Live

DeathcoreMetalcore

Live bei: Thy Art Is Murder in Oberhausen (27.09.2023)

Ein Wechselbad der Gefühle.

VON AM 03/10/2023

“Wollt ihr zu Jeremias oder Thy Art Is Murder?”. Achso! Plötzlich ergab alles einen Sinn. Die Frage des Parkplatzwächters vor der Turbinenhalle Oberhausen befreite uns binnen Sekunden von unserer Verwirrung, die sich wenige Minuten vorher breit gemacht hatte. Beim Blick von der Mülheimer Straße herab überraschte uns der Anblick einer mehrere Hundert Meter langen Schlange ohne ein einziges schwarzes T-Shirt in Sichtweite. Dass sich diese Menge an Leuten nicht auf der Suche nach Blastbeats und Breakdowns, sondern nach funkigen Indie-Pop-Beats befand, passte eher ins Bild.

Das Deathcore-affine Klientel hatte sich bereits im kleinen Saal der Turbinenhalle eingefunden. Es sollte bei einem wenige Hundert Zuschauer:innen umfassenden Publikum bleiben, das die Location nicht mal ansatzweise füllte und wahrscheinlich auch problemlos ins Druckluft gepasst hätte. Dabei dürften die jüngsten Geschehnisse um Thy Art Is Murder und den Rauswurf ihres Shouters und Publikumslieblings CJ McMahon eine große Rolle gespielt haben. Es wird definitiv Leute gegeben haben, die aufgrund dessen ihr Ticket verkauft oder verfallen lassen haben. Genauso wird es aber sicherlich eine große Gruppe an CJ-Kritiker:innen geben, die unwissend über die neuesten Entwicklungen auf den Besuch verzichtet haben.

Spite

Mit den aktuell in der Szene sehr beliebten Spite erklangen die ersten bösen Noten eines ungewissen Konzertabends. Auch wenn die Kalifornier schon seit 2014 die Bühnen der Welt unsicher machen, sind sie gerade aufgrund ihrer aktuellen Platte “Dedication To Flesh” (2022) in aller Munde. Sound-technisch fiel das Ganze zwar noch etwas matschig und undefiniert aus; die Band zeigte sich aber Performance-technisch von ihrer besten Seite und konnte zumindest die ersten zwei oder drei Leute in Bewegung versetzen. Mit ihrer groovigen Note boten sie außerdem einen schönen Gegenpol zu den restlichen Bands des Line-Ups.

Spite

Spite

Spite

SpiteFotos im Auftrag von MoreCore.de: Philipp Mirschel

Fit For An Autopsy

Zumindest ein paar Leute mehr hatten sich pünktlich zur Show von Fit For An Autopsy in der Halle eingefunden. Die aus New Jersey stammende Band brauchte nicht viel mehr als die schiere Wucht ihres Sounds – der auch mixtechnisch besser eingefangen wurde – um ein intensives Konzert abzuliefern. Das Quintett headbangte gemütlich auf ihren Spots vor sich hin, während Vocalist Joe Badolato das Publikum durch seine starke Präsenz auf seine Seite zog. Die Erschütterung beim Breakdown von “Hellions” dürfte dann auch wirklich der letzte Jeremias-Fan nebenan noch wahrgenommen haben.

Fit For An Autopsy

Fit For An Autopsy

Fit For An Autopsy

Fit For An AutopsyFoto im Auftrag von MoreCore.de: Philipp Mirschel

Thy Art Is Murder

Der erste Auftritt der Tour, der erste Auftritt mit neuer Platte im Gepäck, der erste Auftritt mit neuem Vokalisten. Thy Art Is Murder hatten groß für diesen Anlass aufgefahren, ließen dabei aber sicher nicht ohne Risiko die ersten Töne von “Destroyer of Dreams” auf uns herabregnen. Ob das vorangegangene Intro mit “We Like To Party!” von den Vengaboys den Zweck erfüllte, die Ernsthaftigkeit aus der Situation zu nehmen, kann an dieser Stelle nur vermutet werden. Eingepackt in eine dicke Schutzweste offenbarte sich schließlich Tyler Miller von Aversions Crown als neuer Frontmann der Band. Trotz eines gelungenen Auftakts hallten gleich nach dem ersten Song die ersten CJ-Rufe durch den Club.

Thy Art Is Murder

Thy Art Is Murder

Thy Art Is MurderFotos im Auftrag von MoreCore.de: Philipp Mirschel

In diesem Moment waren sehr unterschiedliche Reaktionen aus dem Publikum zu beobachten. Während sich einige Leute direkt verdutzt und erschrocken umdrehten, stiegen wiederum einige Besucher:innen ein und brüllten lauthals mit. Ein trockenes “Der ist nicht mehr da” konnte die Situation zum Glück kurzfristig auf leicht komödiantische Weise entschärfen. Dennoch brach in den hinteren Reihen eine kleine Diskussion aus, die sich nach wenigen Minuten nach draußen verschob. Der perfekte Zeitpunkt, um sich doch wieder dem bild- und soundgewaltigen Geschehen zu widmen, wegen dem man doch eigentlich hergekommen sein sollte.

Thy Art Is Murder machen uns die Hölle heiß

Tyler Miller machte seine Sache auf jeden Fall durchweg fantastisch und kann definitiv von seiner jahrelangen Erfahrung mit Aversions Crown und The Guild profitieren. Den heimlichen Star des Abends bildet aber dennoch Drummer Jesse Beahler, der sich auf seinem Podest thronend keinen einzigen Fehlschlag zwischen schnellen Blastpassagen und komplexen Breakdowns erlaubte. Ebenso der Rest der Band überzeugte spielerisch auch ohne viel Bewegung. Mit gigantischen Lichttürmen und einer Menge an Pyrotechnik gab es auf der Bühne aber auch abseits der Musik genug zu bestaunen. Neben den Tracks ihrer neuen Platte hatten die Australier mit einigen älteren Songs und den Hits des Vorgängers “Human Target” (2019) eine abwechslungsreiche Setlist zu bieten.

Thy Art Is Murder

Thy Art Is Murder

Thy Art Is MurderFotos im Auftrag von MoreCore.de: Philipp Mirschel

Trotz eines rundum gelungenen Konzertabends mit drei starken Performances verließen wir die Turbinenhalle mit durchaus gemischten Gefühlen. Es muss auf jeden Fall darauf gehofft werden, dass sich die schwachen Verkaufszahlen nicht durch die ganze Tour ziehen. Die Kontroverse um den Rauswurf von CJ McMahon sollte definitiv nicht der Grund dafür sein, dass drei – mit Whitechapel, die den Rest der Tour begleiten, vier – wirklich wichtige Szenegrößen finanziell in Mitleidenschaft gezogen oder Konflikten vor Ort ausgesetzt werden. Das Geschehen auf der Bühne spricht zwar für sich; alles drumherum lässt eine:n jedoch ein wenig ratlos zurück.

Beitragsbild im Auftrag von MoreCore.de: Philipp Mirschel

More

Feature

Kid Kapichi

Hastings vorzeige Punkrocker Kid Kapichi haben seit ihrer Gründung im Jahr 2013 eine Mission: auf die Missstände der Welt, aber …

von