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AlternativeNu Metal

Kritik: Emil Bulls - "Love Will Fix It"

Hochbegabung und herausragende Intelligenz machen einsam, sagen sie. Die Hürde sei schlicht und ergreifend zu hoch, sein hoch dotiertes geistiges ...

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Hochbegabung und herausragende Intelligenz machen einsam, sagen sie. Die Hürde sei schlicht und ergreifend zu hoch, sein hoch dotiertes geistiges Eigentum mit anderen Menschen zu teilen. Und tut man es dennoch, ist man gleich der hochnäsige Schnösel, dem stündlich dahin getreten gehört, wo sich schlichtweg keinerlei Hirnmasse findet.

Mit Problemen wie diesen hatten die Emil Bulls in all den Jahren glücklicher Weise nie zu kämpfen. Und eben in der Mitte der Gesellschaft gilt es halt vorerst eben andersartige Probleme zu lösen, so etwa: Trage ich meine Basecap mit oder gegen die Windrichtung ausgerichtet? Sonnenbrille auch dann, wenn keine Photovoltaikanlage dieser Welt auch nur eine mickrige Kilowattstunde produziert?

Emil Bulls: AUSBLEIBENDE VERÄNDERUNG ALS TEIL DES PLANS

Die Emil Bulls sind und waren stets eine Band, die ob ihres am Mainstream angelehnten musikalischen Ansatzes vergleichsweise stark polarisiert. Und zefix, was sind diese in der Raucherecke der Klosterschule formierten Bayern hartnäckig! Wo etwaige musikalischen Zeitzeugen längst das Zeitliche gesegnet haben oder grundsoliden Jobs nachgehen, da haben die Emil Bulls als kulturelle Instanz sogar die Begrifflichkeit Alternative überlebt. Und eben das bei gleichbleibendem musikalischen Ansatz. Der Effekt bliebe der gleiche – ob man nun die Emil Bulls auf musikalische Weiterentwicklung anspräche oder den Papst mitten im Vatikan nach dem nächstgelegenen Kondomautomaten fragte.

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BEWÄHRTES KONZEPT NEU IN SZENE GESETZT

Nach dem 2017er Album „Kill Your Demons“ erscheint mit „Love Will Fix It“ ein aus zwölf Songs bestehender Longplayer, bei dem auf den ersten Blick erst einmal einiges stimmt: Der grundlegende Sound des süddeutschen Quintetts macht einen zeitgemäßen Eindruck und die Produktion wirkt durchweg ambitioniert wie druckvoll zugleich. „The Devil Made Me Do It“ und „Whirlwind Of Doom”, die Vorboten von “Love Will Fix It” schlagen in musikalischer Hinsicht in genau die Kerbe, die für die Emil Bulls seit knappen drei Dekaden funktioniert. Sehr riffbetonte Strophen treffen auf melodiös angelegte, eingängige wie andererseits auch zutiefst vorhersehbare Melodien. Damit macht man auch heuer sicherlich recht wenig falsch, läuft aber zeitgleich auch nicht Gefahr, als sonderlich innovativ zu gelten. Die darauf folgende Single „Love Will Fix It“, der Titelsong des Albums, ist eine in Klischees gebadete Ode, mit der sich die Emil Bulls zumindest selbst ein Denkmal setzen. Wenngleich sich hier auch erste hitlastige Stärken der Band offenbaren, gleicht ein jeder Herzschlag des wohlwollenden Hörers doch einem Hoffentlich, die Band werde nicht in ihrem eigenen Rockstar-Pathos ertrinken.

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DEZENTE GRENZERFAHRUNGEN AUF „LOVE WILL FIX IT“

In lyrischer Hinsicht dringen Von Freydorf und Gefolgschaft nie zu dicht zur menschlichen Seele vor, was aufgrund ihres immens ausgeprägten Unterhaltungsanspruchs jedoch den damit verbundenen Ansprüchen auch vollends Genüge tut. Aber wenn man sich im Leben in einer tiefen Sinnkrise befinden sollte oder aber sich sogar schon an einem waschechten Abgrund befindet, dann wäre der Griff der Wahl sicherlich ohnehin auch nicht der nach einem Album der Emil Bulls.

STILZITATE AUF GANZER LINIE

„Backstabbers“ ist der den Riffpit eröffnende Statuserhalt einer Band, die insbesondere zu Beginn und binnen weniger Takte recht effektlastig begreiflich machen möchte, im Laufe der Jahre nicht weniger relevant geworden zu sein. Mit „Happy Birthday You Are Dead To Me“ kuscheln sich die Emil Bulls dann doch eine Idee zu nah an Limp Bizkit heran, nur um mit „Leviate“ dem Metal dann gänzlich den Rücken zu kehren und einen ersten feuerzeugtauglichen Schwof einzubauen.

„Sick“ ist die Art Song, den du hören möchtest, wenn deine Angebetete dich auf der Wiesn für den käsigen Nik Nocturnal, der gerade „How to Emil Bulls in 30 seconds“ abgedreht hat, hat stehen lassen. Der Song trieft ‘gen Mittelteil so sehr, dass es tatsächlich auch niemanden mehr wundern würde, wenn eben dieser ihr pünktlich zum Refrain auch noch einen mannsgrossen, weißen Plüschelefanten in die Arme drückt.

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„She Ain‘t Coming Home No More“ zeigt zu Beginn noch seine breite Schulter, nur um dann wenig später im Refrain selbst den hartgesottensten Metaller zum melodischen Gegröl einzuladen. „Dreams And Debris“ als auch „Oceans Of Grief“ sind kurz vor dem pompösen Finale recht mittelprächtige und in Maßen ausgegorene wie ausgeklügelte Alternative-Songs mit wenig Hang zu erinnerbaren Melodien. Anders da „Together“ – hier lassen die Emil Bulls lyrisch keinerlei Klischee aus und lassen gleichsam Abermillionen von rosafarbenen Ballons von der Decke regnen. Wer über seinen Schatten springen kann, der fällt seinem Nebenmann spätestens jetzt ohne jedwede Hintergedanken in die Arme. Und ob nun gewollt oder nicht, intelligent oder geistlos, niveauvoll oder auf stumpfe Art und Weise: Hier schaffen die Bulls dreieinhalb Minuten in Töne gefassten Weltfrieden. Und lassen daran hoffentlich nicht lediglich bierselige Bayern teilhaben.

Foto: Janis Hinz / Offizielles Pressebild

ALBUM
Love Will Fix It
Künstler: Emil Bulls

Erscheinungsdatum: 12.01.2024
Genre: , ,
Label: Arising Empire
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Backstabbers
  2. The Devil Made Me Do It
  3. Happy Birthday You Are Dead To Me
  4. Levitate
  5. Whirlwind Of Doom
  6. The Ghost That You Have Called
  7. Love Will Fix It
  8. Sick
  9. She Ain't Coming Home No More
  10. Dreams And Debris
  11. Oceans Of Grief
  12. Together
Emil Bulls Love Will Fix It
Emil Bulls Love Will Fix It
6.5
FAZIT
Die Wahrheit ist die: Bedenkt man, dass die Emil Bulls im Laufe der Jahre nie vorgaben , die geistige Elite dieser unseren Lebenswelt zu repräsentieren und es ihnen immer genug war, sich selbst aus unsäglich vielen musikalischen Zitaten zu definieren, so haben wir es noch immer mit einer Band zu tun, die steten Output produziert, der schließlich den Ansprüchen kurzweiliger Unterhaltung genügt. Live - und das hat bestimmt bereits jeder erlebt - funktioniert das ohnehin.

Und ob es nun zeitlose Songs wie „The Jaws Of Oblivion“, „Newborn“ und heute „Together“ sein werden oder aber aus der Vergangenheit bekannte Rockstar-Rituale, an die man sich im Zeitalter Post-Alternative erinnern wird, das haben sie glücklicherweise immer noch selber in der Hand.

Man würde sich wünschen, die Bulls konzentrierten sich weiterhin gänzlich fokussiert auf ihre unbestritten noch immer vorhandenen musikalischen Qualitäten. State of the art ist das, was sie anno 2024 fabrizieren, schließlich noch immer. „Love Will Fix It“ ist in diesem Zusammenhang und auf dem langen Weg der Band ein weiteres Ausrufezeichen.