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Review

Alternative Rock

Kritik: Yungblud - „IDOLS“

Yungblud channelt Oasis, The Verve, Coldplay, Robbie Williams.

VON

Dominic Harrison aka Yungblud ist kein Typ für halbe Sachen oder für Understatement. Und deshalb ist der Bruch auf seinem vierten Studioalbum „IDOLS“ auch enorm.

Nach drei Platten, auf denen der Brite als selbsternanntes weird kid zwischen Glam-Punk, Emo-Pathos und Mainstream-Fame tänzelte, ist das ganz große Aufräumen angesagt: musikalisch wie inhaltlich.

Auf „IDOLS“ bricht Yungblud mit vielem, was ihn bisher ausmachte – mit seinem vor jugendlicher Energie fast platzendem Pop-Punk-Sound, mit überzogener Selbstinszenierung und mit dem Image des unangepassten Hyper-Teens.

Stattdessen präsentiert der 27-Jährige ein überraschend gediegenes, durch und durch britisch gefärbtes Rockalbum mit vielen leisen Tönen, orchestraler Opulenz und dem ein oder anderen gelungenen Hymnenmoment.

In seinen besten Momenten klingt „IDOLS“ damit wie das gitarrenlastigere, rockig-rotzigere Album, das Robbie Williams nach seinem Ausstieg bei Take That 1995 nach eigener Aussage hätte machen wollen (und meiner Meinung nach auch sollen).

Oasis und Coldplay statt Led Zeppelin

„IDOLS“ – übrigens als Doppelalbum konzipiert, das Erscheinungsdatum von Part zwei steht allerdings noch in den Sternen – solle klingen, „als ob Led Zeppelin im Jahr 2025 Musik machen würden“, beschreibt Yungblud selbstbewusst sein eigenes, höchst ambitioniertes Ziel für die Platte. Und bevor die Jungs von Greta Van Fleet wütend zum Patentamt marschieren konnten, ließ Yungblud mit der ersten Single aufhorchen:

„Hello Heaven Hello“ ist eine ausufernde neunminütige Rock-Oper, die ganz bewusst und mit jeder Menge Selbstbewusstsein an jeder Radiofreundlichkeit vorbeigeschrieben wurde und sich auf ihrem Weg von catchy Alt-Rock-Hymne zu Classic-Rock-Hommage vor nahezu jedem britischen Musiker bzw. jeder britischen Band verneigt, die ihre Spuren in der Rockgeschichte hinterlassen haben. Vor allem Led Zeppelin, The Who und Queen scheint Dominic „Yungblud“ Harrison beim Songwriting viel gehört zu haben. Sogar Black Sabbath kann man zwischendurch erahnen.

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Für alle, die sich nach der ersten epischen Single ein tief im Classic- und Hard-Rock verwurzeltes Album erhofft hatten, habe ich an dieser Stelle aber eine schlechte Nachricht: „Hello Heaven Hello“ ist der einzige Song, der in diese Richtung geht. Der einzige Song, der sich so richtig was traut und bei all seiner Hybris einfach extrem abwechslungsreich und spannend ist.

Der Rest von „IDOLS“ ist ebenfalls eine tiefe Verneigung – aber vor all den Britrock- und Britpop-Idolen, die sich zwischen 1995 und 2005 in den Charts tummelten.

Das nach dem Opener folgende „Idols Pt. 1“ gibt die Richtung vor.

Der Titeltrack ist stilsetzend für „IDOLS“

„Idols Pt. 1“ punktet zunächst mit opulentem Aufbau, schön eingesetzten Streichern und Britpop-typischer Balladen-Hook. Leider müssen wir dazu die jauligste Version von Yungbluds Stimme ertragen. Und auf Strecke bleibt „Idols Pt. 1“ zudem sehr blass, bleibt nicht hängen und kann sich so nie über den Status als Hommage erheben.

Ganz anders sieht es glücklicherweise mit „Lovesick Lullaby“ aus. Die zweite Singleauskopplung zeigt, was die Kombination aus Yungblud, Britpop und dezenten Classic-Rock-Einsprinklern leisten kann, wenn die Mischung stimmt.

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Der Anfang channelt Oasis, im Kontrast dazu stehen die im rotzigsten Britisch vorgetragenen Sprechgesang-Strophen. Die Hook hat genau die richtige Portion Poppigkeit und ein leicht psychedelisch, wieder an Led Zeppelin – oder besser noch die Beatles – erinnerndes Akustikgitarren-Zwischenspiel macht „Lovesick Lullaby“ endgültig zum zweiten Highlight auf „IDOLS“.

Yungblud ist immer noch nicht subtil – aber reifer

Wenn Yungbluds Lyrics eins nie waren, dann subtil. War auch nie gewollt, passte nie zu seinem extravaganten Stil. Und auch in den drei Jahren zwischen dem letzten, selbstbetitelten Album und „IDOLS“ ist aus Dominic Harrison kein Nobelpreis-gewinnender Bob Dylan geworden. Dennoch ist seine Schreibe deutlich gereift. Bestes Beispiel auch hier: „Lovesick Lullaby“.

Der Titel droht zwar Emo-Kitsch an, stattdessen bekommen wir aber ein lose erzähltes Fragment aus Clubnächten, Fehleinschätzungen und Selbstmedikation. „I went out with a girl, right? But I should’ve gone out with her mate instead“ – direkt, persönlich, britisch. Statt große Statements gibt’s hier beiläufige Alltagsfetzen, in denen die emotionale Orientierungslosigkeit irgendwo in den Zeilen hängt.

Auch „Zombie“ ist kein Emo-Drama mit Pathos-Garantie, sondern eher eine ermattete Zustandsbeschreibung. „Would you even want me looking like a zombie?“, fragt Yungblud immer wieder – und bringt damit das Gefühl auf den Punkt, nur noch zu funktionieren, aber emotional längst weg zu sein. Der Song ist ein weiteres Beispiel für dieses neue Textverständnis: weniger plakativ, mehr müde. Es geht nicht um Rebellion, sondern um Erschöpfung. Um eine Art von Liebe, die einen auszehrt, statt aufzubauen.

Energie, wo bist du?

Apropos „Zombie“. Der als dritte Single beginnt mit sanfter, dezenter Instrumentierung und steigert sich im weiteren Lauf zu einem von Streichern und Yungbluds Stimme getragenen Sehnsuchtsfetzen The Verve’schen Ausmaßes. Irgendwo geht das schon ans Herz – aber zum ersten Mal fragt man sich bei diesem Album, wo denn die unbändige Energie bleibt, die die Musik des jungen Briten sonst so geprägt hat und die auch zumindest im epischen Opener noch greifbar war.

Da ist es gut, dass mit „The Greatest Parade“ erst mal noch einer der stärksten Songs der Platte wartet. Er startet schon vielversprechend mit etwas mehr Tempo und liefert dann einen hymnischen 2000er-Refrain (erneut The Verve sowie Coldplay lassen grüßen), der den Song zum vielleicht mitreißendsten auf „IDOLS“ macht.

Dafür sorgt im Übrigen auch die von der ersten bis zur letzten Note hochklassige Produktion. „IDOLS“ wurde spürbar mit viel Liebe zum Detail arrangiert. Streicher, Chöre und klassische Rockinstrumente greifen passgenau ineinander, ohne überladen zu wirken. Alles klingt warm, organisch – das Gegenteil des überproduzierten Autotune-Gewitters früherer Singles. Dynamischen Spannungsbögen, wie eben in „The Greatest Parade“, gewinnen so an emotionaler Tiefe.

Es hakt manchmal am Feuer, an der Brillanz im Songwriting – aber klanglich ist „IDOLS“ Yungbluds bislang reifstes Werk.

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Hochklassige Instrumentierung meets schläfriges Songwriting

Halbzeit!

Dem opulenten Opener und den beiden starken (Halb-)Balladen „Lovesick Lullaby“ und „The Greatest Parade“ stehen mit „Zombie“ und vor allem „Idols Pt. 1“ zwei nur selten einnehmende Nummern gegenüber. Und leider muss ich an dieser Stelle sagen: Die zweite Hälfte von „IDOLS“ knüpft leider genau an diese beiden Nummern an und nicht an die Hit-Tracks.

„Change“ trumpft erneut mit erstklassigem Orchestereinsatz auf, das im letzten Drittel von einem nicht weniger hochklassigen Gitarrensolo kontrastiert wird – reißt vom Songwriting her aber kaum mit. „Monday Murder“ setzt da noch einen drauf, dümpelt unspektakulär vor sich hin und wirkt so wie eine uninspirierte Blur-B-Seite. Wieder fragt man sich zwangsläufig: Wo zur Hölle ist die Energie von Yungblud geblieben?!

Auch „Ghosts“ braucht dann fast dreieinhalb Minuten, bis der Song über einen zerbrechlichen Britpop-Schunkler herauswächst und doch noch überzeugt. Immerhin: Synthies, stampfender Bass, Streicher und Gitarre brechen die Songstruktur komplett auf, lassen eine gewisse Epik erwachsen – der Startschuss zu einem Finale Furioso?

Grüße von Kasabian!

Die ernüchternde Antwort: nicht so richtig.

„Fire“ channelt zwar kurz Nirvanas „All Apologies“ und bewegt sich mal ein bisschen Weg vom Britpop Einmaleins, erinnert stattdessen mehr an die Mischung von Britrock und Classic-/Psychedelic-Rock der frühen Kasabian, kann abgesehen davon aber auch nicht vollends überzeugen.

Ähnlich verhält es sich mit dem folgenden „War“. Kein schlechter Song mit hymnischem Aufbau und starkem Streicher-Einsatz – aber halt auch more of the same. Eine sich tief vor Oasis, The Verve und Co. verneigende Schmachtballade.

Und auch „Idols Pt. 2“ sowie der Closer „Supermoon“ können das Album nicht mehr herumreißen. Ersterer ist nicht mehr als ein Piano und Stimme reduzierter Callback auf den Anfang des Albums – so weit, so eintönig.

„Supermoon“ schaukelt sich mit Stimme, Piano und dann einem Chor zu einer sehr glatten Britpop-Nummer, die perfekt ins Repertoire einer Robbie-Williams-B-Seite der späten 1990er gepasst hätte.

ALBUM
Idols
Künstler: Yungblud

Erscheinungsdatum: 20.06.2025
Genre: , ,
Label: Locomotion/Island Records
Medium: Streaming, CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Hello Heaven, Hello
  2. Idols Pt I
  3. Lovesick Lullaby
  4. Zombie
  5. The Greatest Parade
  6. Change
  7. Monday Murder
  8. Ghosts
  9. Fire
  10. War
  11. Idols Pt II
  12. Supermoon
6
FAZIT
Yungblud zeigt hörbar, dass er musikalisch wachsen will. Eingebettet ist dieser Reifungsprozess in eine herausragende Produktion, durch die gerade das Orchester viel Platz zur Entfaltung erhält. Und mit „Hello Heaven Hello“ hören wir den wohl ambitioniertesten Song des Jahres, dazu noch eine Handvoll solider bis guter Britrock-Hits. Aber ausgerechnet der Mut zur Reife macht das Album über weite Strecken zu beliebig. Wenn beim Songwriting früher nicht alle Räder ineinandergriffen, pumpte Yungblud immerhin seine unbändige Wut und Energie zwischen die Noten. Genau dieser Trumpf fehlt den mal ergreifenden, mal unspektakulären, mal kitschig-rührseligen Britpop-Hommagen.