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AlternativeRock
Kritik: The Pretty Reckless - “Other Worlds”
Seit nunmehr 14 Jahren ist die Kombo The Pretty Reckless um Sängerin, Schauspielerin und Model Taylor Momsen am Start und ...
VON
Tamara Jungmann
AM 06/11/2022
Seit nunmehr 14 Jahren ist die Kombo The Pretty Reckless um Sängerin, Schauspielerin und Model Taylor Momsen am Start und hat sich zur Aufgabe gemacht, den guten alten Rock’n’Roll, abgestaubt und mit neuem Glamour besetzt, wieder unters Volk zu bringen. Und bisher war die Band damit auch sehr erfolgreich. Ein Jahr nach ihrer letzten Studio-produzierten Platte gibt’s mit „Other Worlds“ jetzt ein etwas anderes musikalisches Werk auf die Ohren.
Wer die musikalische Historie um die Hardrocker von The Pretty Reckless seit Gründung 2009 etwas verfolgte, konnte feststellen, dass sich die Band von einem anfänglich harten, aggressiven Rock-Sound mit düstersten, suizidalen Texten, schnell weg bewegte, hin zu sanften, melancholischen Klängen im 90er Jahre Rock-Grunge-Stil. Auch textlich gelang es Momsen, mehr Tiefe in ihre Lyrics zu bringen und Referenzen zu großen musikalischen Vorbildern wie Chris Cornell zu knüpfen.
Bekannte The Pretty Reckless-Welten – neu betreten
All dies speist in „Other Worlds“, der nun erschienenen Platte der New Yorker Musiker:innen, auf der sich tatsächlich KEINE neuen Tracks befinden, sondern nur Akustik- und Cover-Nummern. Und ebenso wie das sphärische Artwork fühlt man sich beim Hören der „Death By Rock And Roll“-Nachfolger-Platte teilweise wie über dem Boden schwebend, in irgendeinem emotionalen, nachdenklichen Traumzustand.
Das Album startet mit einer Remix-Version von der zuletzt releasten Single “Got So High”. Dies hat in diesem Musik-Kostüm mit Hardrock nichts mehr zu tun und stellt eher eine träge Rosa-Zuckerwatte-Pop-Nummer dar. Wobei man dazu feststellen muss, dass das (ebenfalls als Outro auf der Platte.. hä?) Original der Nummer, jetzt keinen Brecher, sondern einfach eine stimmungsvolle Gitarren-begleitete Ballade darstellt, zu der man gefühlt gerne mal ein, zwei Schmacht-Joints paffen möchte.
Keine Struktur, dafür jede Menge Cover
Zwei Dinge erklären sich mir bereits von vornherein nicht: Warum ist “Got So High” zweimal auf der Platte vertreten und warum setzt man einen Track, genau so wie er auf dem Vorgänger-Album bereits aufgetreten ist, nochmal drauf? Vielleicht kann mir das ja jemand erklären.
So richtig los geht es wirklich erst mit dem Tribut-Teil, der musikalischen Würdigung, die die „schönen Reuelosen“ hier vorgenommen haben. Dabei sticht vor allem die Bindung der Band zur 90er-Jahre-Grunge-Formation Soundgarden heraus, die auf die Vorliebe der Frontfrau für den verstorbenen Vokalisten Chris Cornell zurückzuführen ist. Dafür hat sich die Kombo musikalische Unterstützung in Form von Feature-Gästen rangeholt.
Auf “The Keeper” hören wir Musiker Alain Johannes im Duett mit Momsen den Refrain ins Mikro trällern. Einen echten Coup landen The Pretty Reckless dann mit dem Soundgarden-Hit “Halfway There“, bei dem niemand Geringeres als Soundgarden– und Pearl Jam-Drummer Matt Cameron den Takt vorgibt.
Auf „Other Worlds“ finden wir außerdem noch zwei weitere Cover-Nummern: Der vierte Track der Platte ist Momsens Version zu “Quicksand” des ebenfalls verstorbenen Pop-Rockers David Bowie und “(What’s so funny ‘bout) Love, Peace And Understanding” ist ursprünglich vom britischen Musiker Elvis Costello. Beide sind nett, aber nicht vergleichbar mit den Soundgarden-Covern, in denen man (allen voran “Halfway There”) die besondere Ehrfurcht spürt, die die Band für Cornell hegt.
Intensiv-Wäsche vs. Weichgespült
Beeindruckend ist die Akustik-Version zu “25”. Darin erklingt ein verhängnisvoll-erklingendes Piano, das zusammen mit Taylor Momsens Stimme, die gerade in diesem Track wahnsinnig präsent und stark ist, eine intensive, bedrückende Atmosphäre schafft. Die Akustik-Versionen zu den Hits und Singles der letzten The Pretty Reckless-Platte “Only Love Can Save Me Now” und “Death By Rock And Roll” sind im ähnlichen rhythmischen Akustik-Gitarren-Stil gehalten, wobei letzteres nichts von seinem originalen Drive einbüßen muss.
Mir persönlich ist das (fast) Schlusslicht und Country-Werk “Harley Darling” ein zu sehr gewollter Versuch, Alt-Männer-Rock’n’Roll-Feeling herbeizuführen. Hier spürt man wirklich nichts mehr von dem ehemaligen 2000er-Auf-die-Fresse-Rock, sondern nur noch weichgespülte, US-amerikanische Tresen-Rocker-Nostalgie.
Es ist kompliziert…
„Other Worlds“ ist ein Album, das einfach in keine Schublade passt. Weder ist es einem Genre zuzuordnen, noch ist eine Struktur oder ein logischer Aufbau in den Tracks erkennbar. Ist es nun ein Tribute-Album? Ist es ein Akustikalbum? Warum “Got So High” doppelt?
Viele Fragen bleiben nach dem ersten Hören offen und werden auch beim zweiten und dritten Hören nicht beantwortet. Schiebt man alle Gedanken die nach Ordnung verlangen, beiseite, kann man tatsächlich auch an The Pretty Reckless‘ fünften Longplayer einige gute Momente entdecken wie das düstere, berührende “25” oder die Soundgarden- bzw. Chris Cornell- Cover “Halfway There”, “Louder Love” und “The Keeper”.
Bild: Youtube / The Pretty Reckless – 25 (Acoustic)
Other Worlds
Künstler: The Pretty Reckless
Erscheinungsdatum: 04.11.2022
Genre: Alternative, Rock
Label: Century Media
Medium: CD, Vinyl, etc
- Got So High (Remix)
- Loud Love
- The Keeper (feat. Alain Johannes)
- Quicksand (feat. Mike Garson)
- 25 (Acoustic)
- Only Love Can Save Me Now (Acoustic)
- Death By Rock And Roll (Acoustic)
- Halfway There (feat. Matt Cameron)
- (What's So Funny 'Bout) Peace, Love And Understanding
- Harley Darling (Acoustic)
- Got So High (Albumversion)
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