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Interview

„Vive la France!“ – Unser Doppel-Interview mit Hangman’s Chair und Celeste

Magnifique!

VON AM 30/06/2021

Hangman’s Chair und Celeste sind erst kürzlich zum Roster von Nuclear Blast Records gestoßen. Beide Bands beweisen die enorme Qualität, die uns im benachbarten Frankreich erwartet. In einem Doppelinterview mit MoreCore.de erzählen die beiden Bands, was es mit dieser wachsenden Qualität, dem Hype um französischen Metal und dem französischen Metalmekka Hellfest auf sich hat.

Ursprung

Dass wir immer mehr französische Bands auf deutschen Bühnen sehen und ein Label wie Nuclear Blast Records sich nun auch auf den französischen Markt konzentriert, hängt mit der wachsenden Professionalität der Szene zusammen. Sowohl Hangman’s Chair als auch Celeste kennen die französische Szene bestens. Dabei kommen beide Bands aus Großstädten unseres Nachbarlandes. Neben den Wurzeln in der Hardcore-Szene haben beide Bands allerdings wenig musikalische Überschneidung. Hangman’s Chair, die aus Paris kommen und mit ihrem modernen Doom-Sound aus der Hardcore Punk-Szene entstammen. Und Celeste, die ihren Sound zwischen Black Metal, Sludge und Hardcore am ehesten als Post-Metal beschreiben. Der Fakt, dass es beide Gruppen seit etwa 15 Jahren gibt und sie nun beide beim selben Label unterschrieben haben, offenbart aber viele Erkenntnisse.

Veränderung und wachsende Professionalität

In der französischen Szene hat sich in diesen 15 Jahren viel geändert. „Es gibt nicht viele Unterschiede für uns selbst, außer, dass wir älter geworden sind, viele Erfahrungen gemacht haben und es internationaler wurde.“, so Mehdi von Hangman’s Chair. „Die Szene hat sich allerdings geändert“, fügen Celeste an. „Früher war das eine total enge Szene, die immer wieder zu den Konzerten kam. Heutzutage sieht man die Leute nicht mehr. Natürlich gibt es ein paar, die immer noch kommen, aber es wurden immer weniger. Vielleicht hat das auch mit der neuen Generation zu tun.“ Eine Generation und Szene, die Musik grundsätzlich anders kreiert als die beiden Bands, wie sich herausstellte.

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„Es hat sowohl mit der Szene als auch mit den Bands zu tun, denke ich. Die französische Metalszene ist ziemlich klein. Wir kennen uns alle und ich denke wir merken alle, dass viele neue Bands professioneller an die Sache gehen. Es gibt eine ganze Welle an neuen Bands, die großartige Dinge machen und mit einem unfassbar professionellen und ambitionierten Anspruch angefangen haben. Wir waren eher Underground, haben schlechte Gear gespielt und noch viel schlechtere Orte besucht.“, so Celeste.

Doch ist es dann zwangsläufig einfacher für jüngere Bands, oder gar schwieriger, weil das Level der Professionalität immer höher wird?

„Ich denke nicht, dass es einfacher ist. Aber man kann sich einfacher an anderen großen Bands orientieren, schauen welche Gear sie nutzen und das auch auf sich selbst adaptieren.“, so Mehdi. „Es gibt aber viel mehr Sichtbarkeit“, sagt Julien. „Du kannst im Netz so viel einfacher gefunden werden als früher. Außerdem ist es viel einfacher geworden, Musik aufzunehmen. Wir konnten das damals nur im Studio. Mittlerweile kann es fast jeder mit wenig Aufwand von zu Hause aus.“

Sowohl für Hangman’s Chair als auch für Celeste ist es undenkbar, Musik am Rechner oder im Schlafzimmer zu schreiben, wie Mehdi sagt: „Wenn wir Songs schreiben, dann müssen wir die Musik fühlen. Das geht nur im Proberaum. Viele neue Bands haben einiges an technischen Dingen zur Verfügung und sie haben vielleicht noch nie im Proberaum einen Song geschrieben. Für uns ist das undenkbar.“ Auch Celeste sehen es ähnlich: „Wir müssen spüren, wie sich das anfühlt, denn für uns ist Musik immer etwas was mit Gefühlen zu tun hat.“

Die Suche nach den nächsten Gojira

Dass französischer Metal einen Imagewechsel erfahren hat, hängt mit den Role Models ihrer Szene und deren Erfolgen zusammen. „Bands wie Gojira und Alcest haben definitiv die Türen für französischen Metal eröffnet. Aber auch Dagobah, die man außerhalb von Frankreich vielleicht nicht so sehr kennt, waren da sehr wichtig. Nun hört man sich französischen Metal eher an, weil das Image durch diese Bands besser geworden ist.“ So berichten beide Bands, dass es einfacher geworden ist zu touren, weil die Reputation größer geworden ist. Celeste hoffen indes, dass es erst der Anfang ist, denn „Gojira werden größer und größer und wir hoffen, dass es noch weiter so geht.

„Gojira und Alcest haben die Tore für uns eröffnet.“

„Ich denke, viele Labels versuchen jetzt die nächsten Gojira zu finden.“, sagen Celeste. „Sie suchen kleine und mittelgroße Bands und versuchen das Talent zu finden, um sich an die Erfolge von Gojira zu hängen.“ Vor ein paar Jahren wäre das für Hangman’s Chair nicht denkbar gewesen, dass ein deutsches oder englisches Label nach einer französischen Band sucht, die es schafft, den Durchbruch zu schaffen. Jetzt, dass es diese professionellen Vorbilder gibt, hat sich das geändert.“

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Und wer sind denn die nächsten Gojira? „Das sind Hangman’s Chair, haha.“, scherzt Celeste. „Nein Spaß, ich würde sagen, dass Gojira vielleicht die nächsten Metallica sind.“ In allererster Linie sind beide Bands froh über die Sichtbarkeit, die sie mit dem Labelsigning von Nuclear Blast bekommen haben. „Wir werden nicht wie Gojira, denke ich, weil wir anders klingen und einen anderen Ansatz wählen.“, so Hangman’s Chair. „Es gibt so viele Bands, die wir vielleicht gar nicht auf dem Schirm haben, weil sie noch nicht allzu lange existieren. Lasst uns abwarten und sehen was passiert!“

Gegenseitiger Support innerhalb einer überschaubaren Szene

Hangman’s Chair wurden im Dezember 2019 eingeladen die Pariser Band Mass Hysteria auf ihrer, bis dato, größten Show zu supporten. Eine Situation, die die Band sehr wertschätzte. „Wir waren unfassbar in einer solchen Venue zu spielen. Das zeigt, dass die französische Szene stark zusammenhält. Aber eigentlich sind wir eine Club- und Festival-Band.“ In Deutschland sind es auch die Clubs, in denen man sowohl Hangman’s Chair als auch Celeste am ehesten antrifft. Zwar war es für die Pariser anfangs schwer einzuschätzen, als sie mit Samael auf Tour gingen, so Mehdi. „Wir wussten nicht was wir erwarten sollten, weil uns keiner kannte. Aber die Fans haben uns gefeiert, das war großartig.“

Unterschiede zwischen Fans in Deutschland und Frankreich sehen beide Bands. „Anfangs haben wir viele Shows in Deutschland gespielt und da waren viele betrunkene Menschen, haha. Aber ich erinnere mich daran, dass die deutschen doch etwas mehr wertschätzend waren.“ Auch Julien von Hangman’s Chair merkt an, dass die deutsche Metalszene viel größer ist. „Es ist eine richtige Kultur in Deutschland, das macht einen großen Unterschied.“

Das Hellfest / at home

Dieses Jahr gibt es das Hellfest pandemiebedingt nicht in gewohnter Form. Stattdessen gibt es ein Hellfest At Home, das einige Bands aus der französischen Szene präsentiert. Unter anderem auch Hangman’s Chair und Celeste.

Den Film „Happy Metal – Love Is In The Air”, der die Geschichte einer aufstrenden, französischen Black Metal-Band erzählt, die auf dem Weg zum Hellfest ist um dort zu spielen, kannten beide Bands nicht. Doch auch über die Metalcommunity ist das Hellfest zu einer Institution und einem Urlaubsziel geworden.

„Hellfest ist für uns das größte Festival in Frankreich und vielleicht eines der größten in Europa. Es ist immer ausverkauft und es ist egal welche Bands kommen, die Leute sind immer da.“, sagen Hangman’s Chair. „Anfangs war das Hellfest nur ein Event für ein paar Tausend Menschen mit Metalheads. Aber mittlerweile gehen auch Menschen hin, die gar keinen Metal hören, weil es eine riesige Experience ist mit allem drum und dran.“, so Celeste. „Es geht darum, Menschen zu treffen, gemeinsam Bier zu trinken und den Moment zu genießen. Ich frage mich noch wie das online gehen soll, aber das wird schon.“

Mit dem Hellfest At Home zeigt die französische Community einmal mehr ihren Zusammenhalt, den gegenseitigen Support und die enorme Qualität, die Frankreich zu bieten hat. Nächstes Jahr spielen Hangman’s Chair übrigens wieder auf dem richtigen Hellfest Open Air und können es kaum erwarten. Auch für Celeste, die gerade ihr neues Album vollenden, wird die Zukunft spannend.

Wir freuen uns indes auf weitere Diamanten der französischen Metalszene und begleiten die Suche nach den nächsten Gojira!

Fotos: De Bethune (oben) / Nuclear Blast (unten) / Offizielle Pressebilder

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