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Interview
Emil Bulls: „Es ist nicht gesund, ein Album so lange mit dir rumzutragen“
Im Interview geben Christoph und Moik Einblicke in "Love Will Fix It".
VON
Maik Krause
AM 31/01/2024
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Deutschland und seine Metal-Szene – das ist mitunter ein seltsames Unterfangen, nicht nur innerhalb unserer Grenzen, sondern auch darüber hinaus. Es gibt einige Bands, die gefühlt schon immer da waren und deswegen eine gewisse Instanz in der Szene heute sind. Caliban zum Beispiel oder auch Heaven Shall Burn und Callejon sind allesamt nun mehr als 20 Jahre auf den Bühnen unterwegs. Die Emil Bulls gehören ebenfalls dazu und feiern 2025 ihr 30-jähriges Jubiläum. Mit „Love Will Fix It” veröffentlichten die Münchner kürzlich nicht nur ihr neues Studioalbum, sondern erzielten auch noch einige persönliche Bestmarken.
Emil Bulls: „Tourlaub“ gegen Stress
Der 12. Januar ist ein verregneter Freitag in Hannover. Einer dieser Tage, an dem man nach der Arbeit lieber auf der Couch liegen und das Leben an sich vorbeiziehen lassen will. Und die Rahmenbedingungen sind eigentlich perfekt dafür: der Bauernstreik legt die Straßen weitestgehend lahm, der Bahnstreik tut sein Übriges, Unzufriedenheit weit und breit. Doch die Stimmung ist bei Christoph von Freydorf und Stephan Karl, genannt „Moik“, alles andere als betrübt. Warum auch? “Es ist das erste Mal, dass wir am selben Tag eine Show spielen, an dem wir ein Album veröffentlichen”, berichtet Christoph sichtlich glücklich im Tourbus.
Im Hintergrund hört man Lärm, der vermutlich von den Bauernprotesten stammt. Ob das Touren gerade weniger Spaß macht als sonst? „Für mich ist es, auch nach all den Jahren, immer noch das Beste, mit seinen Kumpels abends eine Show zu spielen”, erklärt Moik. „Und wir sind auch noch in der glücklichen Lage, dass Zuschauer kommen”. Tatsächlich konnten die Emil Bulls auf der laufenden Tour nicht nur ihre Zahlen bestätigen, sondern sogar steigern, wie am Beispiel Hannover, wo man „endlich” den Sprung vom Musikzentrum ins deutlich größere Capitol geschafft hat. „In letzter Zeit war es sehr stressig und es ist auch sehr viel schief gelaufen”, berichtet Christoph und spricht danach von „Tourlaub”, wo er endlich mal abschalten könne – trotz oder vielleicht sogar gerade wegen der zahlreichen und langen Shows, die er als “Ernte für die Arbeit” sieht.
Kreativ immer neu gefordert
Mit „Love Will Fix It” veröffentlichten die Emil Bulls Mitte Januar ihr mittlerweile 11. Studioalbum. Eine „lange Schwangerschaft”, wie es die Band nennt, denn das Album sollte ursprünglich 2020, also zum 25. Geburtstag der Emil Bulls erscheinen. Pandemie und fehlende Tourmöglichkeiten verwarfen den Plan. Zwar konnten die Songs über die Jahre nochmal reifen, alte und neue Ideen abgewogen und verworfen werden, “doch es ist nicht gesund, ein Album so lange mit dir rumzutragen”, erklärt Christoph und wirkt dabei auch sichtlich erleichtert.
2019 veröffentlichten die Emil Bulls ihr „Mixtape”, ein Cover-Album mit Versionen von Songs wie „Jesus He Knows Me”, „Mr. Brightside” oder „You Should See Me In A Crown”. Auf eigenes Material mussten Fans aber seit 2017 („Kill Your Demons”) warten. Seitdem hat sich einiges getan in Sachen Promo und wie die Musikbranche arbeitet. „Es ist alles anders. Damals hast du eine Single mit einem Musikvideo veröffentlicht und dann kam das Album. Heute ist es ja so, dass du permanent die Streaminganbieter füttern musst und deswegen vor Release 3-4 Singles mit Video veröffentlichen musst, damit die Algorithmen vernünftig greifen”, beschreibt Christoph den Unterschied und dass es für Bands dadurch umso aufwendiger sei, da man neben Social Media noch mehr kreativen Output zu leisten habe.
Keine Rückkehr zum Deftones-Sound
Insgesamt drei Musikvideos präsentierten die Münchner und boten damit sowohl optisch als auch musikalisch eine Bandbreite. War die erste Single „The Devil Made Me Do It” ein Brecher irgendwo zwischen Alternative Metal und Metalcore, so ging es beim Title-Track „Love Will Fix It” etwas gemächlicher, aber nicht weniger catchy zu. Das zugehörige Video zeigt die Mitglieder im Konflikt aufgrund kreativer Differenzen, was allerdings laut Christoph auf keinerlei wahrer Begebenheiten beruft: „Klar kracht es auch bei uns mal, aber fünf Minuten später sitzen wir wieder Arm in Arm nebeneinander und trinken ein Bier.” Man habe einfach nie den Respekt voreinander verloren und auch in Sachen musikalischer Ausrichtung habe es nie Streit gegeben, da man sowieso nie in einer Ecke festgefahren gewesen sei.
Hört man sich das Debüt-Album der Emil Bulls, „Angel Delivery Service”, aus 2001 an, so weicht der Sound von „Love Will Fix It” natürlich deutlich davon ab. Spannenderweise, durch die zuletzt wieder stark gestiegene Popularität von Bands wie den Deftones und dem 2000er Nu Metal und Alternative, klingt das Debüt der Münchner alles andere als angestaubt. Eine Rückkehr zu diesem Sound war allerdings keine Option: „Damals haben uns solche Bands natürlich beeinflusst überhaupt unsere Band zu gründen, aber da waren noch viel viel mehr”, erklärt Christoph und nennt dabei auch Sepultura oder Portishead und Sneaker Pimps, deren Sängerinnen stimmlich großen Einfluss auf ihn hatten. Allerdings: „Ich bin auch froh, dass wir nicht mehr so klingen, denn wenn ich alte Platten anmache, finde ich das einfach nur fürchterlich, weil ich da sehr zart, fast wie ein Chorknabe klinge.” Da geht es ihm ähnlich wie Deftones-Frontmann Chino Moreno, der sich ebenfalls nicht allzu positiv über die Anfänge seiner Band äußerte.
Emil Bulls: Zwischen den Extremen
Dass die Emil Bulls eine sehr enge Freundschaft zu ihren Fans haben, spürt man unter anderem bei der Signing Session wenige Stunden vor der Show. Im Rockers Records, einem der letzten verbliebenen Plattenläden in Hannover, stehen schon einige Fans in der Schlange, als die Band eintrifft. Schnell merkt man, dass man sich hier in vielen Fällen nicht zum ersten Mal sieht. Es ist sehr familiär, es werden Selfies gemacht, Tattoos gezeigt und kurze Anekdoten erzählt. Alles in entspannter Atmosphäre – eine Band zum Anfassen eben. Der Dank: mit Platz 3 der Album-Charts landen die Emil Bulls später das beste Chart-Ergebnis ihrer Karriere.
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Doch auch, wenn es in der Heimat inklusive einiger ausverkaufter Shows gut zu laufen scheint – die Band würde gerne auch international Fuß fassen. Waren in Hannover etwa 800 Zuschauer:innen vor Ort, spielte man am Vorabend in Prag vor gut 50 Leuten. Eine Support-Tour könnte da Abhilfe schaffen, was den Münchnern bislang in ihrer ganzen Karriere verwehrt geblieben ist: „Wir würden so gerne mit einer größeren Band europa- oder natürlich auch weltweit mitfahren, damit man sich im Ausland etwas aufbauen kann.” Schon früh musste sich die Band die Fanbase durch eigene Headliner-Shows hart erarbeiten. „Es macht aber keinen Sinn irgendwo zu spielen, wo dich niemand kennt, weil du da nicht mal als Support unterwegs oder auf einem Festival warst”, schränkt Christoph ein.
Inwieweit es den Emil Bulls mit ihrer neusten Platte gelingen wird, diesen Sprung endlich zu schaffen, bleibt abzuwarten. Gönnen würde man es ihnen aber sicherlich!
Foto im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
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