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Interview
Powerwolf: „Wir haben das Gefühl, dass wir nicht eine Sekunde nachlassen dürfen“
Orgel-Gaukler Falk Maria Schlegel über seine Gefühle zum neuen Album, den großen Erfolg und warum Aufgeben keine Option ist.
VON
Tamara Jungmann
AM 25/07/2024
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Für die saarländische Power Metal-Band Powerwolf könnte es schon seit längerer Zeit nicht besser laufen: Zwei Nummer 1-Alben, vier in den Top 10, die ersten großen Tourneen in Amerika, Headliner-Slots auf allen großen Festivals – was soll da noch kommen?
Powerwolf: Im 21. Jahr schuf er ein neuntes Album – und er sah, dass es gut war
Um genau zu sein, kommt als nächstes nun erst einmal ein neues Album: „Wake Up The Wicked“ nennt sich dieses und stellt den neunten Longplayer der Band dar, die im letzten Jahr ihr 20 Jähriges Jubiläum feierte. Warum sich Powerwolf nach den drei Hybrid-Veröffentlichungen „Missa Cantorem II“, „Interludium“ und „The Monumental Mass: a Cinematic Metal Event“ wieder an ein vollwertiges Album gewagt haben, begründet Falk Maria Schlegel, Keyboarder, Organist und, wie er sich selbst auch bezeichnet, Unterhaltungskünstler, wie folgt: „Ein Album ist so eine Art Familienbild. Es ist eine Bestandsaufnahme von dem Ist-Zustand einer Band. Und das kann keine Single abbilden, kein Zwischenalbum, keine EP.
Es war einfach an der Zeit: Jetzt gibt‘s ein neues Powerwolf-Album, aber es gibt sonst, ich sag es mal ganz platt: nichts! Es gibt diese Songs von ‚Wake Up The Wicked‘ und die sollen einfach knallen. Das war unser Gefühl beim Schreiben: Das wächst jetzt. Das wird das Monster und wir lassen es von der Kette.“
Zurück zu den Ursprüngen
Seit ihren Anfängen ist viel passiert für Powerwolf – aber irgendwie hat sich gar nicht so viel verändert, wie uns Falk Maria berichtet:
„Vor kurzem meinte jemand zu mir, den ich schon lange kenne: ‚Das hast du doch 2005 auch schon so auf der Bühne gemacht.‘ Und ich fand das war das schönste Kompliment, das mir jemand hätte machen können, weil es zeigt, dass man sich eben nicht verstellt, nur weil man als Band Erfolg hat. Ich war schon immer der verrückte Keyboarder, der da rumgehüpft ist, das konnte nicht immer jeder leiden. Damit spiele ich und ich finde es ganz schön, wenn man sich das erhält und nicht verstellt.“
Auch mit „Wake Up The Wicked” verstellen sich Powerwolf nicht. Ganz im Gegenteil. Über die Jahre hat die Gruppe ihre charakteristischen Trademarks ausgearbeitet, welche die Band nicht nur auszeichnen, sondern sie auch von allen anderen Bands abheben: schwarz-weiße Schminke, mittelalterliche Roben, die Wolfsthematik, Religion und – eine Orgel. „Wir bedienen das und wir wollen das auch bedienen, weil wir das am besten können. Es wurde am Anfang sehr belächelt, wenn wir uns geschminkt haben und das war auch nicht immer leicht für uns. Aber dass wir so geblieben sind, wie wir sind, hat uns am Ende zum Erfolg verholfen“, erzählt Falk.
Blasphemie und History als Erfolgskonzept
Natürlich sind auch auf auf dem neunten Album von Powerwolf mittelalterliche Schauermärchen vorherrschend, die von Kreaturen der Nacht, Religionsfanatikern und historischen Figuren handeln. Mit „1589“ und „Joan Of Arc“ behandeln Powerwolf gleich zwei echte Fälle der Geschichte, während in „Sinners Of The Seven Seas“ oder „We Don’t Wanna Be No Saints“ das (Un-)Christentum wieder eine große Rolle spielt:
„Ich erinnere mich, zu ‚Sacrament Of Sin‘ gefragt worden zu sein, ob uns nicht mal die Ideen ausgehen. Zu dem Zeitpunkt habe ich natürlich gesagt: ‚Nee, auf keinen Fall!‘ Aber innerlich dachte ich ‚Ohje, wie wird das beim nächsten Album?‘,“ verrät Schlegel. „Jetzt habe ich wirklich das Gefühl, uns gehen die Geschichten gar nicht aus und es ist immer wieder spannend, sich damit zu beschäftigen.“
Powerwolf: Die Liebe zum Klischee
Und natürlich kommt die Liebe zum Mystischen nicht von irgendwo her. Sie passt tatsächlich auch ganz gut zum Musikgenre in dem sich die Herren breit gemacht haben, wie Schlegel ausführt: „Ich mag diese Mischung aus Natur und die Verquickung mit geschichtlichen Belegen. Folklore und Mythologie – was darüber hinaus wahr ist oder nicht, finde ich faszinierend. Das hat auch ein Stück mit Klischee-Liebhaberei zu tun, bin ich ehrlich. Das passt aber auch zu Heavy Metal“, schlägt er den Bogen und setzt sogar noch ein Statement obendrauf:
„Da bezeichne mich sogar ganz selbstbewusst als Unterhaltungskünstler. Es war eine Zeit lang verpönt, sowas zu sagen. Aber man kann zu unseren Konzerten kommen, mitsingen und feiern, ohne zu jedem Song den Background zu verstehen. Du kannst einfach aus vollem Leib und Seele mitgrölen – das ist einfach herrlich! Und Klischees lieben wir!“
Alles oder nichts
Gerade aufgrund dieser Klischees sind und bleiben Powerwolf eine streitbare Band, wie Falk Maria Schlegel in seiner Vergangenheit spürte, aber auch noch aktuell bei dem ein oder anderen Live-Auftritt erlebt, wenn jemand mal wieder zu laut in die Publikumsmikrofone stöhnt: „Das stachelt mich dann auf. Ich will nicht sagen, dass ich provozierend agiere, aber ich provoziere schon ein bisschen“, lacht Falk. „Aber damit musst du als Person in der Öffentlichkeit leben. Und zum Glück lieben uns mehr Leute als uns hassen. Es bleibt dabei: Man mag Powerwolf, aber man sagt selten ‚Finde ich ganz nett‘. Da sagt man schon eher: ‚Oah, nee.‘“
Dennoch bleibt Falk optimistisch – optimistischer als er zunächst selbst vermutet: „Es gibt Menschen, die kommen skeptisch zu einer Show, gehen beseelt nach Hause und sagen ‚Es ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen.‘ Es ist doch toll, wenn du es irgendwie schaffst, durch deine Kunst, durch deine Musik, durch alles, was dazu gehört, Leute zu überzeugen. Aber alle kann man nicht bekehren.“
Wölfe auf Mission
Dies könnte natürlich ein bodenständiges Statement sein von einem Künstler, der sich nicht nur selbst so bezeichnet, sondern den wir bisher auch so erlebt haben. Aber dann denkt er nach und korrigiert sich nochmal: „Darum geht es eigentlich schon. Eigentlich wollen wir alle bekehren. Natürlich geht es darum. Aber die Pilgerreise ist manchmal lang und steinig und Aufgeben ist keine Option.“
Und selbstverständlich ist mit der langen Reise, auf die uns Powerwolf nehmen, auch nach „Wake up The Wicked“ noch lange nicht Schluss, wie Falk bestätigt. Es liegt wohl einfach in der Wolfs-DNA, jedenfalls beschreibt er es so, dass alle Bandmitglieder einfach nicht anders können, als die Maschine niemals still stehen zu lassen: „Ich bin rastlos in meinem täglichen Tun und die ganze Band auch. Wir haben das Gefühl, dass wir nicht eine Sekunde nachlassen dürfen – für uns selbst. Sonst ist man in diesem ‚Selbstgefälligen‘ und das bin ich nicht. Ich will einfach immer weiter Dinge vorantreiben und mich nicht ausruhen auf Dingen, die ich erreicht habe.“
Das Runde muss ins Eckige oder: die Scheibe muss auf die Bühne
Fleiß ist wohl auch eine Tugend, die stellvertretend für den Erfolg der Saarländer steht, und es sei ihnen vergönnt, als Bunter Hund der dunkelsten Szene der Welt einen Stellenwert erreicht zu haben, der seinesgleichen sucht. Das nächste große Ziel: Hollywood. Kein Scherz. Powerwolf spielen im August die Live-Premiere ihres neuen Albums in den Hallen des Hollywood Palladium in Los Angeles. Da wackelt selbst der oft so weise dreinblickende Tastenwolf aufgeregt wie ein Welpe mit dem (imaginären) Wolfsschwanz:
„Die Wahrheit liegt auf dem Platz – das ist so ein Fußballspruch. Aber die Wahrheit liegt am 29. August in Hollywood auf dem Platz. Das ist die Weltpremiere. Und dann beginnt der ganze Tourzyklus und die Wahrheit liegt wirklich auf den Brettern dieser Welt.“
Zwar behauptet Falk zunächst stilecht, ihm und Powerwolf wären am Ende des Tages die Venues nicht so wichtig und die Band bestünde weiter, auch wenn es mal nicht mehr so laufen würde. Aber auf Nachfrage, ob man an dem großen Erfolg, den man sich nun mal doch so hart erkämpft hat, nicht festhalten wolle, gibt der Keyboarder doch nochmal zu: „Natürlich bist du nicht glücklich, wenn es rückläufig wäre. Die Band ist aber in vielen Dingen recht bodenständig. Wenn das alles so bleibt, wie es ist und ich mein Leben lang Musik machen kann, bin ich der glücklichste Mensch auf Erden.“
Foto im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
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