
Review
Alternative Emo Rock
Kritik: Dashboard Confessional - "All The Truth I Can Tell"
Wenn man sich das Line-Up des aktuell viel diskutierten When We Were Young Fests anschaut, ist es vor allem spannend ...
VON
Malin Jerome Weber
AM 22/02/2022
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Wenn man sich das Line-Up des aktuell viel diskutierten When We Were Young Fests anschaut, ist es vor allem spannend darüber nachzudenken, wie sich die großen Emo-, Punk- und Alternative-Acts der 2000er über die Jahre entwickelt haben. Während manche Bands mittlerweile in anderen Besetzungen unterwegs sind (Blink-182) und andere wiederum ihren Stil komplett verändert haben (Paramore), bewegen sich viele Acts aber auch nicht wirklich aus ihrer Komfortzone heraus und bleiben ihrem Sound treu. Wo reihen sich dort Dashboard Confessional ein?
Dashboard Confessional legen mit neuem Album nach
Das ursprünglich als Singer-Songwriter-Projekt gestartete Projekt von Frontmann Chris Carrabba kam gegen Ende der 2000er nach dem Release von erfolgreichen Platten wie “The Places You Have Come To Fear The Most” (2001) und “Dusk And Summer” (2006) beinahe zum Stillstand. Nun, etwas mehr als zehn Jahre später, steht der Release ihres neunten Studio-Albums “All The Truth I Can Tell” bevor.
“Honesty was at the heart of the writing process, at the heart of the recording process and at the heart of this collection of songs.”
War ihre Comeback-Scheibe “Crooked Shadows” (2018) noch von hymnischen Rock-Songs mit starken Einschlägen aus Pop und Electro geprägt, so kehrt Carrabba hier zu den Singer-Songwriter-Wurzeln des Projekts zurück und präsentiert mit “All The Truth I Can Tell” ein sehr reduziertes, folkiges Album, das seine volle Stärke über die Fokussierung auf Akustikgitarren und seine markante Stimme ausspielt. Einen Großteil der Songs schrieb Carrabba alleine über einen kurzen Zeitraum von gerade einmal zehn Tagen. Dies zeichnet sich vor allem im Soundbild der Platte ab: Nur in den nötigsten Momenten stoßen Backing Vocals, Klangteppiche und kurze E-Gitarren-Soli hinzu, um den Songs ausreichend Luft zu lassen.
Der Opener “Burning Heart” ist gleichzeitig der erste für das Album geschriebene Song und setzt mit seinem folkigen Ansatz den Grundton der Platte. Besagten Song schrieb Carrabba backstage bei einem Konzert in Manchester und performte ihn nicht einmal eine Stunde später. Diese direkte Art – was das Textliche und die Darbietung des Songs angeht – ist hier deutlich spürbar und bildet zugleich eine der größten Stärken des Albums. Lyrisch ist “All The Truth I Can Tell” die unverblümte Selbstreflexion eines Künstlers, der seine Gedanken über sich, seine Beziehungen, seine Vergangenheit und seine Gegenwart gerade heraus präsentiert.
“I was absolutely not thinking about any other person that might hear this. I was only thinking about me. But I can’t tell you I’m super comfortable with that idea in any other aspect of my life, except when it comes to writing songs.”
Auch wenn das Album noch vor der Corona-Pandemie geschrieben wurde, so kommt es gerade sowohl für Hörer*innen als auch für Carrabba selbst zu einem sehr passenden Zeitpunkt heraus. Nicht nur passt die Platte perfekt zu den letzten kalten Wintertagen, die man Zuhause auf der Couch verbringt; sie passt ebenso zu dieser Zeit der Ungewissheit, in der man viel Zeit mit sich selbst verbringt und sich dabei noch besser kennen lernen kann. Für Carrabba bildet die Platte einen Neuanfang, der für ihn nach schwierigen Jahren mit der Absage der Tour zum 20-jährigen Bandjubiläum sowie einem schweren Motorradunfall in 2020 wohl sehnlichst erwartet wurde.
Das vorab als Lead-Single veröffentlichte “Here’s To Moving On” fängt diese Gefühle des Wiederaufbruchs – die hoffentlich auch uns nach knapp zwei Jahren Pandemie bevorstehen – am besten ein und hebt sich mit wunderschönen Gesangsharmonien und einem zum Mitsingen anregenden Chorus zum stärksten Song der Platte ab.
Insgesamt wechselt das Pacing im Laufe des Albums mehrere Male von sanfteren (“Sleep In”, “Young”) zu kraftvolleren Songs (“Southbound & Sinking”, “Sunshine State”), was dem eher begrenzten Sound der Platte sehr zu Gute kommt. “Pain Free in Three Chords” und “The Better of Me” kommen sogar mit Drums daher; diese sind aber auch im Mix etwas zurückhaltender platziert, um die Fokussiertheit der Songs nicht zu gefährden. Letzterer versprüht sogar einen leichten Midwest-Emo-Vibe und kann vor allem mit einem fantastischen Gitarrensolo punkten.
Höhen und Tiefen
Wie viele Alben verliert “All The Truth I Can Tell” leider im zweiten Drittel etwas an Spannung, nichtsdestotrotz handelt es sich hier aber natürlich um ein Singer-Songwriter-Album, dem man das auf jeden Fall verzeihen kann. Die Platte funktioniert immer noch hervorragend als Gesamtwerk und ist wie schon erwähnt perfekt um an einem ruhigen Sonntag oder bei einem schönen Spaziergang darin zu versinken.
Den einzigen größeren Kritikpunkt bilden stellenweise die Vocals. Auch wenn diese sich größtenteils wunderbar in die rohe Produktion der Platte einfügen, so müht sich Carrabba stellenweise ein wenig zu sehr ab, gerade bei “Everyone Else Is Just Noise” und “Sunshine State”.
“Dashboard Confessional is about the acceptance that life is challenging, the guts to let yourself feel that and the gratitude to allow yourself to speak it, without self-judgement.”
Schlussendlich fällt “All The Truth I Can Tell” weitaus ruhiger als gewohnt aus, sowieso im Vergleich zu den Platten mit voller Bandbesetzung, aber auch weniger punkig als die frühen Singer-Songwriter-Alben. Dennoch sollte das Album ihre 2000er-Hörerschaft auf keinen Fall vergraulen. Ebenso Fans von Jimmy Eat World, Taking Back Sunday, City & Colour oder den letzten Alben von den Killers oder Taylor Swift könnten mit der neuen Platte von Dashboard Confessional definitiv ihre Freude haben.
Foto: Lupe Bustos / Offizielles Pressebild
All The Truth That I Can Tell
Künstler: Dashboard Confessional
Erscheinungsdatum: 25.02.2022
Genre: Alternative, Emo, Rock
Label: Hidden Note Records (Rough Trade)
Medium: CD, Vinyl, etc
- Burning Heart
- Everyone Else Is Just Noise
- Here's To Moving On
- The Better Of Me
- Southbound and Sinking
- Sleep In
- Me And Mine
- Sunshine State
- Pain Free In Three Chords
- Young
- All The Truth That I Can Tell
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