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AlternativeRapRock

Kritik: Ferris MC - "Alle hassen Ferris"

Wer wie Sascha Reimann in einem so genannten sozialen Brennpunkt wie Bremen-Tenever aufwächst und als Jugendlicher keine Drogenerfahrung auslässt, hat ...

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Wer wie Sascha Reimann in einem so genannten sozialen Brennpunkt wie Bremen-Tenever aufwächst und als Jugendlicher keine Drogenerfahrung auslässt, hat eigentlich schon genug für ein ganzes Leben erlebt. Besagter Sascha Reimann stellte dann allerdings Anfang der 2000er zunächst als Ferris MC die deutsche Hip-Hop-Szene auf den Kopf, war ab 2008 als Ferris Hilton einige Jahre mit Deichkind unterwegs und startete schließlich 2019 noch einmal eine ganz neue Karriere als Punk-Rocker. Das gefällt ihm und seinen Fans offensichtlich so sehr, dass mit „Alle hassen Ferris“ inzwischen Album Nr. 3 in die Plattenläden kommt.

Erhielt das zusammen mit Madsen aufgenommene Album „Wahrscheinlich Nie Wieder Vielleicht“ noch eher durchwachsene Kritiken, so kam „Missglückte Asimetrie“ schon deutlich besser an. Es schien, als sei Ferris in seiner neuen musikalischen Heimat angekommen. Und auch „Alle Hassen Ferris“ startet direkt mit einer Aggressivität, die einem jegliche Pandemie-Trägheit aus dem Körper schüttelt.

Ferris MC macht es sich um Punk-Rock bequem

An einer lauen Produktion wird dieses Album jedenfalls nicht scheitern – und im Übrigen auch nicht an den Lyrics, denn die sind zwar ferris-typisch eher einfach, aber eben auch direkt und authentisch gehalten. Keine Übertreibungen, keine Geschwafel, sondern direkt aus dem Kopf aufs Papier – das war schon zu Hip-Hop-Zeiten eine der großen Stärken des Wahl-Hamburgers.

Musikalisch hingegen sind die sehr schlicht gehaltenen Arrangements nicht unbedingt ein Grund zu grenzenloser Freude, denn hier wäre etwas mehr Kreativität nicht verkehrt gewesen. Dennoch: Der Opener und Titeltrack „Alle Hassen Ferris“ ist definitiv ein Ohrwurm, der Spaß macht. Er wird dann aber noch von „Partisanen“ übertroffen, der nicht nur das Zeug hat, auf jeder Party rauf und runter gespielt zu werden. Nein, er hat auch lyrisch einiges zu bieten und ist wahlweise als Hommage oder als Abrechnung mit Ferris-Deichkind-Zeit zu sehen.

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Und auch „Alles außer Kontrolle“ kann das hohe Niveau problemlos halten. Lyrisch hier und da ein bisschen viel Wortspielerei, aber weiterhin ein äußerst positiver Gesamteindruck, wobei die Inhalte keineswegs positiv sind. Aber auch das ist eine Stärke von Ferris MC. Er kann düstere Texte in Songs verpacken, ohne entweder völlig in eine depressive Stimmung zu verfallen oder maßlos zu übertreiben. Authentisch eben.

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Leider schafft es Ferris MC nicht, das enorm starke Niveau der ersten Tracks über die gesamte Platte zu halten. „Was ist geblieben“, das er im Duett mit Dag von SDP singt, hat zwar auch einige starke Passagen, kommt aber im Ergebnis doch als etwas zu generische Deutschrock-Nummer daher.

Viel Kreativität

Da zeigt Ferris sich auf „Alle hassen Ferris“ musikalisch und textlich in vielen Songs deutlich kreativer. Zum Beispiel in einem Song wie „Freizeit und Kuchen“, wobei es ihm hier mit der Kreativität ein wenig durchgegangen ist – oder man muss den Song als moderne Antwort auf Udo Jürgens „Aber bitte mit Sahne“ sehen.

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Doch es ist auch in der zweiten Albumhälfte längst nicht alles schlecht – „Bye Bye Bye“ mit Labelkollege Swiss ist wohl der ruhigste Song der Platte, was ihn neben dem prominenten Gast zu einem absoluten Highlight des Albums macht. Swiss bekommt dann zum Ende des Albums ein weiteres Mal ein Feature. „Skid Row“ mit Unterstützung von Shocky und Swiss knüpft an die Ohrwurm-Garanten vom Beginn der Platte an und sorgt für den mehr als positiven Gesamteindruck.

Bild: Offizielles Cover-Artwork zu „Alle hassen Ferris“

ALBUM
Alle hassen Ferris
Künstler: Ferris MC

Erscheinungsdatum: 17.06.2022
Genre: , ,
Label: Arising Empire
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Alle hassen Ferris
  2. Partisanen
  3. Alles außer Kontrolle
  4. Was ist geblieben
  5. Anger Management
  6. Freizeit und Kuchen
  7. Bye Bye Bye
  8. Dein Liebling
  9. Schatzi hat gesagt
  10. Hass macht hässlich
  11. Funny Games
  12. Skid Row
  13. Igkf
  14. Freizeit und Kuchen mit FiNCH
Ferris Alle hassen Ferris
Ferris Alle hassen Ferris
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FAZIT
Was kommt wohl, wenn Ferris MC irgendwann der Punk Rock-Phase entwachsen wird? Daran will man jedenfalls nach dem Hören von „Alle hassen Ferris“ noch nicht denken, denn Punk-Rock steht dem Multitalent Sascha Reimann schon ziemlich gut. So gut, dass er uns gleich mit mehr als einer Handvoll überragender Songs beschenkt. Natürlich gehört es auch zur Wahrheit, dass er hin und wieder etwas überdreht und einige Songs auch etwas lieblos und uninspiriert daherkommen. Weil das aber nur für einige Ausnahmen gilt, bleibt am Ende der Eindruck einer rundum gelungenen Punk-Rock-Party.