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Interview
Kid Kapichi: „Es ist wichtig, dass die Welt mehr miteinander verbunden ist“
Die Band über ihr neues Album und wie sie die Welt verändern wollen.
VON
Lisa Kaiser
AM 24/04/2024
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- Minuten
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Hastings vorzeige Punkrocker Kid Kapichi haben seit ihrer Gründung im Jahr 2013 eine Mission: auf die Missstände der Welt, aber vor allem Großbritanniens aufmerksam machen. Bereits mit ihrem ersten Langspieler „This Time Next Year“ hat die Vier-Mann-Revolutionsarmee gezeigt, wie der Hase läuft und ihre Wut über politische- und wirtschaftliche Probleme sowie Polizeigewalt zum Ausdruck gebracht. Als Sprachrohr der Arbeiterklasse kombinieren Jack Wilson, Ben Beetham, Eddie Lewis und George Macdonald messerscharfe Textzeilen mit Punkrock-Gitarre und Britpop-Beats.
Der selbst erzeugte frische Wind fegte die Band direkt zu Spinefarm Records wo sie im Jahr 2022 ihr zweites Studioalbum „Here’s What You Could Have Won“ von der Leine ließen. Nun schreiben wir das Jahr 2024. Immer noch herrschen Probleme auf der Welt. Immer noch hinterlässt der Brexit seine Spuren im Leben vieler Briten. Und immer noch sind Kid Kapichi angepisst. Die Antwort auf dieses Debakel: „There Goes The Neighbourhood“. Das dritte Album von Kid Kapichi erschien am 15. März 2024 und knüpft direkt an seinen Vorgänger an. Wie die Band den Kollegen vom Rock Sound bestätigt, beschreibt „There Goes The Neighbourhood“ die Erkenntnis, die Chance, etwas besser zu machen, verpasst zu haben.
Kid Kapichi wollen „ein ganzes Spektrum an Emotionen abdecken“
Dabei hat die Band „den Nagel auf den Kopf getroffen“. Dies bestätigt Sänger und Gitarrist Jack Wilson im Interview. „Das Album ist genauso geworden, wie wir es uns in unseren Ohren, Augen und Köpfen vorgestellt haben.“
Dass ihre Vision dabei erneut von den äußeren Umständen geleitet wurde, bestätigt Gitarrist Ben Beetham: „Wir versuchen immer einen sozialen und gesellschaftlichen Aspekt einzubringen. Im Moment ist dieser Aspekt einfach inhärent politisch, weshalb das Thema auf diesem Album noch stärker zum Tragen kommt.“
Das zeigt sich vor allem in Tracks wie „999“ und „Zombie Nation“, welche wie knallharte Fausthiebe in die offenen Wunden des Systems treffen. So fordert „999“ dazu auf, dass auch Polizist:innen für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden, während zweitere Single den Vertrauensverlust in die Regierung thematisiert. Doch Politik und Weltverbesserung werden nicht allein auf dem dritten Album thematisiert. Mit dem sehr emotionalen und persönlichen Track „Jimi“ oder dem eher amüsanten „Tamagotchi“ weist Kid Kapichis dritter Langspieler auch einige Momente zum Aufatmen auf. Kein Zufall, laut Jack: „Wir versuchen, das Album auf eine organische, natürliche Weise ausgewogen zu halten. Wir nehmen uns nicht vor: ‚Okay, wir schreiben fünf Songs so und zwei so‘, nein wir schreiben einfach so, wie wir uns an dem Tag fühlen.“
„Manchmal sind das dann Songs über Wut und Frustration, manchmal können es auch Songs über Verlust sein, wie bei
‚Jimi‘. Aber wir versuchen auf jeden Fall, das Album unterhaltsam und ausgewogen zu gestalten. Es soll ein ganzes Spektrum an Emotionen abdecken, nicht nur eine Sache“, erklärt der Sänger weiter und Ben ergänzt abschließend: „Es gibt Dinge, die sind persönlich und betreffen den Einzelnen, und es gibt Dinge, die betreffen alle, also ist es wichtig, über beides zu sprechen.“
Musik schafft Gemeinschaften, Gemeinschaften können die Welt verändern
„Can You Hear Me?“ ist einer dieser Tracks, die „alle betreffen“. Seit dem Brexit ist Großbritannien nicht nur geografisch, sondern auch verstärkt politisch vom europäischen Festland getrennt. Der Track markiert deshalb einen Shoutout an uns EU-Mitglieder:
„Das Echo des Brexits ist in der ganzen Welt zu spüren und besonders in Großbritannien. Es ist einfach eine verrückte Situation und die wirklichen Probleme, die er verursacht, werden erst jetzt spürbar. Und es fühlte sich richtig an, diesen Song zu schreiben. New England berührt dieses Thema. Aber es fühlte sich so an, als ob wir es noch einmal schreiben und noch einmal darüber sprechen müssten, weil die Auswirkungen jetzt wirklich zu spüren sind“, erläutert Ben und führt fort:
„Ich denke, es ist wichtig, dass die Welt mehr miteinander verbunden als geteilt ist. Ja, ich denke, dass die Regierungen die Menschen in einen Kampf verwickeln, damit sie leichter zu spalten sind. Und die Rhetorik der Spaltung ist so hoch wie nie zuvor in unserem Leben. Daher denke ich, dass es heute wichtiger denn je ist, eine Situation zu schaffen, in der die Menschen in Gemeinschaften von Gleichgesinnten vereint sind, anstatt in Angst gespalten zu werden.“
Dieses Gefühl der Gemeinschaft versucht die Band mit ihrer Musik zu schaffen. Denn auch Jack bestätigt, dass es das Ziel ist „Gleichgesinnte zusammenzubringen und den Leuten zu helfen, sich in einer Gruppe zu Hause zu fühlen“, und ergänzt: „Außerdem neue Freunde, Freundschaften, Liebe und Verständnis füreinander zu finden. Und ich denke, letztendlich Respekt und Einigkeit untereinander.“ „Ja. Wirklich bedeutsame Kettenveränderungen entstehen durch die Schaffung von Gemeinschaften von Menschen, die Veränderungen bewirken können. Und wenn man viele von diesen gründet, kann man tatsächlich anfangen, die Welt zu verändern“, hängt Ben noch hinten an.
„Jimi“ – mehr als nur ein Song
Dass das Auseinandersetzen mit den Problemen der Welt auch anstrengend sein kann, liegt auf der Hand. Allerdings ist gerade das Songschreiben die perfekte Methode, um von Zeit zu Zeit auch mal runterzukommen. „Das Schreiben von Songs ist unser Ventil, so drücken wir uns aus. Es ist ein psychologischer Befreiungsschlag, Musik zu schreiben“, erklärt der Sänger. Gerade auf „Jimi“ zeigt sich, wie wichtig Musik bei der Verarbeitung von schwierigen Themen hilft. Sowohl Jack als auch Ben nennen den sehr emotionalen Track als ihren persönlichen Favoriten – einfach wegen der starken persönlichen Verbindung.
Wie Jack erklärt, sind viele Songs der Band „offensichtlich, gelebte Erfahrungen oder Erfahrungen, die unsere Freunde und Familie durchgemacht haben.“ In diesem Fall waren allerdings nicht nur Angehörige emotional involviert, sondern die ganze Band. „Jimi war jemand, der uns allen sehr am Herzen lag. Ich denke für mich wird das wahrscheinlich für immer der persönlichste Song sein“, führt der Sänger zuende.
Ben bestätigt seinen Freund und Kollegen: „Ich denke, dieses Stück ist ein Song, der uns jedes Mal, wenn wir ihn hören, ziemlich trifft. Und wie du [Jack] bereits sagst, viele unserer Songs sprechen über Themen, die jeden betreffen. Und das war diesmal ein eher persönliches Thema. Aber das Interessante ist, dass es tatsächlich Leute gibt, die in diesem Song Trost gefunden haben, als eine Art Katharsis für einen Verlust. Ich denke also, selbst wenn man etwas schreibt, das für einen selbst persönlich ist, wird es auch für andere Menschen persönlich. Und das war wirklich etwas Besonderes.“
Die Band hat „immer mit einem Augenzwinkern gearbeitet“
Trotz der überwiegend ernsten Thematik des Albums verleiht die Band diesem vor Allem mit ihrem Sound und Auftreten eine ungewöhnliche Ausgewogenheit und Leichtigkeit. Der von Snuggs geprägte Ska-Song „Zombie Nation“ bringt nicht nur einen schwungvollen Beat mit, sondern auch ein amüsantes Musikvideo. Mit dem Nachspielen einer Zombie-Apokalypse und ihrem party-tauglichen Sound, legen Kid Kapichi neben den harten Themen auch eine ordentliche Portion Unterhaltung auf den Tisch. Kein Zufall, wie Jack verrät:
„Ich denke, wenn man zu tief in die Dunkelheit geht, ist die Thematik zu schwer zu verdauen. Wir haben immer mit einem Augenzwinkern gearbeitet und versucht, unterhaltsam zu sein, auch wenn es um schwierige Themen geht. Man muss lachen, um nicht zu weinen, denn die Dinge sind ziemlich düster für viele Menschen. Also versuchen wir Licht in die Sache zu bringen und zu zeigen, wie wir uns fühlen und wie viele unserer Kolleg:innen sich fühlen. Aber auf eine leichter zu verdauende Art und Weise. Das haben wir immer versucht zu tun.“
Dass die Briten auch mit ihrem dritten Langspieler den richtigen Ton getroffen haben, zeigt die unmittelbare Reaktion der Fans. Frontmann Jack schwärmt beinah überwältigt: „Die Fans haben unglaublich reagiert! Es fühlt sich so gut an, dass all die Songs, die wir in den letzten Jahren geschrieben und aufgenommen haben, endlich in der Welt sind. Und die Leute scheinen sich wirklich mit vielen der Songs in einer unerwartet positiven Weise zu verbinden. Die Reaktionen sind bisher überwältigend positiv – wir sind wirklich dankbar.“
Foto: Chris Georghiou / Offizielles Pressebild
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