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Live bei: Core Fest 2022 in Stuttgart (17.09.2022)

Core für die Massen.

VON AM 23/09/2022

Wenn sich ein Musikmagazin MoreCore.de nennt, hat es natürlich auch auf einem Festival aufzutauchen, das jenen Genre-Titel ebenfalls im Namen trägt. Und ja man kann behaupten, dass der Name Core Fest (bis auf eine kleine Headliner-Ausnahme) auch Programm war. Was am 17. September so Im Wizemann in Stuttgart mit Konzerten von ganzen 13 (!) Bands abging, erfahrt ihr hier.

Wer bereits freitags unterwegs war, hatte an diesem Samstagvormittag des 17. September 2022 sicherlich ein Problem, denn bereits um 12.30 Uhr Ortszeit öffnete der Stuttgarter Szene-Club Im Wizemann für die Zweitausgabe des noch jungen Core Fest Germany 2022 seine Türen. Ganze 13 lokale sowie internationale Bands gaben sich die Klinken auf zwei Stages in die Hand – und jep, der Begriff passt ziemlich gut, bedenkt man, dass es immer nur fünf Minuten (Bier-)Pause zwischen den Künstlern gab. Wenn wir mal ganz ehrlich sind, gab es aber sonst auch keine Möglichkeit, so viel Musik an einem Tag durchzuballern.

Aufwärmphase mit Escape The Void, Elwood Stray und Rising Insane

Um 13.30 Uhr eröffnen die Karlsruher Metalcore’ler von Escape The Void die diesjährige Ausgabe des Core Fest. Tatsächlich ist schon um diese unchristliche Uhrzeit so einiges los vor der Mainstage und die ersten, noch recht bröckeligen Wall Of Deaths brechen über das mosh-willige Publikum herein. Auch die ersten Violent-Dancer sind am Start, doch das ist noch gar nichts im Gegensatz dazu, was uns den restlichen Tag noch anrempeln soll. Das Quintett sorgt für ordentlich Stimmung und kann deshalb trotz noch recht miesen Hallen-Sounds als Opener überzeugen.

Escape The Void

Escape The Void

Escape The Void

Escape The Void

Escape The Void

Escape The Void
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Die Location füllt sich wirklich schnell, die Leute sind früh auf. Bereits zu Elwood Stray ist die kleine Club-Halle voll mit baden-württembergischen Metalfans, wobei sich einige aber auch auf den Außenbereich und die „Kantine“ zum Rauchen und Bierkonsumieren verteilt haben. So wird schnell deutlich, dass die Club-Stage zu keinem Act des Tages alle Core Fest-Gäste beheimaten kann, was nun zu Beginn noch nicht so ins Gewicht fällt wie zu den späteren Acts.

Da es nun beginnt, in Strömen zu regnen, ist auch bald nichts mehr mit draußen chillen und es geht von den Essener Hardcorern straight weiter zurück zur Hauptbühne und damit zu Rising Insane. Ein Name, der im Metal-Biz etwas öfter fällt, vor allem natürlich wegen ihrem sehr gelungenem The Weeknd-Cover von „Blinding Lights“. Die Band wirkt routiniert und professionell, Sänger Aaron Steineker hat das Publikum voll unter Kontrolle. Er sorgt durch einige authentisch-wirkende Ansprachen und Interaktionen wie gemeinsame Gesangsparts mit dem Publikum für Stimmung: Erste Crowdsurfer fliegen über die Menge. Die Band aus Bremen kann wirklich überzeugen.

Rising Insane

Rising Insane

Rising Insane

Rising Insane

Rising Insane

Rising Insane
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Bergfest mit Aviana, The Oklahoma Kid, Unprocessed und Betraying The Martyrs

Mittlerweile ist bereits (oder erst?) kurz nach 15 Uhr und wir beschließen, nach den ersten drei Konzerten eine kleine Verschnauf-Pause einzulegen. Denn auch wenn das Konzept, alle Bands auf zwei Bühnen zu verteilen und sie nie gleichzeitig spielen zu lassen, den Raum lässt, theoretisch jeden Auftritt miterleben zu können, ist uns dies an jenem Tag schlicht und ergreifend zu viel. Vor allem da nur fünf Minuten Pause zwischen jeder Show liegen.

Zurück an der Mainstage bemerken wir, wie stickig (stinkend) und warm es hier drin bereits geworden ist. Die Luftfeuchtigkeit steigt und steigt, ein Dunst aus Regen, Schweiß und Bier liegt in der Luft. Man merkt zwar auch das gelüftet wird bzw. eine Art von Klima-Anlage versucht diesen Siff aus der Halle zu bekommen, diese muss sich allerdings den Ausdünstungen mehrerer hundert junger Core-Heads geschlagen geben. Naja. Wieder zurück zur Musik.

Die schwedischen Metalcorer von Aviana (natürlich aus Göteborg, glaube langsam das diese Stadt die Wiege des schwedischen Metals ist) mischen nun das Nachmittags-Publikum so ordentlich auf. Die Fläche vor der Mainstage ist proppenvoll und das zu Dreiviertel unbekannte, maskierte Quartett sorgt für ordentlich Bewegung – nicht nur in den Kopf- und Nackenpartien. So langsam kommt das Violent-Dancing-Thema auf den Tisch. Die 2016 gegründete Kombo begeistert in neuer Zusammensetzung mit taufrischen modernen, harten sowie sanften Core-Klängen.

The Oklahoma Kid haben wenig später zu Beginn ihres Auftritts etwas mit Tonschwierigkeiten zu kämpfen. Als Nichtkenner fragt man sich zunächst, ob die die Robo-Vibes in den Vocals echt wären, sie stellen sich aber zum Glück als Soundfehler heraus. Zwischenzeitlich gibt es dann aus dem schnurlosen Mikro gar keinen Laut mehr, so dass Sänger Tomm Brümmer auf einen der Backvocal-Singkolben umschwingen musste – nicht ganz optimal. Die norddeutsche Bande aus Rostock ist allerdings so Show-approved, dass es problemlos weitergehen kann und sowohl auf als auch vor der Stage ordentlich abgedanced und mitgesungen wird.

The Oklahoma Kid

The Oklahoma Kid

The Oklahoma Kid

The Oklahoma Kid

The Oklahoma Kid

The Oklahoma Kid
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Dass der anfängliche Sound hier einige Schwächen hat sowie das Licht den gesamten Abend über mehr einer Strobo-Party gleicht als einer Konzert-Beleuchtung, fällt hier als eine der wenigen Schwächen in der Organisation des Core Fests ins Gewicht. Eventuell hätte es doch noch etwas mehr Food-Auswahl geben können, denn wirklich vielfältig war das Essens-Line-Up mit (veganer) Currywurst und Nachos nicht (vor allem, auch weil die Chili-Cheese Soße nicht von einer Bechamel unterschieden werden konnte). Da vielleicht doch beim nächsten Mal einen Foodtruck ordern, mit knurrendem Magen macht das Headbangen dann doch nur halb so viel Spaß.

Für mich ein kleines Highlight war der Auftritt von Unprocessed, den es eigentlich gar nicht gegeben hätte. Denn die experimentellen Progressive-Metaller sind an diesem Samstag um 17.10 Uhr nur auf der Mainstage zugegen, da zuvor die eigentlich angekündigten Heart Of A Coward absagen mussten. Und auch wenn Unprocessed nicht wie die Faust aufs Auge in das Line-Up des Core Fests passen, sorgen sie für eine willkommene musikalische Abwechslung bestehend aus harten Metal- und sanften Einspielern, kontrastierenden gutturalen und klaren Vocals sowie verspielten Gitarrenparts mit Djent-Einflüssen. Die Wiesbadener kommen mit einem kraftvollen Ende zum Abschluss und machen die Bühne frei für Betraying The Martyrs.

Ein gar nicht so übler Übergang von Unprocessed zu BTM, denn auch die französischen Metalcore-Experten bieten einen schönen Mix aus ruhigeren, melodischen Passagen und Auf-die-Fresse-Breakdowns. Die vielleicht bekannteste Band des Abends kommt sowohl mit neuem Material von ihrer im Juni erschienenen EP „Silver Lining“ um die Ecke als auch mit ihrem neuen Singvogel Rui Martins, der die Show damit ankündigt, dass erste Mal in Deutschland aufzutreten – und der lief definitiv sehr gut, können wir dir jetzt sagen, Herr Martins!

Violente Zielgerade mit Necrotted, Nasty und Paleface

So, wer bis jetzt noch nicht genug auf die Fresse gekriegt hat, wird bei den folgenden drei Gruppierungen sein oder ihr blau geflecktes Wunder erleben. Bei Necrotted ist bereits kurz nach Beginn des Gigs kein Durchkommen mehr. Der Sänger mit der charakteristischen Handzitter-Bewegung fragt die Menge nach dem Opener „Darf’s ein bissel Geballer sein?“ und genau das beschreibt den Auftritt der Death-Metaller doch sehr gut. Hämmernde Blast-Beats und eine brutale-Vocal-Wand brechen auf das Publikum nieder und heizen das bereits animierte Publikum erst recht an ihre Arme durch die Gegend schwingen und die Füße hochreißend in die Luft treten zu lassen.

Necrotted

Necrotted

Necrotted

Necrotted

Necrotted

Necrotted
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

In bester Violent-Dancing-Manier geht’s weiter mit den Kings des Beatdown-Hardcores aus Belgien: Nasty. Tatsächlich zusammen mit Paleface auch der heimliche Core-Headliner des Abends. Der ganze Tag fühlte sich wie ein Aufwärm-Programm für genau diese zwei Bands an, beobachtete man die unzähligen mit Fanshirts-Bekleideten am Armdehnen und Hufe scharren. Und wie zu erwarten, gibt es bei Nasty kein Halten mehr. Bereits zum fragwürdigen Hip-Hop-Opener („Gib Ihm! Gib Ihm!“) gibt’s vor der Mainstage auf die Fresse und als dann die wirklichen Riffs, Drums und Spits ausgepackt werden, sieht man nur die Halle sich in einen um sich schlagenden Menschen-Mosh verwandeln, der egal, wo man auszuweichen versucht, zu folgen scheint – spaßig.

Nasty

Nasty

Nasty

Nasty

Nasty

Nasty
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Und als hätte es bei Nasty nicht schon genug auf die Nase gegeben, gibt’s die Fortsetzung bei Paleface in der Club-Halle – für diese Band ein leider etwas zu klein geratener Raum, der sehr schnell viel zu voll ist, sodass einige Minuten vor Auftrittsbeginn kein Durchkommen mehr möglich ist und es auch zu einem Einlass-Stopp kommt. Zugegeben – ganz so wild wie bei ihren Vorgängern geht’s hier nicht zur Sache, einige der Metalheads müssen erstmal ihre Wunden lecken.

Paleface

Paleface

Paleface

Paleface
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Die Schweizer Beatdown-Band durfte sich die letzten Monate über eine schnell wachsende Fanbase freuen, die ihnen einige deutsche hochkarätige Festival-Auftritte einbrachte, wie beispielsweise beim Summer Breeze Open Air. Und auch heute merkt man wieder, wie krass Paleface gerade im Kommen sind, denn die Halle bebt, die Menge ist textsicher und das Quartett feiert den Abriss Im Wizemann, den sich das Core Fest-Team wahrscheinlich auch so in seinen kühnsten Träumen erwünscht hat.

Paleface

Paleface

Paleface

Paleface
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Ein sanfter Riese zum Schluss: Emil Bulls als Headliner

Doch an dieser Stelle ist es noch nicht vorbei, zumindest nicht für den Teil der Festival-Besucher:innen, die sich auf den langen Weg nach Stuggi gemacht haben, einzig und allein für den Headliner des Abends – die guten alten Emil Bulls aus München. Denn was sich ebenfalls über den Tag bemerkbar gemacht hat, ist, dass man das Publikum gut und gerne in zwei Gruppen einteilen kann: Metalcore-Menschen und Emil-Bulls-Fans.

Nicht, dass sich dies komplett ausschließt, doch man merkt schon den musikalischen Unterschied zwischen dem Headliner und den zwölf Bands davor, die einen Metalcore-Spannungsbogen bis hin zu Nasty und Paleface aufgebaut haben, der sich dann schließlich bei deren Shows mit großem Knall entladen konnte.

So ist die Mainstage fünf Minuten nach dem Auftritt von Paleface und während des Emil-Bulls-typischen Indiana-Jones-Intro quasi wie leergefegt. Einige Ultra-Fans der Band kreisen in der Mitte des Saals und dürfen, nachdem der Vorhang fällt, auch endlich zu ihren Lieblingstracks abgehen. Von „The Age Of Revolution“, über „Euphoria“ bis „Worlds Apart“ sind alle typischen EB-Nummern am Start, wobei man schon das Gefühl bekommt, dass die Band sich Mühe gegeben hat, ein etwas härteres Programm auf die Beine zu stellen, um auch die Violent-Dancer abzuholen – was auch teilweise gelingt. Die Halle füllt sich während den ersten Tracks wieder, es wird allerdings nie wieder so voll und eskalativ wie bei Nasty (zum Glück…).

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Die Emil Bulls bereiten als melodische Alternative-Metal-Band mit ruhigen, hymenhaften Klängen aber auch Tracks mit harten Riffs, treibenden Drums und sich abwechselnden Shouts und Clean Vocals, dem doch recht anstrengenden, langen und aggressiven Tag einen entspannten und emotionalen Abschluss, auch wenn es bei ihrem Auftritt wohl die höchste Crowdsurfer-Dichte aller Auftritte des Core Fest gab.

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls

Emil Bulls
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

Core Fest 2022 – Ein Band-Marathon der Core-Szene

Während die Organisation des Festivals, wie bereits erwähnt, nicht sehr viele Wünsche offen ließ (was bei der Menge an umher wandelnder Crew-Mitgliedern auch kaum verwunderlich war), arbeiten wir das nächste Mal noch etwas am Band-Booking, liebe Veranstalter:innen. Denn wie ich meinen Bericht schreibe, fällt mir auf, dass es sonst nicht viel zu gendern gibt. Keine einzige Frau durfte am Samstag die Bühne des Core Fest rocken und auch wenn die Szene klar männerdominiert ist, sollte man das nicht auf den Bühnen fortführen. Ansonsten lässt sich in Zukunft bestimmt auch noch an den Baustellen Food und Running-Order-Konzept arbeiten, vielleicht das nächste Mal ein, zwei Bands weniger, dafür etwas Raum für Bier- und Pipi-Pausen.

Spaß hat es vor Ort trotzdem sehr viel gemacht und kennen zu lernen gab es auch einiges. Es gab ständig Musik und vor allem regionale Bands zu entdecken, recht erschwingliches Bier zu kurzen Wartezeiten, genug sanitäre Möglichkeiten und mit seinen zwei Stages und dem Empfangs- und Außenbereich des Wizemanns eine gute Location in Stuttgart. Das Core Fest würde ich definitiv für jeden Hardcore-Fan der Szene weiterempfehlen.

Beitragsbild im Auftrag von MoreCore.de: Pia Böhl (piaboehl)

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