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Kritik: P.O.D. - "Veritas"

Man muss sich das mal klar machen: P.O.D.-Frontmann Sandoval war seinerzeit schon beispiellos richtungsstark unterwegs. Hatten so manche die Vermutung, ...

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Man muss sich das mal klar machen: P.O.D.-Frontmann Sandoval war seinerzeit schon beispiellos richtungsstark unterwegs. Hatten so manche die Vermutung, seine Dreads wären dem trauten Kirchenkreis nach einer verlorenen Runde „Wahrheit oder Pflicht“ zum Opfer gefallen, so berief sich eben jener Sandoval im Verlauf auf eine ideologische Erklärung seiner sich optisch niedergeschlagenen Grundsatzentscheidung. Und nicht nur das: Er war es Jahre später schließlich auch, der lediglich aufgrund der Verwendung des aus den Buchstaben F, U, C und K bestehenden Wortes im Song „I Am“ förmlich aus eingangs erwähnter Gemeinde gejagt wurde. Da gab’s ganz gewaltig Beef für ihn. Er, gerade er, der das größte und schillerndste Kreuz von allen um den Hals trug, galt noch Jahre später als verstoßen und nahm sich erst einmal Zeit für sich. Doch langsam.

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AN DER SPITZE DES NU METAL

Die aus San Diego, Kalifornien stammenden P.O.D. konnten in letzter Sekunde noch auf den mit einem Affenzahn den Untergrund verlassenden Zug aufspringen. Papa Roach gingen 2000 mit „Last Resort“ komplett durch die Decke, Linkin Park veröffentlichten mit „Hybrid Theory“ fast zeitgleich genau das Album, das ihnen zum ganz großen Durchbruch verhalf. Ende 2001 kamen dann P.O.D. mit „Youth Of The Nation“ aufs Tablett, einem Song, vor dem man sich wenig später schon ducken musste, um nicht an gefühlt jeder Straßenecke davon erschlagen zu werden.

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„VERITAS“: DIE BEREITS BEKANNTEN SINGLES

Das einleitende und gleichsam zusammen mit Randy Blythe (Lamb Of God) vorgetragene „Drop“ hat zumindest noch das, was dem darauf Folgenden leider weitestgehend abgeht: Groove. P.O.D. präsentieren sich zu Beginn tatsächlich noch schmissig und in Ansätzen sogar bissig, auch wenn der eröffnende Song weit entfernt von dem ist, was man gemeinhin als originell bezeichnen darf.  Mit „Afraid To Die“, der zweiten Single, holten sich P.O.D. in der Folge Tatiana Shmayluk (Jinjer) an Bord, welche sich für die gesangliche Überleitung ‘gen Refrain verantwortlich zeichnet.

Aufgewertet werden kann die Komposition dadurch leider nicht wirklich. Auch wenn die Strophe tatsächlich noch gut verdaulich wirkt, schießen Sandoval und Gefolgschaft im Refrain im Eiltempo in Richtung absoluter Beliebigkeit.  Untermalt wird dieser Eindruck noch von „I Won’t Bow Down“, was letztlich dazu führt, dass man sich des Gefühls nicht erwehren kann, man habe versehentlich eine vor einem Vierteljahrhundert versenkte Zeitkapsel geöffnet. Leider erwecken P.O.D. auch nicht den Eindruck, als wollten sie sich von einer Kopie ihrer selbst tatsächlich emanzipieren. Auch „Lies We Tell Ourselves“ gleicht einer inhaltslosen, auf Ballade getrimmten musikalischen Hülse.

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WAS PASSIERT ABSEITS DER SINGLES?

Nach dem bereits bekannten „Drop“ nehmen P.O.D. mit „I Got That“ tatsächlich noch ganz respektabel Fahrt auf. Das hat Schmiss, die pompöse Produktion drückt das Ganze recht basslastig durch die Boxen. Was man für ein überlebensfähiges Songkonstrukt braucht, ist auch anno 2024 zweifelsfrei vorhanden: Strophe, Refrain, nur eben die famosen Ideen lassen in der Folge auf sich warten. Mit „Dead Right“ schöpfen Sandoval und Gefolgschaft spielerisch dann sogar das komplette Spektrum an Ideenlosigkeiten ab, bevor mit „Breaking“ kurz noch einmal Hoffnung aufkeimt, wobei auch hier zu jeder Sekunde mit musikalisch abgegriffenen Mustern gearbeitet wird.

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Gemäß dem Motto „Wer nichts macht, macht zumindest auch nichts falsch“ asen sich P.O.D. mit Powerchords recht antiquiert wirkend durch die neuzeitliche Weltgeschichte und verlieren sich auch lyrisch weitestgehend in sinnleeren Worthülsen. „Veritas“ rauscht somit ohne jedwedes Aufsehen am Hörer vorbei. Ehe sich dieser auch nur in Ansätzen an das Ausbleiben respektabler künstlerischer Ideen gewöhnen kann, ist das Vergnügen auch schon wieder vorbei. Außer einer kurzweiligen Rückschau in Richtung Anfang der 2000er ist die Welt indes die Gleiche geblieben. „We Are One (Our Struggle)“ und „Feeling Strange“ mimen dann die üblichen Klischeeballaden zum wohligen Abschluss, wobei das in seiner im Titel bereits heraufbeschworenen Art, eine menschliche Rettungskette um den Planeten spannen zu wollen, schon schwer konträr zum Zeitgeist ausfällt.

Foto: P.O.D. / Offizielles Pressebild

ALBUM
Veritas
Künstler: P.O.D.

Erscheinungsdatum: 03.05.2024
Genre:
Label: Mascot Records
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Drop (feat. Randy Blythe of Lamb Of God)
  2. I Got That
  3. Afraid To Die (feat. Tatiana Shmayluk of Jinjer)
  4. Dead Right
  5. Breaking
  6. Lay Me Down (Roo’s Song)
  7. I Won’t Bow Down
  8. This Is My Life (feat. Dead American)
  9. Lies We Tell Ourselves
  10. We Are One (Our Struggle)
  11. Feeling Strange
POD Veritas
POD Veritas
5
FAZIT
Man kann nicht einmal sagen, dass P.O.D. mit „Veritas“ sonderlich viel falsch machen. Sie gehen eben nur keinerlei Wagnisse ein und entscheiden sich stattdessen für die stete Wiederholung. Auch damit kann man sicherlich Spaß haben, zur uneingeschränkten Bewusstseinserweiterung tragen die elf neuen Kompositionen jedoch selbstredend nicht bei. P.O.D. kommen der musikalischen Moderne auch mit Album Nr. 11 zwar mancherorts recht nah, prallen kurz vor Aufschlag jedoch gnadenlos wieder ab. Man hätte ihnen diesen letzten großen Auftritt so sehr gewünscht, doch er bleibt aus. Es fehlt dieser Moment, in dem Marcos Curiel das Distortionpedal schlicht und ergreifend beherzt in den Asphalt drückt und „Veritas“ zumindest in Hinsicht auf Lautstärke und Überzeugungskraft zumindest mal kurz ausufern lässt.

Man hätte gut daran getan, den Blick schlicht kurz himmelwärts zu richten und die eigene Quelle der Inspiration um künstlerischen Rat zu fragen. Auch die namhaften Features verhelfen „Veritas“ leider nicht zu einem zeitgemäßen Anstrich, der doch so bitter nötig gewesen wäre. Sandoval ist einfach ein lieber, engagierter Kerl, dessen Band man raten möchte, das eigene, in die Jahre gekommene Denkmal gebührend zu ehren und eben dies eben nicht auf den letzten paar Metern noch mit Pauken und Trompeten einzureißen.