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AlternativeRock

Live bei: Biffy Clyro „A Celebration Of Endings“ Livestream (15.08.2020)

Eine (zu) perfekte Release-Show.

VON AM 23/08/2020

Auch Biffy Clyro lassen es sich nicht nehmen, das Release ihres neuen Albums gebührend zu feiern. Und wie funktioniert das heutzutage besser als mit einem offiziellen Konzert-Livestream, der einfach alle Fans weltweit genau dort abholt, wo sie gerade sind.

Dafür hat sich die Band etwas ganz Besonderes einfallen lassen und spielt nicht einfach irgendein Konzert mit ausgewählten Songs des neuen und übrigens bereits neunten Albums, sondern performt „A Celebration Of Endings“ von vorne bis hinten einmal durch. Meine Erwartungen sind geweckt, die Vorfreude groß und selbstverständlich lasse ich mir das als langjähriger Fan nicht entgehen.

Es ist Samstagabend und das virtuelle Ticket für den europäischen Stream halte ich bereits sehnsüchtig in meinem E-Mail Postfach bereit.

Damit natürlich alle Fans gleichermaßen in den Genuss kommen können und auf der anderen Seite der Erde nicht mitten in der Nacht aufstehen müssen, gibt es vier Streams, die versetzt, jeweils pünktlich am Samstagabend Ortszeit starten. Für alle, die in unseren Breitengrad nicht genug kriegen können, eröffnet sich demnach bspw. die Chance, mit dem Erwerb eines weiteren Tickets am Sonntag morgen um 11 Uhr den Stream für die Show in Australien zu verfolgen.

Ich für meinen Teil belasse es aber erst mal bei einem Ticket und mache es mir pünktlich um 20:30 Uhr CEST vor dem Fernseher gemütlich. Endlich kommt auch die heiß ersehnte dritte und damit auch letzte E-Mail des Veranstalters, die den Link zur Streamingplattform enthält. Also gut, mein Begleiter des Abends trägt dann wohl den Namen YouTube.

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Biffy Clyro zelebrieren ihr neues Album „A Celebration Of Endings“

Mit einem: „This Live Stream Is About To Start“ werde ich dort willkommen geheißen. Instinktiv wandert meine Aufmerksamkeit zur Kommentarspalte. Wollen wir doch mal sehen, was dort so los ist. Hmm, Kommentarfunktion deaktiviert. Schade eigentlich, gerade der Austausch mit den anderen Fans hat bei diesen Livestreams für mich bisher irgendwie immer erheblich zur Stimmung beigetragen. Nagut ihr drei, dann bleiben wir wohl heute Abend unter uns.

Mit einem kräftigen „We are Biffy Fucking Clyro“ begrüßen uns die Jungs dann pünktlich um 21:00 Uhr offiziell zu ihrer Supersause und am Beispiel von „Victory Over The Sun“ kriegen wir den Soundcheck in Schwarzweiß präsentiert. Unten rechts in der Ecke startet ein Countdown. Noch 25 Minuten, bis das Highlight des Abends beginnt.

Aber bevor es so richtig losgeht, folgt erst einmal die Empfehlung, auf Kopfhörer zu wechseln. Zur Einstimmung gibt es die nächsten drei Songs als „Immersive Audio Experience“ auf die Lauscher. Zugegeben, so ganz alleine sitze ich dann doch nicht vor meinem Endgerät und weil mir das Umstellen auf Kopfhörer meinen Freunden gegenüber dann doch irgendwie ein bisschen egoistisch erscheint, bleibt es laut. Aber auch über die Boxen klingen die Akkustikversionen von „Bubbles“, „Machine“ und „Re-arrange“ sehr schön und wir dürfen Sänger Simon Neil über den Fisheye-Vorsatz der Kamera dabei beobachten, wie er durch den Backstagebereich der Venue wandert und hier und da von den Stimmen seiner Bandkollegen Ben und James Johnston begleitet wird. Zwischendurch gibt es dann auch noch ein paar Videosequenzen zu den Albumaufnahmen aus dem Studio in Los Angeles zu sehen. Bis hierhin erst mal nicht schlecht.

„Play Loud!“ folgt die Aufforderung auf die Boxen zu wechseln. Also gut, Kopfhörer hatte ich zwar nicht, aber ein bisschen lauter geht immer und deshalb drehe ich die Boxen noch ein bisschen weiter auf – dann haben die Nachbarn auch noch was davon. In großen Zahlen läuft der Countdown herunter, ein Piepsen verkündet die letzten 10 Sekunden in Rot.
Eeeeendliiich, ist es soweit. Los gehts mit „Side A“.

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Ein Livestream aus dem Barrowland Ballroom

Die drei Schotten betreten die Bühne, das Schwarzweiß weicht grellen Farben, alles wirkt sehr gemütlich und klein. Für die Aufzeichnung ihres exklusiven Konzerts haben sich Herren den Barrowland Ballroom in ihrer Heimat Glasgow ausgesucht. Kein Wunder, dass das Ganze auch auf der Mattscheibe so intim wirkt, der Ballroom fasst normalerweise auch nicht mehr als etwas 1.900 Zuschauer.

Und es kommt noch besser: Wo normalerweise die Zuschauer stehen, sitzen jetzt auf der linken Seite eine Handvoll Musiker an ihren Streichinstrumenten. Natürlich mit gebührenden Abstand zueinander und den Masken vor Mund und Nase. Liebevoll aufgestellte Schaufensterpuppen drapieren sich im Hintergrund und überall stehen Glühlampen auf Ständern. Also die Atmosphäre lässt nichts zu wünschen übrig.

Eine kurze Begrüßung gibt es dann nach dem zweiten Song und Simon flüstert ein: „Good Evening. Thank you for joining this evening with Biffy Clyro“ ins Mikro und wandert zurück auf die Bühne um „Weird Leisure“ anzustimmen.

Anstelle eines applaudierenden Publikums erschallt am Ende nur ein „Whoo“ von der Band und nachdem die Gitarren gewechselt wurden, verschwinden sie hinter einer Wand. Einen kurzen Augenblick später erstrahlt die Wand in gleißendem Licht und entpuppt sich als eine Glasbox, deren hintere Wände verspiegelt sind. LEDs beleuchten das Innere der Box und was die Band darin veranstaltet, kann man durchaus als Indoor-Feuerwerk durchgehen lassen. Wie passend, wo wir doch schon bei Track Nummer 4 „Tiny Indoor Fireworks“ angekommen sind. Bei diesen eindrucksvollen Aufnahmen bekommt man fast den Eindruck, hier handelt es sich weniger um ein Konzert als viel mehr um einen aufwändigen Dreh für ein Musikvideo.

Während die Zwillinge James und Ben im Anschluss ihren Platz auf der Bühne einnehmen, bleibt Simon in der Box zurück. Und während „Worst Type of Best Possible“ durch unsere Ohren strömt, tanzen die restlichen Musiker mit den Puppen romantisch durch das künstlich gelbe Mondscheinlicht.

Die Band nutzt für ihre Show die gesamte Venue und zwischendurch sehen wir eine Menge Kameraleute durchs Bild huschen, die uns bis in den kleinsten Winkel mitnehmen. Alles ist bis ins Detail geplant und scheint auch wie am Schnürchen zu laufen. Für Spontanität oder Fehler ist hier definitiv kein Platz. Die Jungs ziehen ihr Ding durch und so schön das auch alles aussieht, je weiter das Konzert voranschreitet, desto mehr verliert es, für meinen Geschmack, an Authentizität.

Kurz vor Ende von „Side A“ flüstert uns Simon noch ein „Nice and Peaceful“ entgegen und die Lampen vor der Bühne tauchen den nächsten Song in atmosphärisches Licht, getoppt von glitzernden Reflektionen einer Discokugel. Ach wie schön, auch hier ist wieder alles perfekt inszeniert und als die drei gemeinsam aus dem Bild laufen, wird ein „End of Side A“ von einem „Side B“ abgelöst.

Eine Inszenierung, die seinesgleichen sucht

Für den zweiten Teil der Show hat sich Mr. Neil mittlerweile auch klassisch seines T-Shirts entledigt. Was anderes wäre auch komisch gewesen. Rot und Blau dominieren den Song „End of“. Simon brüllt ein „Whooohohooo“ ins Mikro und Ben und James sammeln sich in der Mitte der Venue vor einem Turm aus Verstärkern. Das Ganze hat ein bisschen was vom Jammen in der Garage.

Und weil es für jeden einzelnen Song immer was Neues zu entdecken gibt, wurde für „Instant History“ jetzt auch noch der Selfiestick rausgekramt. Zunächst dürfen wir Simon von oben betrachten und später auch Ben, bis der den Selfie- schließlich lieber gegen seine Drumsticks eintauscht und Simon sich die Akustikgitarre vor den Bauch schnallt. Die Streicher sind mittlerweile auf die große Bühne umgezogen. Damit der nächste Song auch noch was Neues bieten kann, gibt’s die Musiker damit nochmal aus einem anderen Winkel zu sehen.

Wer das Album schon tatkräftig durch gehört, oder so wie ich, die Tracklist des Albums zurate zieht, weiß, dass sich das Konzert mit schnellen Schritten dem Ende nähert. Und so gibt es nach „Qpaque“ noch ein paar letzte Worte: „Thank you very much for watching everybody at home.“

„Cop Syurp“ bahnt sich langsam seinen Weg in mein Ohr und ein letztes Mal taucht die Bühne in ein Farbenspiel aus Rot, Blau, Grün und Gelb. Ben hat es sich an seinem Schlagzeug in der Box bequem gemacht, James steht mit seinem Bass auf der Bühne und Simon davor, in dem Kreis aus Lampen. Dann macht er sich auf den Weg durch die Halle, die Treppe hinunter, durch die Türen und Gänge des Ballroom bis hinaus auf die Straße und zügig wieder zurück. Gemeinsam beenden sie den Song, versammeln und umarmen sich vor der Bühne, klatschen ihre Hände über ihren Köpfen zusammen und gehen aus dem Bild. Begleitet von den letzten Tönen der Geigen erstrahlt ein „A Celebration of Endings“ auf dem Fernseher, gefolgt von einem Abspann und „Thanks for Watching – This Live Stream Has Finished“, während die Streicher ihre Instrumente dissonant ausklingen lassen.

Der Stream ist vorbei und ich bin hin und her gerissen. Da steckte auf jeden Fall eine ganze Menge Arbeit und Kreativität drin und rein objektiv betrachtet war das wirklich eine erstklassige Show. Die visuellen Effekte, die Lichtshow, das kleine Orchester, die Kamerafahrten und auch die neuen Songs – wirklich großartig. Der Ballroom wurde hervorragend genutzt und uns wurden bis zum Schluss so viele unterschiedliche Bilder dargeboten, bei denen es immer wieder etwas Neues zu Entdecken gab. Die perfekte Inszenierung, bei der ein einfaches Konzert definitiv nicht mithalten kann.

Aber mitgerissen hat mich das alles irgendwie nicht. Dafür wirkte der Stream viel zu glatt. Auf die Minute abgestimmt, wie ein mit 85 Minuten zu lang geratenes Musikvideo. Fertig, um auf eine DVD gepresst zu werden.

Für ein Konzert und die erste Liveperformance des neuen Albums hatte ich persönlich einfach etwas anderes erwartet. Und was ist jetzt mit einem Ticket für den Australien Stream morgen um 11 Uhr? Ach ne, ich glaube ich schlafe lieber mal so richtig aus.

Foto: Biffy Clyro / YouTube: „Instant History (Official Video)“

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