News

Interview

Vainstream: „Die stilistischen Brüche beim Booking polarisieren ohne Zweifel“

Das Interview mit Alex Solke von Kingstar Music.

VON AM 06/11/2022

Das Vainstream Rockfest gehört seit 2006 zu den wichtigsten Festivals, wenn es um Punk, Metalcore und Hardcore geht. Jährlich pilgern weit mehr als 10.000 Fans auf das Gelände Am Hawerkamp im Hansaviertel von Münster. Nach der Corona-Pause kehrte das Vainstream 2022 gleich an zwei Wochenenden hintereinander zurück und präsentierte dabei Bands wie The Offspring, Sum 41, Bullet For My Valentine, Turnstile, Counterparts und Bury Tomorrow.

Wir haben mit Alex Solke von Kingstar Music, der verantwortlichen Agentur hinter dem Festival, über die Herausforderungen in diesem Jahr, die Krise der Live-Branche, aber auch über Diversität und „wilde“ Bookings gesprochen.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Vainstream Rockfest (@vainstream_rockfest)

MC | Maik: Nach der Corona-Pause sollte der Festival-Sommer 2022 die Rückkehr zur Normalität darstellen. Wie sah es denn hinter den Kulissen aus? 

Hinter den Kulissen war es alles andere als normal. Gestiegene Kosten und eine extreme Verknappung von Personal und Material haben den Sommer zu einer großen Herausforderung gemacht. Zugleich war es unglaublich schön, nach dieser langen Pause endlich wieder so viele strahlende Gesichter vor, auf und hinter den Bühnen zu sehen. Das hat den Festivalsommer fernab von den wirtschaftlichen Herausforderungen zu einem der emotionalsten und unvergleichlichsten Festivalsommer gemacht, den wir bis dato erlebt haben. All die Freundinnen und Freunde aus nah und fern endlich wiederzusehen – das Gefühl ist einfach schwierig in Worte zu fassen. Und eigentlich können wir das nur mit einem Wort zusammenfassen – DANKE. Danke an all unsere treuen Besucher*innen. Danke an unsere Crew und alle Helfer*innen. Danke an all die tollen Bands, die gespielt haben und die wir endlich mal wiedersehen durften.

MC | Maik:  In diesem Jahr hattet ihr gleich an zwei Wochenenden hintereinander zu tun. Welche Herausforderungen brachte das Ganze mit sich?

Es war natürlich im Vorfeld ein organisatorischer Mehraufwand, zwei Wochenenden hintereinander zu haben. Aber zeitgleich war alles dadurch nach dem ersten Wochenende auch irgendwie entspannter. Wir mussten nicht direkt abbauen und fürs zweite Wochenende waren alle extrem gut aufeinander eingespielt. Das hat das zweite Wochenende dann wirklich ungewohnt unbeschwert und schon fast spielerisch erscheinen lassen. Der Abbau hat wie eigentlich jedes Jahr nicht ganz so viel Spaß gemacht und war aufgrund der angespannten Personalsituation auf dem Markt auch komplizierter als gewohnt. Nichtsdestotrotz hatten wir einen wirklich guten und schönen Festivalsommer und hoffen, dass es für alle anderen genauso war.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

MC | Maik: Ein viel diskutiertes Thema ist das der Diversity auf den Bühnen und innerhalb der Festival-Lineups. Wie viel Einfluss habt ihr als Veranstaltende eigentlich darauf und welche Rolle spielt die Thematik bei euch?

Diversität und Empowerment sind wichtige gesellschaftliche Themen, die wir als Festival auf jeden Fall auch ernst nehmen und mit vorantreiben müssen und wollen. Beim Publikum haben wir mittlerweile fast eine prozentuale Gleichheit der Geschlechter. Auf und hinter den Bühnen sieht das momentan jedoch noch anders aus und daran müssen wir arbeiten. Die Musikgenres, die wir mit dem Festival bedienen, sind insgesamt leider schon sehr weiß und sehr männlich geprägt, was uns aber auf gar keinen Fall davon abhalten darf und sollte, auf mehr Diversität hinzuarbeiten. Nur so können wir alle zusammen auch langfristig die Strukturen verändern und allen Menschen – egal ob männlich, weiblich, trans, nicht-binär und egal mit welcher Hautfarbe und Herkunft – einen Platz vor, auf und hinter den Bühnen und vor allem in unserer Gesellschaft sichern.

Das wird in Bezug auf die Festival-Line Ups leider nicht von heute auf morgen passieren können, da es ja auch die entsprechenden Bands geben muss, die auch genug Menschen zum Festival locken. Davon gibt es sicherlich schon ein paar, aber die müssen aber auch Zeit und Lust haben auf unserem Festival zu spielen und zugleich finanzierbar sein. Aber auch diese Problematik sollte für uns alle nur ein weiterer Ansporn sein, daran zu arbeiten, die Strukturen langfristig zu verändern. Jeder noch so kleine Schritt nach vorne ist da ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

MC | Maik: Münster gilt nicht nur wegen des Vainstreams eine wichtige Instanz und Anlaufstelle für Punkrock- und Skate-Kultur. Inwieweit beeinflusst diese Tradition auch das Festival?

Relativ viele Menschen aus unserer Crew sind seit dem ersten Vainstream mit dabei und sind durch ihre damalige Szene-Zugehörigkeit im Punk, Hardcore, Metalcore Teil des Festivals geworden. Die meisten von uns haben auch schon lange bevor das Vainstream in unser Leben getreten ist, in Bands gespielt, für Fanzines und Magazine geschrieben, Konzerte und Touren organisiert. Das Vainstream ist natürlich kein DIY-Festival, aber viele Menschen hinter den Kulissen sind durch die DIY-Kultur im Punk und Hardcore sozialisiert worden. Der kulturelle Diskurs des Punk-, Hardcore-, Metalcore-Universums spiegelt sich natürlich auch mit all seinen Facetten im Vainstream wider.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

MC | Maik: Die Live-Branche steckt nach wie vor in einer großen Krise, was vor allem die Ticketverkäufe bei kleineren Shows betrifft. Spürt ihr diese Entwicklung ebenfalls und welche Strategie fahrt ihr, um diesem Trend entgegenzuwirken?

Da wir nicht nur das Vainstream, sondern noch ganz viele andere Konzerte und Touren veranstalten, bekommen wir diese Entwicklung natürlich auch zu spüren. Die Gründe für diese Krise sind vielfältig. Zum einen gibt es da natürlich die beiden „Corona-Jahre“, die die Live-Musik-Branche fast in die Knie gezwungen hätten und zu diesem krassen Veranstaltungsstau, dem Personalmangel, der Materialknappheit und der damit verbundenen Kostenexplosion im Jahr 2022 geführt haben. Zu anderem setzen die Inflation sowie die steigenden Miet- und Energiekosten allen Menschen finanziell zu. Die damit einhergehende wirtschaftliche Unsicherheit für viele Menschen lässt sich nicht einfach wegwünschen oder wegdiskutieren. Es gibt auf jeden Fall damit verbunden zwei große Herausforderung für die Live-Branche. Zum einem dürfen Konzerte und Festivals trotz gestiegener Kosten nicht zu teuer werden und müssen für die Menschen erschwinglich bleiben. Zum anderen muss das Vertrauen in die Verlässlichkeit, dass Konzerte, Touren und Festivals auch wirklich stattfinden und nicht noch in letzter Sekunde abgesagt werden, wieder zurückzugewonnen werden. Egal welche Strategie wir letztlich dazu anwenden werden müssen, sie wird auf jeden Fall von Umsicht und Beharrlichkeit geprägt sein müssen.

MC | Maik: Rockmusik scheint derzeit eine Renaissance zu erleben, wenn man zum Beispiel an den Pop-Punk-Hype oder die Einflüsse von Gitarrenmusik, bei der neuen Generation an Künstler:innen denkt. Spielt diese Entwicklung eine Rolle bei eurem Booking, um auch ein jüngeres Publikum nachhaltig anzusprechen?

Das Vainstream ist ein durch und durch von Gitarrenmusik geprägtes Festival und demnach spielt natürlich auch die Entwicklung in den verschiedenen Genres der Gitarrenmusik eine Rolle beim Booking. Idealerweise ist es ein Festival der Generationen.

MC | Maik: In diesem Sommer gab es einige – nennen wir es – “wilde” Bookings auf den deutschen Festivals: Electric Callboy beim Parookaville, die Höhner beim Wacken, Scooter bei Rock am Ring. Auch beim Vainstream gab es schon Christian Steiffen, die 257ers und KIZ, was nicht jeden Fan erfreut. Warum finden solche Genre übergreifenden Bookings eigentlich statt?

Die stilistischen Brüche beim Booking polarisieren ohne Zweifel, aber das machen ja auch Bookings wie Architects und Rancid oder die Donots und Terror. Häufig sind unsere stilistischen Brüche ja eher im Hip-Hop verortet und da ist der Bruch ehrlich gesagt gar nicht so krass. Hip-Hop ist seit den 80er-Jahren immer wieder eng mit Punk, Hardcore und Metal verwoben gewesen. Festival-Line Ups werden immer des einen Leid und des anderen Freud sein, wenn man sich nicht strikt auf ein Genre beschränken möchte. Es gibt da ein bereits genanntes Stichwort, das nicht nur die Gesellschaft spannender und schöner macht, sondern musikalisch auch Festival-Line Ups belebt – Diversität.

Foto im Auftrag von MoreCore.de: Hanna Wollny (sonderbar.fotografie)

Feature

Future Palace

„Ich wusste an dem Tag gar nicht, dass gefilmt wurde!“, erklärt Maria Lessing, Sängerin von Future Palace über das Zustandekommen …

von