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Interview

Feine Sahne Fischfilet: „Das war einfach ein Befreiungsschlag“

Max und Monchi im Gespräch darüber, warum eben nicht immer „Alles glänzt“.

VON AM 10/05/2023

Feine Sahne Fischfilet sind zurück! Am 12. Mai 2023 erscheint das neue und sechste Studioalbum „Alles glänzt“. Aber… können wir uns darauf nach den letzten Jahren überhaupt noch freuen? Anders als der Albumtitel nämlich vermuten lässt, sah es bei der norddeutschen Band in ihrer als Urlaub angedachten Pause alles andere als rosig aus. Wir haben mit Trompeter Max Bobzin und Sänger Jan Gorkow alias „Monchi“ über den Seegang der letzten Monate gesprochen und wie sie es trotzdem geschafft haben, ihr auf Grund gelaufenes Schiff wieder sehtüchtig zu machen.

Monchi & Max von Feine Sahne Fischfilet im Interview

Rückschau: Es ist 2019 und alles Friede Freude Eierkuchen. Im vorherigen Jahr hat der Punk-Fünfer aus Mecklenburg-Vorpommern sein letztes Album veröffentlicht. „Sturm & Dreck“ war ein voller Erfolg, ging richtig durch die Decke. Sogar Platz drei in den Charts. Feine Sahne Fischfilet befinden sich auf dem Zenit ihrer Karriere, das ganze Land kennt, liebt oder fürchtet sie. Bis zu diesem Punkt hieß es für die Mannen aus dem Norden immer nur: Vollgas! – ohne Rücksicht auf Verluste. Nach 14 Jahren auf Tour und fünf Alben, beschlossen sie einmal den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, zu reflektieren und kündigten eine wohlverdiente Pause an.

In die Flaute

„Es war in dem Moment der richtige Schluss für das, was alles vorher irgendwie los war und wie viele Jahre wir Wochenende für Wochenende herumgezogen sind und teilweise gar nicht zu Hause waren. Und alles irgendwie nur wie in einem Rausch war und man gar keine Zeit hatte, das mal sacken zu lassen und zu gucken, versteht man sich eigentlich noch? Ist man noch eine Band? Hat man noch was miteinander zu tun? Oder ist es nur für die zwei Stunden auf der Bühne der Fall?“, denkt Max zurück an die Zeit vor Corona.

Dann kam die Pandemie und schlug so richtig ein – Stillstand überall, vor allem im Musik-Business. Das muss nicht weiter ausgeführt werden. Also wurde aus der Entspannungs- und Reflexionspause schnell eine Zwangspause in der sich Feine Sahne Fischfilet zusätzlich mit einem ganz neuen Problem konfrontiert sahen: Gegen die Band, vor allem Sänger Monchi wurden via Instagram schwere (allerdings keine konkreten) Vorwürfe wegen sexueller Gewalt erhoben. Der befindet sich zu diesem Zeitpunkt gerade auf Lesereise zu seinem ersten Buch und Spiegel-Bestseller „Niemals satt. Über den Hunger aufs Leben und 182 Kilo auf der Waage“.

Stürmische (Ge-)Zeiten

„Diese Seite hat eine Woche vorher angekündigt, dass da was kommen soll. Den Tag vorher noch: „Oh, seid ihr alle heiß?“ Also alles wie so eine Spielfilmankündigung“, erinnert sich Monchi an den Tag an dem die Vorwürfe veröffentlicht wurden. „Dann sitzt du halt in einem ausverkauften Saal vor netten Leuten, liest das Buch vor und um 20:15 guckt der ganze Saal auf ihr Handy und du weißt nicht, was da steht. Dann ist das natürlich, ich sage mal, was sehr Intensives.“ Die Band versuchte daraufhin mit dem anonymen Instagram-Profil in Kontakt zu treten – bis heute vergebens. Ein Gericht in Stralsund hat die Vorwürfe, als Verleumdung und Beleidigung eingestuft.

Was und wer auch immer hinter den Vorwürfen steckt, ist bis heute nicht öffentlich bekannt. Die Band versuchte auf ihre Weise mit dem, was über sie gesprochen wird und vor allem damit was im Internet abgeht, klar zu kommen. Trotzdem wollen sich Feine Sahne Fischfilet stark zeigen, aushalten, was um sie herum geschieht. Keine Schwäche zeigen, keine Angriffsfläche bieten und vor allem nicht in Selbstmitleid ertrinken.

Wenn es aufklart

Statt das Thema tot zu schweigen und wortlos ein neues Kapitel aufzuschlagen, entscheidet sich die Gruppe dafür, so offen (wie möglich) zu kommunizieren, was los ist und war, und die Vorwürfe, nicht unter den Tisch fallen zu lassen: „Das Thema ist ein schweres und auch ein wichtiges Thema, was man natürlich nicht einfach so wegwischen kann. Wo man nicht sagen kann: Es ist mir scheißegal und es interessiert mich nicht. Es war uns nie scheißegal. Wir wollten immer wissen: Worum geht es da? Wo haben wir uns mal scheiße benommen? Wo waren wir vielleicht auch kacke? Was können wir besser machen in Zukunft?“, erklärt Max. „Für uns war das klar, dass das jetzt auch zu unserer Bandgeschichte dazugehört.“

Auch wenn sich Monchi selbst nicht als Feminismus-Experte bezeichnet, hat er keinen Bock auf Stillstand. Die Band, die sich vor einiger Zeit bereits von alten, sexistischen Texten distanzierte, sei immer bereit dafür, sich selbst zu reflektieren. Max meint, man wolle auch künftig darauf achten, nicht hinter die eigenen Ansichten von vor zwölf Jahren zurück zu fallen, sondern versuchen, einen progressiven Blick zu behalten und sich der Thematik auch weiterhin anzunähern.

Seichte Brise

Und auch mit dem Ausstieg der Bandmitglieder Jacobus North und Christoph Sell wurde es für die Band nicht leichter. Einen Lichtblick lieferte der Einstieg von Hauke Segert, der nicht nur für den frei gewordenen Posten an der Gitarre anheuerte, sondern die Jungs auch aus dem Loch, in dem sie steckten, holte: „Durch ihn hat sich eine ganz neue Energie ergeben und man kam irgendwie aus diesem alten Trott […]. Und da haben wir das mit Hauke dann auch geschafft, über die Musik wieder zu uns zurückzukommen. Also das ist irgendwie auch so eine ganz therapeutische Wirkung“, beschreibt Max den Einstieg des Rostockers.

„Das war einfach ein Befreiungsschlag. So hat sich das angefühlt. Und für uns war es umso absurder, nach so kurzer Zeit jemanden zu finden, der zehn Minuten Fahrradweg von mir weit entfernt wohnt.“, schwärmt auch der Sänger von ihrer Neubesetzung. An das erste Vorspiel von Hauke kann sich Sänger Monchi noch sehr gut erinnern: „Ich weiß noch genau, wie Kai, unser Basser, und ich uns angeguckt haben beim allerersten Lied: „Boah, krass, das könnte echt passen“ Und so haben wir dann versucht, alles auf eine Karte zu setzen, so wie er das auch in dem Lied „Tut mir leid“ besingt.“

Mit dem Song „Tut Mir Leid“ darf der Neue direkt mal seinen Einstand bei FSF geben. Aber nicht nur an seinem eigentlichen Instrument: In diesem Track tritt Hauke selbst ans Mikrofon und berichtet von der Erfahrung, wenn die Lieblingsband anruft und man daraufhin den Alltag gegen die Konzertbühne eintauscht. Den Song schrieb er gemeinsam mit Monchi, der sich diese engere und überschneidende Art der Zusammenarbeit in der Band auch für die Zukunft wünscht: „So eine Band soll ne Gang sein. So, und wir haben kein Bock, dass er wie so ein Gastmusiker wirkt.“

Steuerbord – Backbord

Ab nun soll es für die Punks wieder bergauf gehen. Auch wenn der Sturm noch lange nicht vorbeigezogen ist. Feine Sahne Fischfilet standen immer im Fadenkreuz bestimmter Personen und Gruppen; Sänger Monchi wurde zum Feindbild von Rechtsaußen, teilweise auch für die linke Szene, auserkoren. Jahrelange Schikanen, Mord- und Bombendrohungen ließen die Band so gut es ging an sich abprallen, vor allem auch zum Selbstschutz. „Wenn man sich selber immer eingeredet hat, man kann das alles ab, dann hat man das vielleicht selber sogar geglaubt“, beschreibt Monchi den Umgang mit dem Hass der ihm entgegenschlägt.

Auf die Frage, warum er sich jetzt doch entschieden hat in „Angst zu erfrieren“ seine wahren Gefühle lyrisch preis zu geben, antwortet der Rostocker: „Dann muss man versuchen, auf sich selber zu achten, weil niemand anderes es tut. So und da wäre es mir auch zu affig gewesen, jetzt mit 35 so zu tun, als wenn immer alles nur geil ist. Aber auch wenn ich anderen vorwerfe, dass die so tun als wäre nur „Alles glänzt“, habe ich kein Bock mehr selber so zu tun.“

Es ist immer schwierig, wenn Punk erwachsen wird, und die, die ihn praktizieren. Wo geht der rebellische Ärger hin, was passiert mit der anarchischen Zerstörungslust und wie verändert sich der Blick auf die politischen Anliegen, die man seit Jahren regelmäßig kommuniziert? Ist man überhaupt noch authentisch wenn man auf einmal ein Album in den Charts platzieren kann?

Zum Glück waren Feine Sahne Fischfilet nie große Fans von strikten Genregrenzen: „Wir haben Punkrock gemacht, weil da muss man nichts können. Hätte man zum Techno machen nichts können müssen, hätte ich Techno gemacht.“ – Was streng genommen aber auch dem Ursprungsgedanken von Punk entspricht. – „In erster Linie geht es um Musik. Wenn ich was gelernt habe, geht es nicht um ein Genre oder das jeder den Ton trifft, sondern um Emotionen.“

Alle-Mann-Manöver

Diese Emotionen waren ganz lange laut, direkt und vor allem eins: Wütend. Das ändert sich nun mit „Alles glänzt“: Weniger linke Parolen, dafür (noch) mehr persönlichen Geschichten, wie beispielsweise in der Ballade „Wenn Wir Uns Sehen“:

„Wenn du die Scheiße siehst, dann kannst du nur wütend sein. Und wenn du dann aber auch siehst, dass ein Freund, der sich die ganze Zeit den Arsch aufreißt und da Menschen vorm Ersaufen rettet, punktuell richtig kaputt ist, ja dann bist du wütend. Dann ist es umso schöner, ihm zum Beispiel so ein Lied schreiben zu können, was vielleicht gar nicht wütend wirkt“, beschreibt es Monchi. „Vielleicht gibt das ja Kraft im Moment, wo nicht alles glänzt. Vielleicht ist das ja ein schöner Moment, wo du merkst, es ist auch okay, wenn du gerade abkratzt. Aber da sind noch Leute, die denken an dich.“

Feine Sahne Fischfilet sind nicht spießig-erwachsen geworden, aber sie schlagen auf ihrem sechsten Studioalbum, das wohl auf eine der turbulentesten Sturmfahrten ihrer Karriere folgt, einen anderen Ton an: „Es war mir einfach zu affig, Texte zu schreiben, wie mit 21 oder 25 oder 30. Wenn wir uns nicht verändern würden, wären wir nicht mehr die Gleichen. Aber ich glaube, wir sind nicht total anders. Ich glaube, wir sind total bei uns geblieben und sind aber nicht stehengeblieben.“

Komm mit aufs Boot – Feine Sahne Fischfilet Live

„Alles Glänzt“ erscheint am 12. Mai 2023. Die Releaseparty feiern die norddeutschen Ostseeliebhaber einen Tag drauf in Broock, einer, laut Band, Provinz in Mecklenburg-Vorpommern. Nach der Dorfparty werfen FSF dann wieder als Headliner ihren Anker auf den großen Bühnen dieses Landes ab. Laut Max und Monchi dürfen wir uns da wieder auf einiges gefasst machen, vor allem auf die Live-Interpretationen von „Wenn’s Morgen Vorbei Ist“, „Wenn Wir Uns Sehen“ und „Freaks Dieser Stadt“. Klingt nach der guten alten Feine Sahne-Sause, wie man sie kennt und liebt. Die Tourdaten dazu findet ihr hier:

13.05.2023 – Alt Tellin, Schloss Broock (ausverkauft)
17.05.2023 – Cottbus, Gladhouse
18.05.2023 – Bischofswerda, Eastclub
19.05.2023 – Wien, Arena Open Air
30.06.2023 – Karlsruhe, Kulturbühne
14.07.2023 – Dortmund, Westfalenpark
15.07.2023 – Dresden, Filmnächte am Elbufer
22.07.2023 – Wiesbaden, Kulturpark Schlachthof
29.07.2023 – Berlin, Wuhlheide
18.08.2023 – Hamburg, Open Air am Großmarkt
25.08.2023 – Kaltenberg, Schloss Kaltenberg
26.08.2023 – Losheim, Strandbad

Foto: Erik Weiss / Offizielles Pressebild

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