Live

Progressive

Live bei: Leprous, The Ocean & Port Noir in Frankfurt (06.11.2019)

Schon beim Announcement der Tourdates war klar, dass die Abende der Leprous-Tour jede Menge Abwechslung mit sich bringen. Nicht nur, ...

VON AM 13/11/2019

Schon beim Announcement der Tourdates war klar, dass die Abende der Leprous-Tour jede Menge Abwechslung mit sich bringen. Nicht nur, da Leprous ihren Sound auf „Pitfalls“ weg vom Prog Metal und hin zum experimentierfreudigen Prog Rock mit Pop Einflüssen veränderten, sondern auch, weil die Supports einen gänzlich anderen Sound bedienen. Auf der einen Seite: The Ocean mit ihren kalten, düsteren Post Metal-Sphären und den progressiv verwobenen Riffs, auf der anderen Seite: Port Noir, die in den letzten Jahren mehr und mehr in eine ganz andere Richtung abgedriftet sind.

Port Noir

So richtig auf Tour waren Port Noir bisher noch nicht. Schade eigentlich, denn mit den letzten Veröffentlichungen haben die Schweden deutlich klar gemacht, dass sie durchaus Potential haben als Support für große Bands wie Muse oder Royal Republic zu funktionieren. Entgegen der rohen Progressive Rock-Wurzeln, die vergleichbar mit The Intersphere wären, hat sich das Trio fast schon zu einer energetischen Synth Pop-Band entwickelt.

Im Set von Port Noir fand sich keiner, aber wirklich auch kein einziger Song, der älter ist als ein Jahr. Alle Tracks finden sich auf dem aktuellen Album „The New Routine“ wieder und ließen einen gewissen Kontrast vermissen. Dass diese Songs eben alle aus einem Eisen sind, hört man heraus. Während Synthies teils das Instrumental dominieren sollten, hörte man instrumental leider nur das Schlagzeug, während der Gesang noch am ehesten hörbar war. Auch die Gitarren und der Bass litten unter einem misslichen Sound, der durch das Geprügel des wirklich energetischen Drummers beherrscht wurde.

Mit neuem Gitarristen, der sich als einziger wirklich in ekstatischer Bewegung zur Musik wiederfand, haben Port Noir ihr 30-minütiges Set routiniert durchgespielt. Irgendwie wollte der Funke aber nicht so recht zünden und auch Sänger Love Andersson wirkte etwas distanziert. Vielleicht hätte es gut getan etwas Abwechslung mit in das Set zu nehmen und den ein oder anderen Song von „Any Way The Wind Carries“ oder der starken „Neon“ EP mit einzubeziehen.




Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

The Ocean

Im Vergleich zu den, teils sehr poppigen, verhältnismäßig ruhigen Port Noir, sind The Ocean wohl die Kulmination der Brachialität auf dieser Tour. In Nebel gehüllt blitzen Lichter über die ganze Bühne, die allmählich von den Musikern besetzt wird und mit „Permian: The Great Dying“ den Anfang einer 45-minütigen Szene wird, die auch mit dem Begriff der Theatralik beschrieben werden kann. Was The Ocean hier ablieferten ist auf gewisse Art und Weise inszeniert und spiegelt den konzeptionellen Gedanken der Band dar.

Diese Inszenierung ist jedoch in keinster Weise als negativ zu verstehen. Durch die klaren Bewegungsläufe, die Positionierung der Musiker und die durchprogrammierte Lichtshow bieten The Ocean ein Erlebnis, das definitiv als Gesamtkunstwerk zu verstehen ist und alles was Port Noir vorher gemacht haben in einen dunkeln Schatten stellt. Sänger Loic Rosetti hatte einen richtig guten Tag und strotzte vor perfekter Intonation und Energie, während auch die Instrumentalisten ihr musikalisches Handwerk in bestechender Präzision beherrschten.

Das Set bestand aus einem Mix der aktuellen Platte „Phanerozoic I: Paleozoic“, sowie Tracks von „Pelagial“, während ein „Heliocentric“ Song den Abschluss des Konzerts bot. Insbesondere die Kombination von “Bathyalpelagic I: Impasses“ und „Bathypelagic II: The Wish In Dreams“ sorgte im Publikum für große Begeisterung. Aber auch „Devonian: Nascent“ brachte die düstere und bedrückende Stimmung von The Ocean gekonnt zum Ausdruck. Mit begeisternder Performance und einer impressiven Lichtshow benebelte das Kollektiv das Publikum und ließ hoffen, dass das Set noch etwas länger wird. Dennoch beendeten The Ocean ihr Set mit dem „Heliocentric“ Schlusstrack „The Origin Of God” und hinterließen einen überwältigen Eindruck, der hoffen lässt, dass The Ocean bald wieder auf Headline Tour gehen werden.





Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Leprous

Nach anfänglicher Skepsis füllte sich der Raum bereits bei The Ocean, war zum Beginn von Leprous dann aber tatsächlich voller als erwartet. Die Norweger, sichtbar glücklich über das Publikum, das im Vergleich zur letzten Tour 2018 wirklich stark gewachsen ist, begannen ihr Set direkt mit neuen Songs von „Pitfalls“. „Below“ und „I Lose Hope“ eröffneten das Set in den neuen Sphären von Leprous, die teils groovig, teils gewohnt pathetisch und teils auch poppig sind. Wie das im Live-Kontext funktioniert? Bestens, wenn auch die „Malina“-Tracks, und insbesondere „From The Flame“, eine große Partizipation von Seiten des Publikums genossen.



Leprous

Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

Dass Leprous einen Track wie „Observe The Train“ für eine Liveshow auswählen, hätte man wohl nicht erwartet. Mit Akustikgitarre und Synthesizern strukturierte sich der vergleichsweise ruhige Track jedoch angenehm und irgendwie passend in das Set der Norweger. Auch „Distant Bells“ wird wieder mit der Akustikgitarre gespielt und wechselt von einem ruhigen, Kammermusik ähnlichen Stück hin zu einem Prog Rock Finale. Am meisten Spaß jedoch machen Songs wie „Third Law“, die auch die aggressive, vertrackte Seite von Leprous erneut unter Beweis stellen.

Mit einem kurzen Intermezzo auf dem Cello leiten Leprous die Zugabe ein, die mit „Mirage“ ein durchaus aggressives Finale eröffnet im folgenden Elfminüter „The Sky Is Red“ aber zum puren Abriss elaboriert. Der Break am Ende des Tracks baut sich über zwei Minuten auf, um dann in den letzten drei Minuten alles, aber auch wirklich alles abzureißen, was in der Batschkapp noch stand. Was für ein Finale!

Auffällig ist, dass Leprous nun ständig zwischen den Instrumenten switchen. Kaum Ist Gitarrist Tor seine Gitarre los, steht er am Synthesizer, auch Bassist Simen übernimmt stellenweise die Keyboards von Sänger Einar, der sich nun voll auf seine Stimme konzentrieren kann. Wenn Raphael Weinroth-Browne nicht mit seinem Cello durch die Gegend marschiert und headbangt, was zugegeben verdammt viel Commitment bezeugt und wirklich anstrengend aussieht, ist auch er teils an den Keyboards zu sehen. Einzig Drummer Baard Kolstadt bleibt auf seinem Platz, steht aber auch hin und wieder auf.

Instrumental gesehen sind Leprous auf dem höchsten Level, das sie bisher hatten. Musikalisch ausgefeilt und reif strukturierten sich die 95 Minuten (!) des Sets. Einzig Sänger Einar hatte stellenweise etwas mit der Intonation zu kämpfen, meisterte seinen Job aber durchaus gut und bewegte sich viel, viel mehr als noch vor 3 Jahren. Leprous sind zu einer Band geworden, die man live sehen muss und die sich konstant weiterentwickelt. Die neuen Songs von „Pitfalls“ resonieren in der Größe des Konzerts bestens und können auch mit denen von „The Congregation“, „Malina“ und „Coal“ mithalten. Der ein oder andere hätte sich aber sicher auch über ein, zwei ältere Songs gefreut, während der Fokus klar auf „Pitfalls“ lag.

Leprous
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Leprous
Leprous

Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

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