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Interview
Marathonmann im Interview: „Wir sind immer noch dieselbe Band!“
Die Band im Talk zur neuen Platte "Maniac", den Soundwechsel und die zurückliegende Tour.
VON
Mauritz Hagemann
AM 19/05/2023
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Turbulente Wochen und Monate für Marathonmann. Denn auch wenn uns allen bewusst ist, was ein Shitstorm ist – selbst Ziel eines solchen zu werden, hat noch einmal eine ganz andere Qualität, als den Shitstorm nur von außen zu beobachten.
Auch die Herren von Marathonmann wurden bisher verschont. Anfang des Jahres trafen sie allerdings die Entscheidung, den Support für ihre mehrfach verschobene Tour auszutauschen. Statt Kind Kaputt sollten nun Bobby Lies die Band begleiten. Das führte zunächst bei Kind Kaputt für Verstimmung – und anschließend dann für teils heftige Attacken gegen die Band.
Im Gespräch machen Sänger Michi Lettner und Schlagzeuger Johannes Scheer deutlich, dass sie die Geschehnisse immer noch bewegen. Und obwohl es eigentlich um das neue Album „Maniac“ gehen soll, gibt es auch in Sachen Kind Kaputt noch Redebedarf.
Im Zentrum des Shitstorms – eine neue Erfahrung für Marathonmann
„Grundsätzlich stehen wir zu der Entscheidung. Es hat sich für uns nach den zahlreichen Verschiebungen letztlich auch nicht mehr wie die alte Tour, die 2020 geplant gewesen war, angefühlt.“ Die Band sehe aber ein, dass die Art und Weise der Kommunikation nicht richtig und zu unsensibel gewesen sei. Sowohl gegenüber Kind Kaputt als auch gegenüber den Fans. Was aber gerade Johannes Scheer immer noch stört, ist die Tatsache, dass viele Leute sich offensichtlich gar nicht mit der Band beschäftigt haben, sondern einfach in den schon laufenden Shitstorm eingestiegen seien. „Man kann uns ja die Meinung sagen und uns kritisieren. Aber warum musst du bei 100 negativen Kommentaren dann doch Nummer 101 sein?“, fragt sich der Drummer.
Marathonmann haben sich übrigens die Mühe gemacht und all diejenigen, die sich beschwert oder sich abfällig geäußert haben, persönlich angeschrieben und angeboten, sich zu erklären. Und tatsächlich habe Johannes dann auch einige Telefonate geführt. An deren Ende hätten sich die Wogen dann oft deutlich geglättet. Viele hätten aber auch gar nicht auf das Gesprächsangebot reagiert. Die Band stört, dass viele Kommentare offensichtlich davon ausgegangen sind, dass Marathonmann als „große“ Band die „kleinen“ Kind Kaputt allein aus kommerziellen Gründen von der Tour gestrichen hätten.
Kommerzieller Erfolg spielte keine Rolle
Aus Sicht der Band eine klare Fehleinschätzung. Zum einen sei es beim Support-Austausch nicht um Geld und Kommerz gegangen, sondern um das musikalische Gesamtgefüge. Zum anderen seien Marathonmann auch nur unwesentlich größer als Kind Kaputt. „Wenn bei uns 500 Leute zu den Shows kommen, dann kommen bei Kind Kaputt auch mindestens 300“, so Michi Lettner. Es sei oft so dargestellt worden, als seien Marathonmann größer und finanziell erfolgreicher als sie es tatsächlich sind.
Mit Kind Kaputt, die im März noch eine andere Tour spielen konnten, habe man sich inzwischen auch ausgesprochen. Michi Lettner ist es abschließend noch einmal wichtig, zu betonen, dass die Verarbeitung der Erlebnisse für die einzelnen Bandmitglieder nicht einfach gewesen sei. Mit Kritik müsse man als Band leben, eine solche Aktion sei aber nicht ohne Weiteres zu verarbeiten.
Den Blick nach vorne richten
Der Blick soll bei Marathonmann aber nicht mehr zurück, sondern nur noch nach vorne gehen. Und da steht die Veröffentlichung des neuen Albums „Maniac“ im Mittelpunkt. Doch auch hier gab es in den vergangenen Wochen den ein oder anderen Aufreger. Nach dem Release der ersten Vorab-Singles des neuen Albums wurde der „neue“ Stil der Band vielfach kritisiert. Auch hier ist der Band die Differenzierung wichtig. „Wir sind immer noch dieselbe Band. Natürlich haben wir einige Dinge geändert, aber es ist immer noch ein Marathonmann-Album.“
Der Wunsch, etwas Neues auszuprobieren
Es sind vor allem zwei Aspekte, die der Band schwer im Magen liegen. Zum einen ist es auch hier der Vorwurf, dass Marathonmann aus kommerziellen Gründen den Weg in Richtung Pop einschlagen würden. Zum anderen werde der Band immer wieder vorgeworfen, der neue Sound habe nichts mehr mit dem zu tun, was die Band in der Anfangszeit ausgemacht habe.
Beides sei so nicht richtig, erklärt Johannes Scheer. Ob der neue Sound der Band kommerziell erfolgreicher sei, stehe schließlich überhaupt nicht fest. Auch für die Band sei es schließlich ein Wagnis, etwas Neues auszuprobieren. Es sei vielmehr die Lust auf eben dieses Neue gewesen, was zu der stilistischen Veränderung geführt habe. Sich nach über zehn Jahren als Band neue Hörerkreise, andere Veranstalter oder andere Bands für gemeinsame Touren zu erschließen, habe sich für die Band einfach ein spannendes Experiment dargestellt. Und ja – jede Band spiele wohl lieber vor 3.000 als vor 300 Fans. Unabhängig vom jeweiligen Musikstil.
Ein weiterer Schritt in der Entwicklung
Michi und Johannes können auch die Kritik, die Songs klängen auf „Maniac“ deutlich anders als noch ihr Debütalbum „Holzschwert“, grundsätzlich nachvollziehen. „Die Leute vergessen dann aber auch gerne, dass nicht nur 10 Jahre zwischen den Alben liegen. Dazwischen liegt auch ein Album wie ‚Die Angst sitzt neben dir‘. Für uns ist ‚Maniac‘ daher nur ein weiterer Entwicklungsschritt. Ein besonders deutlicher, aber kein völliger Stilbruch“, erklärt Johannes die Entwicklung der Band.
Und tatsächlich wirkt „Maniac“ nicht mehr ganz so radikal und neu, wenn man das Album als Teil einer stetigen Entwicklung anseht. Aber wie kam es zu diesem Entwicklungsschritt? Als Demos seien die Songs für „Maniac“ noch deutlich gitarrenlastiger gewesen. Typisch Marathonmann eben. Doch während der Produktionsphase sei es dann vor allem Produzent Beray Habip gewesen, der die Band davon überzeugt habe, den Fokus mehr in Richtung 80er-Synthies zu verschieben. „Wir haben uns dann gemeinsam davon überzeugt, dass es richtig ist, diesen Schritt konsequent zu gehen“, freuen sich Michi und Johannes immer noch über diese Entscheidung.
Auf der Tour im März sind die neuen Songs im Übrigen gut angekommen. Die Tour vor dem Albumrelease zu spielen, sei natürlich nicht ganz optimal gewesen. Anders habe man es aber einfach nicht bewerkstelligen können – aus logistischen Gründen, wie es im Fachjargon oft heißt. Eine „richtige“ Tour zum Album soll aber 2024 folgen. Bis dahin haben dann auch die Zweiflerinnen und Zweifler genug Zeit, sich an den neuen Sound der Band zu gewöhnen. Wobei das jedenfalls für all diejenigen, die sich schon länger mit Marathonmann und deren Entwicklung beschäftigen, gar nicht notwendig sein dürfte. Marathonmann bleibt Marathonmann – und wer sich nicht entwickelt, bleibt bekanntlich auf der Stelle stehen.
Foto: Marathonmann / Offizielles Pressebild
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