy-Image der Surfer-Dudes. Und vielleicht war es auch genau das, was sie so sympathisch gemacht hat – die “Musik des Teufels” mit einem smarten Lächeln im Gesicht.

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Mit der späteren Club-Hymne “Carrion” entwickelten Parkway Drive langsam melodische Ansätze und spätestens als Fans anfingen, die Gitarrenmelodie von “Wild Eyes” auf Konzerten mitzusingen, war quasi der Grundstein für ein populäreres Songwriting gelegt. Songs wie “Vice Grip” waren anschließend produktionstechnisch und unter Songwriting-Aspekten kompatibel für vielzählige Festivals gemischter Genres und brachten sowohl Lionheart- und Manowar-Fans im Moshpit zusammen.

Simplere Gitarrenlinien, reduzierte Tempi, stampfende Beats, geradlinigere Soli und offensive Melodieansätze in den Vocals kreieren eine gewisse Stadion Rock-/Metal-Atmosphäre – die live auch visuell durch klassische Pyro-Shows unterstützt wird.

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Core-Relations Analyse: Enter Shikari

“Nintendo-Core” – als ich diesen Begriff das erste Mal hörte, konnte ich mir das Seufzen nicht verkneifen. Muss denn alles einen Namen haben – und dann auch noch so einen dämlichen, der mir meine schönsten Gameboy-Erinnerungen madig macht? Und zugegeben, das kollektive Klatschen bei “Sorry, You’re Not A Winner” lässt mich auch heute noch leicht beschämt auf den Boden starren, aber was die Band um Charisma-Gott Rou Reynolds da musikalisch Mitte der 2000er gebracht hat, war beispiellos, frisch und klug. Post-HC war noch gar nicht so alt, aber irgendwie klang vieles bereits gleich.

Die Konsolen-Generation hatte – wenn sie nicht noch Tony Hawk’s Pro Skater zockte – eh tagtäglich mit elektronischen Klängen zu tun und was lag da näher, als gutgelaunte Keyboardlinien und technoide Beats mit den klassischen Riffs des Post-HC zu kombinieren? Heraus kam “Mothership”, ein wilder Ritt durch vier smarte Briten interpretiert.

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Und Enter Shikari wären nicht sie selbst, wenn sie nicht auch danach weiterhin den Blick über alle Tellerränder dieser Welt gewagt hätten. Frontmann Rou, der selbst als DJ mit seinem bunten Elektro-Set durch die Weltgeschichte tourt wird sicher einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass die Band nicht auf der Stelle trat. Unter Beibehaltung der thematischen Ernsthaftigkeit wurde über die Jahre der Anteile an aggressiven Vocal-Parts reduziert und tanzbare Elemente des Indie-/Britrock im Stil von Blur, Pulp & Co. fanden z. B. mit „Live Outside“ ihren Weg in den Sound der Band.

Die Keyboardlinien erhielten professionellere Sounds und fanden zum Album “The Spark” im eigens für die Band via 3D-Drucker produzierten Gehäuse “The Machine” mit einem Radar ähnlichen Display im 80s-Look ein neues Zuhause (eine Vermutung, wie das Gerät gebaut wurde findet ihr hier). Nichtsdestotrotz sind die Live-Shows der Band immer noch eine einzige schweißtreibende Party – auch ohne oder vielleicht gerade wegen der fehlenden Post HC-Propellerkids mit antrainiertem ADHS. Mit ihrem neuen Album „Nothing Is True And Everything Is Possible“ haben Rou & Co. mit „Waltzing off the Face of the Earth (I. Crescendo)“ gar einen Walzer mit Grusel-Jahrmarkt-Flair und mahnendem Inhalt geschaffen und „Elegy For Extinction“ könnte gar einem Disney-Klassiker entstammen.

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Core-Relations Analyse: Bring Me The Horizon

Die vielleicht am häufigsten kontrovers diskutierte Rock-Band der letzten zehn Jahre sind vermutlich Bring Me The Horizon. Die Band um den “Poster Boy” (Pressezitat) Oliver Sykes startete einst mit Elementen des Death Metal, Deathcore und Grindcore im Stile von The Dillinger Escape Plan, Every Time I Die und Norma Jean sowie melodiösen Parts des Post-HC, was allgemeinhin später im Falle der Band als Metalcore betitelt wurde.

Auf “There Is a Hell…” wurden vermehrt elektronische Einflüsse und Elemente der Popularmusik hörbar und der zu dieser Zeit vermehrt an öffentlichem Interesse gewinnende Skrillex konnte als Feature-Artist engagiert werden.

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2012 stieß als Nachfolger von Jona Weinhofen, der die Band nach einigen unschönen Kontroversen verlassen hatte das Multitalent Jordan Fish zur Band, der ab dato Keyboards, Gesang, Programming und Percussion übernahm, was auch das Live-Erlebnis der Band deutlich optimierte, da er Sykes auch die Rolle als Cleansänger wo nötig abnahm und so einen großen professionellen Mehrwert leistete. Mit dem ersten Major-Release “Sempiternal“ 2013 wurden weiter neue Wege beschritten.Das Album wies deutlich atmosphärischere Sequenzen auf als seine Vorgänger und der elektronisch unterstützte Sound klang allgemein flächiger.

Auch “That’s The Spirit” verfolgte 2015 weiter dieses Konzept und gipfelte 2019 im Elektro-Poprock-Album “Amo”. Neben dem Gastbeitrag der kanadischen Synth Pop-Künstlerin Grimes beteiligte sich auch Dani Filth von Cradle Of Filth mit einem eher pressewirksamen denn akustisch notwendigen Feature. Das Album ist bis dato das einzige Nummer 1-Album der Band in ihrem Heimatland Großbritannien (Platz 3 in Deutschland) und unterstützt damit die popularmusikalische Vision der Band.

Die einstigen Zweifel von Sykes zu “Sempiternal”-Zeiten, der damalige Labelwechsel könnte einen Einfluss auf den Sound der Band hin zu mehr Radiotauglichkeit haben, wurde spätestens auf ihrem dritten Major-Release unter RCA mindestens in der Single “Mantra” bestätigt, die als erste Single der Band beim NRW-Radiosender Einslive im Morgen- und Mittagsprogramm neben Avicii und Tim Bendzko lief.

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Core-Relations Analyse: Port Noir

Die schwedischen Port Noir starteten einst 2011 als Post Rock/Metal Trio mit leichtem Hang zum Progressive Rock, was ihnen auch mehrfach Slots auf dem legendären Euroblast Festival und Supportslots auf Touren mit Leprous (Fotos und den Bericht findet ihr hier), Pain Of Salvation oder Karnivool einbrachte. So richtig passten sie aber nie in die Progrock-Schiene und waren auch zu visionär für eingefleischte Post Rock-Fans.

Das Debütalbum “Puls” wies düstere Gitarrenlandschaften und schleppende Drums auf, begleitet von Sänger Love Anderssons unverkennbarer und mehrere Tonlagen umspannender Melodiestimme. Auch auf dem zweiten Longplayer “Any Way The Wind Carries” wurde diese Grundstimmung beibehalten.

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Mit der “Neon” EP brach das Trio mit ihrem ursprünglichen Sound und veröffentlichte mit dem Titeltrack eine lupenreine düstere New Wave Disco-Nummer, die vom massiven Synthiebeat lebt. 2019 manifestierten dann Sänger und Bassist Love Andersson, Drummer AW Wiberg und Gitarrist, Keyboarder und Backing Sänger Andreas Hollstrand ihren neuen Sound, der ab dann Einflüsse von Rage Against the Machine, Death from Above 1979, The Weeknd oder Daft Punk aufwies.

Mit dieser Mischung aus Pop, R’n’B, HipHop und Rock tourten die Drei aus Södertälje dann gerechtfertigt mit den Kaiser Chiefs durch Europa.

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Core-Relations Analyse: Vitja

Köln, Münster, Düsseldorf…Vitja waren einst der vielversprechende Stern am deutschen Metalcore-/Djent-Himmel, auferstanden aus der Asche der Bands Mirth, Shake the Pagoda Tree, Progress Utopia und Myterror. Auf dem Debüt “Echoes”, das via Redfield Records erschien wurden moderne Metal-Sounds mit tiefergestimmten Gitarren und Stakkato-Rhythmen vereint, unterlegt mit den tiefen, trockenen Growls des ehemaligen Frontmanns David Beule. Eine EU-Tour mit Texas In July und I Wrestled A Bear Once belegte die technische Raffinesse der Band.

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Auf “Digital Love” kündigte sich dann ein eindeutiger Stilbruch an und der Sound entwickelte sich hin zu melodischerem Songwriting und cleanen Vocals. Elemente des Trap und Cloudrap fanden sich in den Rhythmen und Gesangslinien wieder, was vermutlich auf persönliche Interesse Beules zurückzuführen war, der jüngst als “DRAVE” auf einer Single des Nasty-Sideprojekts “MnYPnK” im aggressiveren Emo Rap-Stil zu hören war.

2018 bzw. 2019 verließen drei der vier Gründungsmitglieder die Band und der verbliebene Drummer und Background-Sänger Daniel Pampuch scharte mit Sänger Gabriel Spigolon (Ex-I Scream For Ice Cream), Gitarrist Fabio De Dominicis und Bassist Florian Vogel drei neue motivierte und ambitionierte Musiker um sich.

Mit diesem Konstrukt baute Daniel als Komponist auf dem 2019er “Thirst” den Sound der Band kurzerhand komplett in Richtung melodischem, tanzbaren Post-HC um und schaffte auch mit unverzerrten Gitarren Räume für Gabriels markante R’n’B geprägte Stimme. Hätte Jonny Craig seine Drogensucht endlich in den Griff bekommen, wäre eine Slaves Co-Headlinertour im wahrsten Sinne wohl die perfekte Bühne für die neuen Vitja.

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Im Krieg, der Liebe und der Kunst ist alles erlaubt

Ihr seht: Bands überraschen gerne, ob sich selbst oder ihre Fans, ob unabsichtlich oder mit Kalkül, ob positiv oder negativ. “Im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt”, sagt man. Vielleicht sollte diese Floskel noch um den Aspekt der Kunst ergänzt werden, auch wenn damit Musikkritiker auf einen Schlag arbeitslos wären ¯\_(ツ)_/¯ . Musikalische Entwicklungen und Veränderungen können vielerlei Hintergründe haben.

Mal sind es die zu erfüllenden Verkaufserwartungen des Labels, mal die Ideen des Produzenten, mal die Strategie des Managements und manchmal einfach die persönlichen Interessen der Bands selbst. So genau lässt sich da kaum jemand in die Karten blicken, um Fans (lies auch: “Käufer”) nicht vor den Kopf zu stoßen und das eigene Image nicht zu gefährden. Vielleicht möchte es manch einer auch gar nicht so genau wissen und an Gewohntem festhalten.

Haltet die Augen offen und verpasst nicht die zweite Episode der Themenreihe „Core-Relations“, bei der wir weit zurück in die Mitte der 90er Jahre blicken und auch singende MacBook-Verkäufer Erwähnung finden.

Beitragsbild: Quinten Quist

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