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Review

Emo Pop-Punk

Kritik: Hot Mulligan - „The Sound A Body Makes When It’s Still“

Eine Platte, die gleichzeitig lacht, schreit und weint.

VON

„Post-Emo“ – so beschreibt Gitarrist Ryan Malicsi die Musik von Hot Mulligan in unserem Interview.

Eigentlich als Witz geboren, passt der Begriff inzwischen wie ein abgetragenes, aber geliebtes Bandshirt. Und wer sich die neue Platte anhört, merkt schnell: Die selbst geschaffene Genre-Bezeichnung ist definitiv nicht nur ein Gag, sondern ein ziemlich treffsicherer Versuch, etwas zu benennen, das zwischen Emo-Nostalgie, Pop-Punk-Energie und schonungsloser Selbstentblößung schwebt.

„The Sound A Body Makes When It’s Still“ ist das vierte Album der Band – und wahrscheinlich ihr ernstestes. Aber ohne jemals den Humor zu verlieren, der Hot Mulligan seit dem Debüt „Pilot“ (2018) begleitet. 16 energiegeladene Songs, darunter zwei Interludes, Songtitel, die klingen wie schlechte Meme-Templates, und Texte, die dir ohne Vorwarnung in die Magengrube treten.

Entstanden ist das alles ohne große Vorplanung: Fünf Leute in einem Raum, Ideen, die sich gegenseitig zuwerfen, bis ein Song fertig ist. Zumindest hat Gitarrist Ryan uns das so erzählt. Aber es gibt keinen Grund, ihm nicht zu glauben: Exakt so klingt die Platte – roh, spontan, ungekünstelt.

Hot Mulligan gelingt der Spagat zwischen Intimität und Hit-Appeal

Der Opener „Moving to Bed Bug Island“ täuscht erst einmal an: sanfte Akustikgitarre, fast zerbrechlicher Gesang – bevor das Quintett aus Michigan mit voller Wucht einsetzt. Screams mischen sich mit klaren Vocals, die Drums treiben den Song nach vorne. Genau dieser Wechsel zwischen verletzlicher Intimität und eruptivem Ausbruch setzt den Ton für das ganze Album.

„And A Big Load“ – die erste Single und definitiv der größte klassische Hit der Platte – ist das Paradebeispiel für diesen Spagat: ein von Gitarren und Drums angetriebener Pop-Punk-Song mit einer Hook, die nach Stadion schreit, während der Text sich aus Selbsthass, Reue und suizidalen Gedanken zusammensetzt. Ein Song, der einen gleichzeitig hochzieht und zu Boden drückt.

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„It Smells Like Fudge Axe in Here“ knüpft soundtechnisch an, startet mit twinkly Gitarren, treibt nach vorne und hat nur marginal weniger Hitpotenzial. Der Song klingt so, als wäre er direkt aus einer verschwitzten Proberaum-Session gefallen – und genau so war es laut Band ja auch.

Die zweite Single-Auskopplung „Island in the Sun“ (feat. Cory Castro) zeigt anschließend wohl am deutlichsten, wie perfekt Hot Mulligan inzwischen ineinandergreifen. Gitarren, Drums, Gesang – alles wirkt aus einem Guss, befeuert sich gegenseitig, ohne dass einer der Beteiligten die Führung übernimmt. Man spürt hier das „fünf Typen im Raum“-Prinzip in Reinform.

„This Makes Me Yummy“ und „This Makes Me Yucky“ sind zwei kurze Interludes: stimmungsvoll, fragmentarisch, die 16 Songs starke Platte auflockernd, etwas mehr „snackable“ machend. Nicht mehr und nicht weniger.

Zwischen den beiden Interludes wartet mit „Carbon Monoxide Hotel“ einer der intensivsten Tracks der Platte: hymnische Emo-Melodien, ein Breakdown, der nicht durch Härte, sondern durch schleichende Spannung wirkt – und ein Text, der so offen mit Todessehnsucht umgeht, dass man fast erschrickt, wie mitsingbar er verpackt ist.

„Wie brutal ehrlich sollen eure Lyrics sein?“ Hot Mulligan: „JA!“

Apropos Texte. Lyrisch schlägt „The Sound A Body Makes When It’s Still“ noch härter in die Magengrube als die Vorgänger. Frontmann Tade Sanville schreibt und singt so intim, als würde nur er selbst zuhören. „Nothing good can come of me until I’m gone. I’m just a burden.“ – eine dieser Zeilen, die hängenbleiben, weil sie so direkt sind, dass man fast weghören will.

In „Island in the Sun“ steckt die ganze Spirale aus Selbstekel und Betäubung in einem Refrain. „I want to want nothing“ – der Wunsch, gar nichts mehr zu wollen, um nicht ändern zu müssen, was man ändern sollte. Es sind diese Sätze, die sich vollkommen aus Emo-Pathos heraushalten und sich stattdessen in blanker, unpoetischer Ehrlichkeit suhlen.

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Wie schon erwähnt, lebt auch „And A Big Load“ vom Kontrast: Die Musik treibt nach vorne, während der Text jede Selbstachtung zerlegt. „Still a part of me wants to get better“ – Hoffnung und Resignation in einem Atemzug.

„Slumdog Scungillionaire“ arbeitet als vorletzter Song Textzeilen aus dem ganzen Album ein, wie ein lyrischer Rückblick auf alles, was vorher kam. Es ist fast so, als würde die Band sagen: Wir wissen, was wir euch gerade zugemutet haben – und hier ist nochmal eine kurze Zusammenfassung, bevor wir euch gehen lassen.

Den emotionalen Schlusspunkt setzt „My Dad Told Me to Write a Nice One for Nana So This Is It“. Nur Akustikgitarre und zarte Stimme, ein Abschied von Tade an seine Großmutter, die ihn mit großgezogen hat. Kein Happy End, aber ein Moment der Wärme – und der Beweis, dass Hot Mulligan ihre Energie auch beiseite lassen und leise sein können.

Hot Mulligan bleiben ihren DIY-Wurzeln treu

Trotz gewachsenem Erfolg – Tour mit Pierce The Veil, Festivalslots am Abend, Vinyl-Varianten in allen erdenklichen Farben – ist „The Sound A Body Makes When It’s Still“ weit weg von einem glattpolierten Hochglanzprodukt. Und das ist ausnahmslos positiv gemeint. Die Produktion setzt auf Dynamik, nicht auf klinische Perfektion. Das sorgt dafür, dass sich die Songs nie wie kommerzielle Produkte, sondern wie zutiefst ehrliche Momentaufnahmen anfühlen.

Foto: Kaytlin Dargen / Offizielles Pressebild

ALBUM
The Sound A Body Makes When It’s Still
Künstler: Hot Mulligan

Erscheinungsdatum: 22.08.2025
Genre: , ,
Label: Wax Bodega
Medium: Streaming, CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Moving to Bed Bug Island
  2. And a Big Load
  3. It Smells Like Fudge Axe in Here
  4. Island in the Sun (feat. Corey Castro von Free Throw)
  5. Bon Jonah
  6. This Makes Me Yummy
  7. Monica Lewinskibidi
  8. Milam Minute
  9. Cream of Wheat of Feet New Cream of (feat.)
  10. Mix Master Wade On The Beat
  11. Carbon Monoxide Hotel
  12. This Makes Me Yucky
  13. Let Me See Your Mounts
  14. Monster Burger and a $5 Beer
  15. Slumdog Scungillionaire
  16. My Dad Told Me To Write a Nice One For Nana So This Is It
8.5
FAZIT
„The Sound A Body Makes When It’s Still“ ist eine Platte, die gleichzeitig lacht, schreit und weint. Sie ist roh, manchmal sperrig, oft eingängig, immer ehrlich. Wer die Band nach diesem Album noch als „die mit den lustigen Songtiteln“ abtut, hat nicht hingehört. Wer hinhört, bekommt eine der intensivsten, menschlichsten Platten des Jahres.