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Rock

Kritik: Slash - "Orgy Of The Damned"

Zum Glück ist 2024 das Jahr der modischen, sowie musikalischen Revivals. Packt eure Zylinder und Cowboystiefel aus und macht euch ...

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Zum Glück ist 2024 das Jahr der modischen, sowie musikalischen Revivals. Packt eure Zylinder und Cowboystiefel aus und macht euch bereit, denn nach Beyoncé hat, mit Slash, eine weitere Größe der Musikgeschichte einem fast vergessenen Genre Mund-zu-Mund-Beatmung gegeben (oder vielleicht eher Saiten-Wiederbelebung).

Slash (Guns N‘ Roses) – auch als Solo-Künstler legendär

Zylinder, Zigarette im Mundwinkel, Sonnenbrille und die mega Walle-Walle-Mähne: Die Figur Slash, der berühmte Gitarrist einer der größten Rockbands unserer Zeit, ist heute jedem ein Begriff; schon lange sind er und sein Stil in der Popkultur angekommen.

Neben der Arbeit mit seiner Hauptband Guns N‘Roses, dem Nebenprojekt Velvet Revolver und den regelmäßigen Touren, die er mit Myles Kennedy And The Conspirators, Slash’s Snakepit oder Slash’s Blues Ball auf den Bühnen der Welt präsentiert, hat der gebürtige Brite endlich Zeit gefunden, seine sechste Solo-Platte aufzunehmen. Diese stellt in gleich mehrerer Hinsicht etwas Besonderes dar.

Slash setzt bei Album sechs auf seine musikalischen Wurzeln

Als Gitarrist einer Rockband ist Slash nicht unbedingt für seinen sanften Saiten-Anschlag oder zartes Zupfspiel bekannt. Dennoch können wir nicht behaupten, dass er sein aggressives und energisches Spiel auf seiner neuesten Platte stark unterdrückt hätte – auch wenn sie musikalisch vielleicht etwas anders daherkommt als von dem Wahl-Kalifornier erwartet.

Slashs neue Platte „Orgy Of The Damned“ zollt seinen musikalischen Wurzeln Tribut. Der als Kind in die USA emigrierte Saul Hudson, wie Slash bürgerlich heißt, wurde bereits früh von seiner US-amerikanischen Großmutter für Bluesmusik begeistert, was ihn auch zum Gitarrenspielen motivierte. In zwölf Songs präsentiert uns Hudson also seine Vergangenheit, gehüllt in seinen eigenen modernen Klangcharakter und unterstützt von namhaften Kolleg:innen und Freund:innen des Musikers. Genug eingeleitet, here we go.

So klingt „Orgy Of The Damned”

Elf Covertracks und eine Instrumental-Eigenkreation des Saitenhexers erwarten uns auf „Orgy Of the Damned“ – dabei verspricht der Titel eine Party der Verlorenen, was dem Inhalt der Platte wirklich nicht gerecht wird. Mit an Bord geholt hat sich Slash elf Sänger:innen aus verschiedenen Genres und Zeiten, welchen den Lieblingstracks des Gitarristen neues Leben einhauchen. Dabei sollten sie gleichzeitig den alten Spirit der Bluesnummern wiederaufleben lassen, aber auch moderne Duftnoten verleihen. Welche Tracks haben das geschafft?

Fangen wir an mit den großen Erwartungen. Die wecken zum Beispiel die Namen Brian Johnson, der normalerweise am Mikro von AC/DC steht, Punkpate Iggy Pop oder ZZ Top-Bartträger Billy Gibbons. Letzterer darf die bekannte Countryblues-Nummer „Hoochie Coochie Man“ (im Original von Muddy Waters) neu interpretieren. Diese passt natürlich zu dem Tieftöner, wie die Faust aufs Auge. Die Stimmfarbe und Aufnahme von Gibbons klingen so klar und nah, dass man sich beim Augenschließen groovend und shakend mit einem Glas Guinness in der Hand im nächsten Pub wiederfindet.

Auch Iggy Pop springt auf den Zug auf und verleiht dem Lightnin‘ Hopkins-Schmachter „Awful Dream“ durch seine schmierige, flatternde Stimme noch etwas mehr Intensität und Schwermut. Hier fühlt man den Blues so richtig! Wohingegen „Killing Floor“, eine eher zackige Nummer, die sehr gut zum alltäglichen Schaffen des AC/DC-Fronters passt, mehr zum Tanzen, weniger zum Schmachten, einlädt. Zum Glück ist Blues ein so vielfältiges Genre, das nicht nur seinem Klischee entspricht, sondern auch gerne mal auf die Pauke haut und eng mit Country und Rock ’N’ Roll verwandt ist.

Die Möglichkeiten voll ausgeschöpft

So präsentiert sich „Orgy Of The Damned“ in verschiedenen Blues-Varianten und zeigt die Möglichkeiten auf, die das Genre hergibt. Während der Eröffnungstrack „The Pusher“ feat. Chris Robinson das typisch-redundante Bluesmuster einführt, wird es mit „Crossroads“ deutlich energischer und experimentierfreudiger. Neben den Tempi- und Rhythmuswechseln steht hier vor allem auch Slashs Einsatz an der Klampfe im Vordergrund, welcher mit den Vocals im ständigen Austausch steht.

Insgesamt liegt natürlich in jedem Song der Platte ein verstärkter Fokus auf dem rockenden Gitarristen, der öfter zur elektrischen Neuinterpretation greift, als dem akustischen Original treu zu bleiben. Und auch wenn sich der Gitarrengott, dem Vibe der Songs gebeugt hat und oft etwas roher und ruhiger spielt, lässt er wenige Gelegenheit verstreichen, „Orgy Of The Damned“ mit typisch-aggressiven Riffs und melodischen Soli zu versehen.

Auch typische Blues-Thematiken, wie Kirche, Stadt- und Landleben, Beziehungsprobleme und Working Class Issues werden aufgegriffen, was natürlich nicht zuletzt an der Songauswahl von Slash liegt. Dennoch wollten wir das kurz hervorheben, da die Seele des Blues so noch etwas greifbarer wird.

Überraschend gesellt sich zwischen die bereits etwas in die Jahre gekommenen Hardrock-Legenden eine junge Stimme dazu. Rockröhre Demi Lovato darf auf Slashs neuem Album die Temptations-Nummer „Papa Was A Rolling Stone“ neu aufnehmen und schlägt sich fantastisch. In dem fast achtminütigen Oldschool-Banger präsentiert Demi starke wie zarte Seiten an sich und lässt mit ihrem meckrigen Unterton den Vibe des Songs voll aufblühen.

Das große Finale

Der einzige Track, der die Demi-Nummer in Sachen Länge noch toppen kann, ist „Stormy Monday“ featuring Beth Hart, der nochmal sechs Sekunden mehr auf dem Tacho hat. Diese moderne Blueshymne markiert den letzten Cover-Song der Platte und ist gleichzeitig das kraftvoll-emotionale Finale, welches dank der Winehouse-gleichen Stimme von Rockerin Hart für Gäsehautfeeling sorgt. Zum Ende wird dann die vierte Wand zu den Hörenden durchbrochen, in dem die Sängerin sich verbal an Slash wendet und die gut achtminütige Schlussorgie als „fucking badass shit“ bezeichnet. Das Instrumental „Metal Chestnut“, welches aus der Feder und der Saite des Kultgitarristen stammt, rundet die Feel Good-Platte ehrwürdig ab.

Foto: Gene Kirkland / Offizielles Pressebild

ALBUM
Orgy Of The Damned
Künstler: Slash

Erscheinungsdatum: 17.05.2024
Genre:
Label: Gibson Records / Sony Music
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. The Pusher- feat. Chris Robinson
  2. Crossroads – feat. Gary Clark Jr.
  3. Hoochie Coochie Man – feat. Billy F. Gibbons
  4. Oh Well – feat. Chris Stapleton
  5. Key To The Highway – feat. Dorothy
  6. Awful Dream- feat. Iggy Pop
  7. Born Under A Bad Sign – feat. Paul Rodgers
  8. Papa Was A Rolling Stone – feat. Demi Lovato
  9. Killing Floor – feat. Brian Johnson
  10. Living for the City – feat. Tash Neal
  11. Stormy Monday – feat. Beth Hart
  12. Metal Chestnut
Slash Orgy Of The Damned
Slash Orgy Of The Damned
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FAZIT
Ebenso wie auf seinen vorangegangen Alben überzeugt Slash auf „Orgy Of The Damned“ erneut mit einer dicken Stargast-Dichte. Aber auch die Auswahl des Bluesthemas kann punkten und liefert unserer heutigen, schnellebigen und digitalen Welt ein klassisches und authentisches Werk zum Entschleunigen – Musik an, Welt aus! Gleichzeitig wirkt die Platte dank der modernen musikalischen Interpretation und der guten Aufnahmequalität nicht aus der Zeit gefallen. An dieser Stelle wollen wir dennoch nicht zu tief in die Punktekiste greifen, schließlich bleibt dieses stimmungsmachende Potpourri aus Slashs Favorites am Ende ein Coveralbum.