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Broilers vor 25.000 Fans im Stadion – ist das noch Punkrock?

Vom Club ins Stadion.

VON AM 26/07/2022

Vor fast 14 Jahren – es müsste der 6. Dezember 2008 gewesen sein – besuchte der Verfasser dieser Zeilen zum ersten Mal ein Broilers-Konzert. Anlass dafür war vor allem die Geburtstagsfeier des damaligen Labels People Like You, aber auch ein wenig Neugier, was es mit der Band auf sich hatte, die damals langsam, aber sicher den Weg aus dem Untergrund hoch zum deutschen Punkrock-Olymp auf sich nahm.

Das Konzert damals fand übrigens in der Funbox Amalie in Essen statt – nur wenige Hundert Meter Luftlinie vom Stadion an der Hafenstraße entfernt, in dem die Broilers im Sommer 2022 ihr bis dahin größtes Konzert spielen. Dieser Zufall ist Grund genug, einmal genauer hinzuschauen. Was hat sich verändert, was ist geblieben und vor allem: Ist das noch Punkrock?

Die Broilers erklimmen den Punk-Olymp

Als die Broilers im September 2019 ihre – eigentlich schon für 2020 geplante – Stadiontournee ankündigten, lohnte sich ein Blick in die Kommentarspalten. Neben vielen freudigen Kommentaren und einigen Broilers-typischen Meckereien wie „Seit ‚Santa Muerte‘ kann man die nicht mehr hören“ oder „Hauptsache, sie spielen nur die alten Sachen“ fiel ein Kommentar besonders auf: Eine Userin beschwerte sich darüber, dass das Konzert in den Sommerferien stattfinden werde und dass das „bei dem Gabalier ja auch schon so war“. Wow – der sogenannte “Volks-Rock’n’Roller“ (schon der Begriff ist Anlass für erste Würgereflexe) und die linksgrün-versifften Broilers haben anscheinend eine gemeinsame Fanbase?

Um ehrlich zu sein, dürfte das wohl eher eine Ausnahme sein und die Grenze des guten Geschmacks ist bekanntlich leicht zu überqueren, doch betroffen macht ein solcher Kommentar schon. Immerhin stehen die Broilers doch für alles, wofür der Österreicher nicht steht – klare Haltung, gute Musik, sympathische Ausstrahlung und die Liste ist noch lange nicht am Ende. Doch niemand sucht sich seine Fans aus und wie sagte schon Olli Schulz einst: Ab 1.500 kommen die Idioten. Das mag etwas hart formuliert sein, doch es stellt sich schon die Frage, warum einige Bands es schaffen, derart erfolgreich im Mainstream zu werden und vor allem, was das mit der Band und dem Konzerterlebnis macht.

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Bei den Broilers ist sicher das schon genannte Album „Santa Muerte“ aus dem Jahr 2011 ein Dosenöffner gewesen. Ob es Absicht war oder nicht, kann nur die Band selbst beantworten, doch Gesamtsound und vor allem die Stimme von Sänger Sammy Amara ging hier – nachdem es sich 2007 auf „Vanitas“ schon angekündigt hatte – erstmals weg vom Underground und hin zu mehr Radiotauglichkeit.

Das Ganze öffnete den Broilers dann auch das Tor zu einer ganz neuen Anhängerschaft, nämlich zu denjenigen, die sich sonst eher bei den Toten Hosen, den Ärzten oder den Donots zuhause fühlt.

Fußballteams oder Kegelbrüder, die in 10er- oder 20er-Gruppen zu den Konzerten, die in immer größeren Hallen stattfanden, pilgern und dort nicht nur das aktuelle Tourshirt kaufen, sondern auch den Umsatz am Bierstand in die Höhe treiben. Menschen, denen es vor allem um das Gesamterlebnis, das Event, eine gute Zeit und einen guten Abend geht und denen die Musik mitunter als nettes Hintergrundrauschen dient. Ist das verwerflich? Keineswegs, denn jede:r soll und darf seine Freizeit so verbringen, wie sie oder er es möchte. Nerven die Leute auf Konzerten? Das soll jede:r für sich beantworten.

Die viel spannendere Frage ist allerdings, ob und wie sich Band und Konzerterlebnis in den letzten Jahren verändert haben. Oder anders gefragt: Was hat ein Stadionkonzert vor 25.000 Menschen noch mit dem Oi-Punk der 90er-Jahre zu tun?

Zwischen Clubshow und Stadionkonzert

Ohne Frage fehlen einem im Stadion einige Dinge, die es so nur in kleinen Clubshows gibt. Die Intimität, die Nähe zur Band, der Schweiß, der von der Decke tropft. Wem das wichtig ist, der geht nicht zu einer solchen Stadion-Show oder muss sich zumindest darauf gefasst machen, dass das Erlebnis einfach ein ganz anderes ist. Aber dann kann man sich noch immer für und mit der Band freuen, denn eines ist die Kombo auch ungeachtet der hohen Ticket- und Getränkepreise im Stadion immer noch: authentisch.

In jeder Sekunde des über zwei Stunden langen Sets sieht man dem Düsseldorfer Quintett die Freude und Dankbarkeit an, die sie angesichts dieses Ereignisses empfinden. Und sicher könnte man auch auf das Showelemente wie das Feuerwerk am Ende verzichten – doch man spürt, dass es die Band genießt, all das auszuprobieren, was eben zu einem solchen Event dazugehört. Und die vielen Mitmach- und Klatscheinlagen hat Sammy Amara auch schon vor 14 Jahren und vor 500 Leuten durchgezogen. Authentisch eben.

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Und so klar es auch ist, dass eine Stadionshow vor 25.000 Menschen nicht ganz so schnell das Herz berührt wie eine Clubshow – wenn man auch nur einen kleinen Teil des Wegs der Broilers mitgegangen ist, so berührt dieser Weg, der über viele Jahre stetig durch immer größere Hallen und Clubs und begleitet von immer höheren Chartpositionen bis ins Stadion an der Hafenstraße geführt haben.

Außerdem: Dass die Broilers neben den Punkrock-Legenden von Social Distortion eine Band wie Fever 333, die vielleicht nicht auf den ersten Blick in das Beuteschema der meisten Fans passen, als Support einladen, zeigt doch, dass es der Band immer noch um die Liebe zur Musik geht – und genau das ist Punkrock.

Foto: Robert Eikelpoth / Offizielles Pressebild

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