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Kritik: Hal Johnson - "Seasons"

“Es gibt sie noch, die ‘lokalen Perlen’ aus der Umgebung”. Das habe ich jedenfalls gedacht, bevor ich mich dazu entschieden ...

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“Es gibt sie noch, die ‘lokalen Perlen’ aus der Umgebung”. Das habe ich jedenfalls gedacht, bevor ich mich dazu entschieden habe, die Review zur neuen Scheibe von Hal Johnson zu schreiben, als ich mir bis dahin nur die aktuelle Single “Party Nights” angehört und mich erstmals ganz oberflächlich durch verschiedene Social Media-Plattformen der Band geklickt hatte.

Frei nach dem Motto #supportyourlocal fange ich an zu forschen und nach ein wenig Recherche hat sich ganz schnell herausgestellt: So lokal sind die Jungs aus dem Münsterland überhaupt nicht unterwegs! Zwischen unzähligen überregionalen Konzerten und Support-Gigs finden sich einige Touren in ihrer Biografie. Der Schein trügt halt eben doch ab und zu. Wie sich später herausstellen sollte, habe ich mich unter anderem etwas von den recht gering ausfallenden Klickzahlen auf verschiedenen Streaming-Plattformen blenden lassen.

Hal Johnson katapultieren sich mit „Seasons“ in die Herzen und Ohren ihrer Hörer

Hal Johnson sind ein junges Quartett aus Greven und haben sich 2015 gegründet. Nach diversen Singles und einer EP aus Eigenregie bringen sie dieses Jahr zusammen mit Uncle M Music und Cargo Records ihr erstes vollwertiges Album “Seasons” heraus. Uns erwarten mit ihrer Platte elf Songs irgendwo zwischen Punkrock und Pop-Punk, ruhige und laute Parts mit eingängigen Melodien und potentiellem Ohrwurm-Charakter; so viel sei bereits vorweg gesagt.

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Mit dem Song “Ghosts” startet das Album etwas überraschend nur mit Gesang, mehrstimmig, der dabei rhythmisch nur von einer Rassel unterstützt wird (ist das eine Rassel? Es klingt wie eine Rassel. Geil!), nur um dann nach den ersten Textzeilen “Wanna know how life can change so easy after all? It’s so cold when we are breaking down and start so fall” auf der Eins, mit allem was sie haben, uns direkt zu Beginn ihre Präsenz einmal fest um die Ohren zu knallen, als wollen sie dem Hörer direkt sagen: “Hallo! Hier sind wir!”

Das ist durchaus gut gelungen, da sie mit ihrer Vielstimmigkeit außerdem direkt von Anfang an ihre größte Stärke ausspielen; die Aufmerksamkeit ist richtig da und ich erahne: Das könnte eine richtig gute musikalische Erfahrung werden.

Der Song geht weiter mit einem punkigen Schlagzeugbeat und warm gezerrten Powerchords. Das Instrumental treibt dabei, geht gut nach vorne und unterstützt auch immer wieder den Gesang und seine Betonung mit seinen auftretenden Fills und Variationen (hier sind z.B. Palm Mutes, also gedämpftes Akkordspiel, sowie kurze Pausen besonders prägnant). Das sind Charakteristika, die auch in den späteren Songs auftreten und “Seasons” so den Stempel eines Gesamtwerks aufdrücken, ohne dabei einzelnen Songs innerhalb des Albums ihrer Einzigartigkeit zu berauben.

Hier fällt auch schon früh auf, was sich immer wieder durch das gesamte Album zieht: Viele Teile eines Songs stehen für sich selbst; man könnte denken, so wäre Orientierungsverlust beim Hören vorprogrammiert, aber die Grundstruktur von Strophe und Refrain im einzelnen Track bleiben immer erhalten.

Immer wieder treten neue oder andere Variationen auf oder Stilmittel dazu. Es ist also von Track zu Track sehr gut durchstrukturiert, nicht zuletzt durch das bestehende Grundgerüst eines Songs, welches meistens die Rhythmusgitarre zusammen mit dem Schlagzeug bildet. Ich habe so das Gefühl, viele der Songs entwickeln sich von Takt zu Takt weiter, ohne dass sie dabei den ‘roten Faden’ verlieren.

Auch wenn “Ghost” dabei ein sehr gelungenes Paradebeispiel von “Seasons” ist, kommt dieses Prinzip des Songwritings bei vielen anderen Tracks des Albums durch. Hin und wieder klimpert die zweite Gitarre in der Strophe einzelne höhere Töne dazu und mischt so den Gesang auf. Bei fehlendem Gesang wird gerne ein Gitarrensolo angedeutet bzw. eine Melodie gespielt. Unterschiede sind in den Songs trotzdem gegeben. Ein paar Beispiele hierfür folgen.

In “Gang in Black” wird zu Beginn mehr Betonung auf den Bass gelegt, indem er alleine die Grundtöne achtelt, nur damit später die Gitarren dazu kommen, um dann noch etwas später mehr Backing Vocals beizusteuern, was dann schließlich auch noch in einer Snare-Roll vor dem letzten Refrain mündet; eine wirklich schöne Steigerung.

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In “Party Nights” spielt der Bass zwischendurch mit viel Drive, das gibt der Stimme in der Strophe zu Beginn mehr Raum, ohne dass man das Gefühl hat, es ist zu wenig begleitende Unterstützung da.

“Party Nights” punktet als erste Single aber besonders mit einem wirklich sehr eingängigen Gitarrenriff und Gesang. Ich bin ehrlich, dieser Song wird mich in der nächsten Zeit begleiten, ob ich nun will oder nicht.

“Better” besticht mit einem Chorus zum Mitmachen; “We are better than this you know” zusammen mit seinen “Oooooooh”s ist sogar beim ersten Hören direkt hängen geblieben und ist in meiner Fantasie DAS Erlebnis bei einem kühlen Bier, eine gute Zeit auf einer Liveshow mit guten Leuten zu verbringen.

Und das waren nur die Beispiele, die mir am ehesten und deutlichsten aufgefallen sind, wirklich jeder Song ist hörenswert und bringt seinen ganz eigenen Charme mit.

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Hallo liebe Freund*innen! Leider müssen wir aus offensichtlichen Gründen auch unsere Releaseshow am 18.04. im @gleis22 verschieben. Dank unserem tollen Team @uncle_m_music , @muensterbandnetz.de und @merchcowboy.de haben wir aber schnell einen Ersatztermin gefunden. Die Tickets behalten ihre Gültigkeit! Infos zu den restlichen Dates der Tour kommen in den nächsten Tagen. Neuer Releaseshow Termin: 17.07.20 Ticket-Link in unserer Bio! Da uns durch die wegfallenden Shows auch eingeplantes Geld wegbricht, würdet ihr uns in dieser Situation am meisten unterstützen, wenn ihr unser neues Album SEASONS im Uncle M -Shop vorbestellt –> Link in unserer Bio. Natürlich nur, wenn´s eure eigene (finanzielle) Lage hergibt! Danke für euren Support! Bleibt zuhause und lasst uns das gemeinsam durchstehen! <3 Michel, Max, Dave, Felix

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Mit “Professional Help”, “Control” und “Home” bieten Hal Johnson mittendrin drei (zunächst) ruhigere Songs. Alle drei Songs sind taktisch gut im Album platziert, sie nehmen etwas das Tempo heraus und geben so Luft und Entspannung beim Hören und sorgen so für eine Veränderung der gesamten Spannungskurve.

“Control” ist dabei sicherlich ein wirkliches Highlight auf dem Album. Der Track startet mit einer leicht verträumten Atmosphäre mit einem Blechblasinstrument (Trompete oder Posaune, ich bin mir nicht ganz sicher, tendiere aber zu ersterer) und unverzerrter, evtl. ganz leicht angezerrter Gitarre; nur um Stück für Stück über verzögert einsetzende Mehrstimmigkeit den Höhepunkt aufzubauen, in dem die Trompete (oder auch Posaune) noch einmal mächtig Lärm macht.

Wenn Lieder titelgebend für Alben sind, dann sind meine Erwartungen immer sehr hochgesteckt, irgendwie löst das in mir ein Gefühl aus, dass der Song ja stark sein muss, sonst wäre das Album ja nicht danach benannt, oder? Jedenfalls bin ich dann immer total vorbelastet und meistens auch enttäuscht, obwohl es ja eigentlich noch viele andere Gründe für die gleiche Benennung geben kann.

Bei “Seasons” ist es nicht so (endlich!). Wie das retardierende Moment im Theater nimmt der Song die gesamte aufgebaute Emotion des Albums und hält sie als vorletzter Song vor dem vermeintlichen Ende fest.

Die Zeilen im Refrain “You can stay, you can leave but you make me believe. There’s a change ever since you will never resist” machen dabei noch mal besonders deutlich, wofür die Band steht: Wir alle haben hin und wieder schwierige Herausforderungen im Leben; das ist manchmal unausweichlich, aber wir stehen nie alleine da, denn Musik verbindet.
Das ist wohlmöglich auch der Grund, warum dieser Track dem Album seinen Namen gibt…

Der letzte Song lässt das Album dann leicht melancholisch mit einem Piano am Anfang und einem lauten Knall zur zweiten Hälfte des Songs ausklingen. “Stay With Me” ist der Name des Outros und bedeutet für mich buchstäblich, dass ich Hal Johnson mit Sicherheit weiterverfolgen werde.

Ein Konzert von Hal Johnson steht nun definitiv auf meiner To-Do-List und ich bin gespannt, ob sie mich live genauso überzeugen werden wie auf Platte (aber da bin ich optimistisch). Ich wünsche ihnen, dass “Seasons” den Stein ins Rollen bringt, der die Klickzahlen ihrer Songs verdienterweise weit über das Vierstellige hinausschießen lässt.

Foto: Simon Hölscher / Offizielles Pressebild

ALBUM
Seasons
Künstler: Hal Johnson

Erscheinungsdatum: 17.04.2020
Genre: , ,
Label: Uncle M
Medium: CD

Tracklist:
  1. Ghost
  2. Gang In Black
  3. Party Nights
  4. Professional Help
  5. Better
  6. Control
  7. Dream/Awake
  8. Let It Go
  9. Home
  10. Seasons
  11. Stay With Me
Hal Johnson Seasons
Hal Johnson Seasons
8
FAZIT
Hal Johnson sind für mich eine überraschend gute Neuentdeckung. “Seasons” funktioniert als Gesamtwerk erstaunlich gut. Ihr Sound erinnert stark an klassischen Pop-Punk à la Yellowcard oder Weezer, sie bringen allerdings durch den Gesang eine besonders individuelle Note mit sich. Ein wirklich starkes Alleinstellungsmerkmal der Band ist die harmonische Zusammenarbeit der verschiedenen Stimmen.

Die Band hält sich insgesamt mit catchigen Gesangsmelodien und den verzerrten Gitarren an die gängigen Formeln des Genres, wagt dabei (nur) k(l)eine Experimente, ist aber innerhalb der bestehenden 'Grenzen’ sehr abwechslungsreich. Wer auf Pop-Punk steht, sollte reinhören!