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AlternativeEmoPost-Hardcore

Live bei: Movements in Köln (18.11.2023)

Die Emo-Show des Jahres?

VON AM 24/11/2023

Es war ein Tag der großen Premieren. So ziemlich jede Person die rechts herum zum Gebäude 9 durch den Regen gestapft ist, musste vor dem Konzert erstmalig “über die Planke gehen”. Auf jenem Pfad hatte sich tatsächlich eine so große und tiefe Pfütze gebildet, dass diese mit provisorisch aufgestellten Holzlatten umgangen werden musste, um keine nassen Füße zu bekommen. Für grob 80%-90% der Besucher:innen stand aber eine wahrscheinlich noch viel größere Premiere bevor, nachdem man sich durch die Wassermassen gekämpft hatte. “How many of you have seen Movements live before?”. Seltenst habe ich bei dieser Frage so wenig Hände hochgehen sehen wie an diesem Tag.

Dabei handelte es sich aber definitiv nicht um einen Zufall. Ganze vier Jahre ist es her, seit sich die Emo-Lieblinge zum letzten Mal in Deutschland haben blicken lassen. Zwei Platten lagen dazwischen, darin eingeschlossen das durch die Pandemie ein wenig verschluckte Meisterstück “No Good Left To Give” (2020). Generell sollte es sich erst um den dritten Besuch der Kalifornier bei uns zu Lande handeln. Mit ihrer neuen Platte “Ruckus!” (2023) im Gepäck offenbarten Movements bereits im Vorfeld von Release und Tour den großen Tatendrang und die neue Energie, die sie aus der Arbeit an Langspieler Nummer 3 geschöpft hatten.

Softcult

Zunächst gab es aber einen wirklich erstklassigen Support auf die Ohren. Bei Softcult handelt es sich um ehemalige Mitglieder der Pop-Punkband Courage My Love, die sich nun mehr dem 90s Alternative und Grunge zuwenden. Der verträumte und stimmungsvolle Sound der Kanadier:innen transportierte sich wunderbar in die kleine Location und entfaltete vor allem über die starke Aura der Bandmitglieder seine volle Wirkung. Allen voran Sängerin und Gitarristin Mercedes Arn-Horn versank regelrecht in ihren Songs, denen sie mit ihrer Körpersprache noch den nötigen Nachdruck verlieh. Allen voran Fans von Bands wie Teenage Wrist oder Microwave sollten sich Softcult dringend auf den Schirm rufen.




Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Hanna Wollny (sonderbar.fotografie)

Movements

Schon während des Intros zu “You’re One Of Us Now” ließ sich die nahezu überschwängliche Aufregung und Freude des Publikums über das, was folgen sollte, erahnen. Gleich bei den ersten Noten entfesselten Movements ihr klares und druckvolles Soundbild, das von Drummer Spencer York und seinem tighten und geschmackvollen Spiel passend eingerahmt wurde. Beim darauffolgenden “Lead Pipe” wurde der Raum daraufhin entzwei gerissen, während sich auch die ersten Crowdsurfer auf den Weg zur Bühne machten. Das unglaubliche Energielevel der Menge wurde nur durch Songs wie “Full Circle” und “Colorblind” noch ins Unermessliche gesteigert.



Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Hanna Wollny (sonderbar.fotografie)

Movements hatten clevererweise hauptsächlich Songs ihrer ersten und ihrer letzten Platte eingepackt. So landeten sie eine Punktlandung damit, ihr neuestes Material ausreichend zu promoten, aber auch allen Erstbesucher:innen zum ersten Mal die “Klassiker” ihrer noch recht überschaubaren Diskografie zu präsentieren. So konnte sich die Band auch ohne Probleme erlauben, Blöcke mit ruhigeren Songs wie “Seneca” oder “Cherry Thrill” einzubauen, da es mit “Deep Red” oder “Kept” sowieso wieder ordentlich zur Sache gehen sollte. Sänger Patrick Miranda stachelte die Crowd dabei immer wieder aufs Neue an und sorgte in seinen Ansagen sowohl gleichermaßen für Witz als auch für Gänsehaut.

Ein unbesiegbarer Gitarrist?

So hatte er wohl mit Gitarrist Ira George eine Wette um 20€ abgeschlossen, dass dieser sich mit ganzen neun Bier intus doch mindestens einmal am Abend verspielen müsste. Nach ihrem klassischen Finale mit “Daylily” musste sich Patrick aber wohl doch geschlagen geben – trotz verzweifelter Versuche, ihn mitten im Song aus dem Konzept zu bringen. Im Kontrast dazu standen die nachdenklichen Momente wie eine minutenlange Rede über das Dasein und Wachsen als kleine Band, die der sympathische Frontmann an einen Softcult-Shoutout anhing. Wenn Spannungsbogen, Setlist, Sound, Interaktion und die Publikumsenergie stimmen, könnte man an dieser Stelle ja fast von einem perfekten Konzertabend sprechen?



Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Hanna Wollny (sonderbar.fotografie)

Der nächste Absatz hat in jedem Fall nichts mit der Band selbst zu tun, sondern handelt nochmals vom ewigen Thema, wie man sich auf Shows zu verhalten hat. Leider haben wir mitbekommen, wie eine Zuschauerin verletzt und mit dem Krankenwagen abtransportiert werden musste, da sie von einem Stagediver übel am Nacken erwischt wurde. Solche Vorfälle gehen leider komplett gegen das, was auch Movements am Abend selbst noch auf der Bühne gepredigt haben: Passt aufeinander auf! So schön es ist, dass gerade auf Emo & Pop-Punkshows so exzessiv gecrowdsurft wird, so gefährlich ist es leider auch. Dass am Ende des Tages Menschen verletzt nach Hause gehen, ist wirklich das Letzte, was sein muss.

Movements liefern eine nahezu perfekte Show ab

Blendet man solche Zwischenfälle oder kurzzeitige Mikrofonprobleme aus, können wir hier getrost von einer der stärksten Emo-Shows des Jahres sprechen. Movements haben nicht umsonst einen absoluten Ausnahmestatus in der Szene, der sich sicherlich nicht so schnell ändern wird. Die geballte Energie der Crowd bei Songs wie “Lead Pipe” spricht zudem dafür, dass sie ihre leichte stilistische Neuorientierung auf “Ruckus!” zu keiner Sekunde bereuen müssen. Aber auch Softcult verdienen nochmal eine besondere Erwähnung dafür, wie passend sie diesen besonderen Konzertabend ergänzt haben. Auf ein Wiedersehen mit beiden Bands müssen wir uns hoffentlich nicht allzu lange gedulden!

Beitragsbild im Auftrag von MoreCore.de: Hanna Wollny (sonderbar.fotografie)

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