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Interview

Kochkraft durch KMA im Interview: “Wir gehen auch gerne Leuten auf den Zeiger.”

Zu ihrem neuen Album und der Cock-am-Ring-Kampagne.

VON AM 16/12/2022

Kochkraft durch KMA – die selbsternannten Prophet:innen der “Neuen Deutschen Kelle” – haben das vielleicht wichtigste Jahr ihrer Bandkarriere hinter sich. Irgendwo zwischen der Initiierung einer Feminismus-Kampagne und dem Release ihres zweiten Albums stellen Keyboarderin Nicki Frenking und Drummer Beray Habip aber vor allem eins fest: “Eine Band ist wie eine Ehe, nur mit drei Personen.” Voller Liebe erzählt Letzterer wie sehr er selbst vollgepackte Wochenenden mit seinen Bandkolleg:innen schätzt: “Das sind schon wirklich die drei Leute, mit denen ich Bock habe, Zeit zu verbringen.”

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Kochkraft durch KMA im Interview

Auch Nicki kommt nicht drum herum, die Band als “das Beste, was ihr hätte passieren können” zu bezeichnen. Vor allem in ihrer eher vom Geigenspiel dominierten Vergangenheit wurde ihr oft genug das Gefühl gegeben, ohne ein bestimmtes Level überhaupt nicht Musik machen zu „dürfen“. In einer Band wie Kochkraft durch KMA aber stehen das “Experimentieren”, das “Machen” und das schlichte “Bock haben” auf der obersten Tagesordnung. “99% der Ideen, die in den Raum geworfen werden, kriegen halt eine Chance.” Dieses Streben nach neuen Sounds ist auch deutlich auf ihrer neuesten Platte “Alle Kinder sind tot” zu spüren.

Zwischen Düsternis und Verspieltheit

Hört man sich das Album genau an, so stehen lyrisch oft gesellschaftliche Abgründe und der fragile Zustand der Welt im Fokus. Transportiert werden diese Inhalte natürlich oft wie im Falle des Titeltracks mit ordentlicher Härte, bei vielen anderen Tracks aber mit einer gewissen Verspieltheit und Absurdität. “Der Spaß ist die Notwendigkeit, weil es so schwere Themen sind.” Nicki und Beray ziehen hier eine Verbindung zum Albumtitel. “Das kleine, innere Kind – das immer Quatsch machen will – darf nicht immer raus.” So lebt die Band quasi direkt aus, was sie in der Welt bemängeln: Sie lassen ihr inneres Kind frei – eben weil es gerade so ernst ist.

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“Auf einmal liegt man lachend und weinend vor Schmerzen auf dem Boden und kommt nicht klar.” Die Spitze ihrer Ausuferungen erreichen Kochkraft durch KMA dabei definitiv mit Stücken wie “Tanz mit Attitüd’” und “Moonwalk durch die Nachbarschaft”. Bei Letzterem hatte die Band das Gefühl, nach dem zweiten Refrain bereits alles gesagt zu haben und ließ daraufhin ihrer Kreativität in der Postproduktion freien Lauf. “Wir können uns das leisten, dass der Track die ganze Zeit schneller und in jedem Takt einen Halbton höher wird, weil wir Bock drauf haben. Es ist das, wie wir uns ausdrücken. Wir gehen auch gerne Leuten auf den Zeiger.” Nicki bezeichnet diese Herangehensweise als eine Form von Punk.

Autohupen & Hundegebell

Den dunklen Hintergrund ihrer Platte vergessen Kochkraft durch KMA aber zu keiner Sekunde. “Erstmal muss man diesen Gefühlen begegnen, bevor man wieder konstruktiv werden kann.” Nicki und Beray beschreiben die Arbeit an “Alle Kinder sind tot” als natürlichen Prozess des “Reinhorchens” in sich selbst, sowie den darauffolgenden Ausdruck von Emotionen und täglicher Verzweiflung, die auch vor der Band nicht halt macht. So sind alle Songs von Alltagssituationen inspiriert, die Kochkraft durch KMA als sehr diverse Band durchleben. Andere Stücke wie “Mancave” fanden ihren Ursprung relativ zufällig während eines Probengesprächs, in dem Beray sogar erstmals überhaupt von der Existenz sogenannter “Mancaves” erfuhr.

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Kochkraft durch KMA machen sicherlich keinen Hehl aus, das Thema Sexismus sehr direkt in ihrer Musik zu adressieren. Laut Erzählungen von Nikki findet sich die Band selbst oft in Situationen wieder, in denen ihr nicht die Verkabelung ihres Equipments zugetraut oder Sängerin Lana lediglich für die Mercherin und nicht etwa für eine vollwertige Musikerin gehalten wird. Männer dominieren die Szene. Ein Umstand, der die Band inspirierte, in diesem Jahr ihre eigene Initiative mit dem Namen “Cock am Ring” zu starten. “Klar, wir sind eine politische Band, aber wir haben nie in dem Sinne politische Aktionen gemacht.”

Unsichtbares sichtbar machen

Auf der Zielscheibe von Cock am Ring landeten zunächst die großen deutschen Festivals aufgrund mangelnder FLINTA-Beteiligung. Begleitet wurde ihre Aktion von einem großen Sampler, und im September auch von einem eigenen Festival in Münster. Nicki und Beray beschreiben die Arbeit am Projekt als sehr “aufregend und empowernd” und hatten eingangs gar nicht so viel Zuspruch und positive Reaktionen erwartet. Vielmehr hätten sie Anfeindungen von Seiten der Festivals oder Fans aufgrund der Provokation nicht verwundert. Am Ende des Tages blickt Nicki aber sehr zufrieden auf die Aktion zurück: “Wir haben einen Diskurs vielleicht einen 1cm weiter angeschoben.”

Ob uns im kommenden Jahr eine Fortsetzung von Cock am Ring in Form von weiteren Samplern oder Konzerten erwartet, lässt die Band zu diesem Zeitpunkt offen. Momente wie beim Auftritt von Kochkraft durch KMA auf dem Bochum Total-Festival zeigen jedoch immer wieder, dass es in Deutschland noch Redebedarf gibt und Leute mehr sensibilisiert werden müssen. Beray beschreibt die Situation in Bochum folgendermaßen: “Da kann man nochmal ganz einfach und ganz simpel auf die Probleme zeigen. Aber am liebsten wär mir natürlich, wenn das überhaupt nicht passieren würde.”

Bald wieder auf Tour

Zum Abschluss haben Nicki und Beray noch eine ganz wichtige Botschaft für die MoreCore-Leserschaft: “Committed euch für Konzerte! Kauft früh genug Tickets! Unterstützt die kleinen Bands! Solche Abende sind mehr wert und können einem viel geben!” Es ist natürlich vollkommen in Ordnung, wenn ihr erstmal eure Nebenkostenabrechnung bezahlen wollt. Aber falls ihr ein paar Euronen für Tickets zur kommenden Robert-Kochkraft-Institour habt, dann könnte folgender Tourplan für euch interessant sein:

29.12.2022 – Duisburg, Stapeltor
23.03.2023 – München, Backstage
25.03.2023 – Husum, Speicher
26.03.2023 – Berlin, Cassiopeia
27.04.2023 – Hamburg, Indra
28.04.2023 – Hildesheim, Kufa
27.05.2023 – Kronach, Die Festung Rockt

Foto: Janika Streblow / Offizielles Pressebild

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