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Interview

The Deadnotes: “Die Definition von Punk ist in Deutschland sehr engstirnig”

Außenseiter in einer in sich gekehrten Szene.

VON AM 06/10/2023

“Ich bin einfach Fan von großen Rockbands. Je größer und je krasser, desto besser. More is more, immer!”. Dass man diesen Satz von einer Band wie The Deadnotes hört – die im kreativen Kern nur aus zwei Mitgliedern besteht – kommt schon mit einer gewissen Ironie daher. Aber Darius (Gesang, Gitarre) und Jakob (Bass, Gesang) stehen voll und ganz hinter der Entscheidung, sich ihrer Zukunft als Duo zu stellen. “Allen ist klar: ‘So können die die Musik nicht live spielen.’ Sprich’: Wir haben keine Limits und können uns dazuholen wen wir wollen.” Ihre aktuelle EP “Forever Outsider” mag so vielleicht erst der Anfang einer musikalischen Reise sein, der keine Grenzen gesetzt sind.

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Dass sich The Deadnotes nach ihrer über zehnjährigen Karriere an so einem Punkt wiederfinden, ist nicht selbstverständlich. Darius stellt es als schönste Erkenntnis heraus, auf ihre umfangreichen Erfahrungen zurückzublicken, aber trotzdem nicht einmal den Hauch von Stagnation zu verspüren. “Jetzt gerade fühlt es sich so an, als würde man nochmal mit einer neuen Band starten.” Den Grundstein für ihre neue EP legte mit Sicherheit bereits ihre 2021er Doppelsingle, die schon erstmals andeutete, wie sich die Freiburger über das Soundbild einer klassischen Rockband hinweg entwickelten. “Forever Outsider” sollte aber nun nochmal einen draufsetzen: “Mit dieser EP war uns zum ersten Mal bewusst, wo wir sein wollen und wo wir hin wollen.”

The Deadnotes erreichen einen Meilenstein

Auch wenn sie mit “Courage” (2020) ein von Kritik und Fans gefeiertes zweites Album herausgebracht haben, war für The Deadnotes eins vollkommen klar: “Diese ganze Emo-Punk-Geschichte ist für uns musikalisch und inhaltlich auserzählt, selbst wenn das viele Leute gut fanden.” Durch ihre Entscheidung als Duo weiterzuarbeiten, verschob sich das Songwriting aus dem Proberaum weg vor den Computer. Auch wenn die Band es scherzhaft als “unromantisch” bezeichnet, lassen sich die Vorteile dieser Herangehensweise nicht von der Hand weisen. “Wir haben keine Limits und können jeden Quatsch machen.” Die aktive Suche nach dem Ungewöhnlichen begleitete diesen Prozess.

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Regelmäßig stellte sich die Band Fragen wie: “Was wäre jetzt die allerdümmste Idee? Was wäre das blödeste Instrument, das wir gerade reinpacken können? Was wäre der weirdeste Shit?”. So führte beispielsweise das Experimentieren mit Group Shouts im Song “Dog Years” zu den auf der EP mehrfach gefeaturten Kinderstimmen. “Auch wenn man jetzt nicht gerade die beste Idee hat, kann man mal auf ein paar Knöpfe drücken und gucken, was passiert.” Aber auch ihr langjähriger Freund Paul Hofer-Bottomley begleitete die Produktion als regelrechte Wildcard und bereicherte die Songs mit warmen Pianoklängen, verspielten Saxophon-Soli und markanten Percussion-Patterns. “Er ist ein unfassbarer Musiker, der sofort checkt, was da gerade Sinn macht.”

Nicht vor Genregrenzen haltmachen

Die Zusammenarbeit mit Paul – der als Mitglied der Band Fatcat musikalisch eher aus dem Funk/Soul-Bereich kommt – stellen die Deadnotes als handfesten Beweis dafür heraus, wie sehr sich der Blick über den eigenen Tellerrand lohnt. “Wir wollen das aktiv, dass Leute involviert sind oder Kollaborationen entstehen mit Menschen, die nicht ganz genau aus derselben Ecke kommen. Das macht es spannend.” Mit “Forever Outsider” setzt sich für die Band ein Prozess des Herauslösens aus festgelegten Genreschubladen weiter fort. Darius hält sehr klar fest, dass er sich in Szenekontexten sowieso nie sonderlich wohl gefühlt habe und den weitreichenderen Blick über das Musikgeschehen schätzt.

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Diese Perspektive hilft ihnen gemeinsam mit ihren Erfahrungen auch bei ihrer aktuellen Neudefinition als Band. Während sich die Deadnotes mit großen Genrebegriffen wie Rock, Indie oder Pop noch gut anfreunden können, distanzieren sie sich zunehmend vom Begriff des Punk – zumindest auf deutscher Ebene. “Die Definition von Punk ist in Deutschland sehr engstirnig. Die Punkszene, in der wir unterwegs waren, ist für mich eine sehr alternde Masse, die sehr konservativ unterwegs ist und sich sehr wenig öffnen will.” Im Gegenzug dazu fängt die englische Auffassung von Punk alles ein, was der Band persönlich wichtig ist: Die Freiheit, musikalisch das zu tun, was man möchte.

Was ist die Bedeutung von Punk?

Ein Punkt, den beispielsweise auch die Elektropunk-Band Kochkraft durch KMA in ihrem Interview mit uns verfestigte. “Das zu machen, was man möchte und Leuten auf der Nase rumzutanzen, kann ganz verschiedene Formen annehmen.” Darius und Jacob führen weiter aus, dass sich dem englischen Punkbegriff sowohl sie selbst mit ihrem musikalischen Ansatz, als auch die Band im AZ mit Songs gegen den Staat unterordnen könnte. Generell stellen die Freiburger die Musikszene auf der Insel als offener und diverser dar, während sich in Deutschland zu sehr auf Genres und Trends fokussiert wird. Ein Umstand, der dazu führt, dass The Deadnotes musikalisch fast schon in einer Außenseiter-Position dastehen.

Aber wie sie es schon passenderweise auf ihrer EP besingen, ist es vollkommen okay, genau dort zu stehen, wo man steht. “Wir wollen einen Raum als Außenseiter für Außenseiter gestalten.” So setzt sich die Band klar das Ziel, die Leute ins Boot zu holen, die auch wirklich Bock auf ihren Sound haben, anstatt die Normen einer Szene zu erfüllen, der sie sich nicht zugehörig fühlen. Aber so schön positive Reaktionen darauf, gute Kritiken oder ein mitsingendes Publikum auch sind – Jakob hält fest, dass es beim Musikmachen um etwas ganz anderes geht. “Als ich mir die EP nach dem Release noch ein paar Mal angehört habe, habe ich nochmal gemerkt, dass es am wichtigsten ist, wie man seine Musik selbst findet.”

Noch einige Male live in diesem Jahr

The Deadnotes haben gerade erst ihre ersten Shows in Vierer-Besetzung gespielt, sind aber jetzt bereits hungrig auf ein Wiedersehen mit der “loneliest (but also coolest) gang in town”. Mit Sicherheit würden sich Darius und Jacob auch über einige Gesichter aus der MoreCore-Community im Publikum freuen. Bevor ihr allerdings weiterlest, um euch die Konzerttermine zu Gemüte zu führen, muss ich euch noch eine wichtige Botschaft der Band weiterleiten. “Seid manchmal ein bisschen höflicher in euren Kommentarspalten.” Nicht nur in unseren Interviews wird Liebe gepredigt und verbreitet, sondern auch an folgenden Terminen:

15.11.2023 – DE – Weltkunstzimmer, Düsseldorf
16.11.2023 – DE – MTC, Köln
14.12.2023 – AT – Rhiz, Wien
16.12.2023 – DE – ArTik, Freiburg

Foto: Bernhard Schinn, Paul Ambrusch / Offizielles Pressebild

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