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Eine Liebeserklärung an die Vinyl – Teil 1

Diese eine Liebe.

VON AM 29/11/2020

Der Ausschlag, der mich zu diesem Artikel bewegt hat, war die Veröffentlichung des letzten The Ghost Inside-Albums. Dieses hatte ich mir als physischen Tonträger auf Vinyl vorbestellt und mich wochenlang darauf gefreut. Es kam, wie es kommen musste und die Sendung verzögerte sich. Auf den einschlägigen Streaming-Plattformen war das Album selbstverständlich zum Release-Datum verfügbar und so streamte ich das Album, bevor ich es das erste Mal in den Händen halten konnte.

Da kam in mir die Frage auf, wieso die großen schwarzen Scheiben sich einer so großen Beliebtheit erfreuen, wenn es doch mittlerweile andere Verfahren gibt, die deutlich praktischer sind.

Ich habe mich also einmal hingesetzt und die Hauptaspekte festgehalten, die heute noch für den Kauf von Vinyl sprechen. Zusätzlich habe ich mich in der MoreCore-Redaktion umgehört, denn auch hier gibt es ein paar eingefleischte Vinyl-Käufer.

Ist es nicht so, dass viele Fans der großen Tonträger mit Vinyl eine Reise in die Zeit verbinden? Selbstverständlich trifft das nicht auf alle Hörer zu, da dieser Punkt höchstwahrscheinlich altersbedingt ist. Für viele ist die Verbindung mit Emotionen und Erinnerung allerdings ein wichtiger Aspekt. Sei es die eigene Zeit, die man vor der Nutzung von Kassetten und CDs hatte, oder die Erinnerungen an die Eltern oder Großeltern, die im Wohnzimmer eine Platte auflegten. Die Berührpunkte ziehen sich über ganze Generationen und so ist es heute wie eine kleine Zeitreise, besonders wenn es darum geht, alte LPs wieder zu entdecken und zu sammeln.

Ein intensives Hörerlebnis mit Vinyl

Neben den Erinnerungen an „die gute alte Zeit“ hat es aber doch auch etwas Gemütliches, wenn man daran denkt, seine Lieblingsplatte geradezu ritualartig auf den Plattenspieler zu legen, die Nadel über die drehende Scheibe zu führen und anschließend den Tonarm zu senken. Ganz egal, ob man aktiv zuhört oder ob es eine entspannende Hintergrundbeschallung darstellt – der Aufwand des Hörens einer Schallplatte ist größer, als dies beispielsweise bei CDs oder gar beim Streamen der Fall ist. Es findet eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Medium statt. Sei es die einfache Haptik der schwarzen (oder bunten) Scheibe, der „Aufwand“, den es bedarf, um Klänge zu erzeugen. Musik wird intensiver und bewusster wahrgenommen und nicht nur konsumiert. Sie wird erlebt. Dies führt zu einer Entschleunigung, die in rasanten Zeiten manchmal notwendig zu sein scheint.

Dann gibt es da noch einen Punkt, der zwar sehr simpel klingt, jedoch trotzdem für viele Fans maßgeblich zur Entscheidung beiträgt, sich für den „old-schooligen“ Weg des Musikabspielens zu entscheiden.

Also machen wir es kurz: Sowohl Plattenspieler als auch eine geordnete Plattensammlung machen sich in jedem Raum hervorragend. Dazu kommt, dass viele Cover in Schallplattengröße erst ihre wirkliche Aussagekraft entfalten, sei es Nirvanas „Nevermind“, „Master Of Puppets“ von Metallica oder „Jazz ist anders“ von Die Ärzte (die Platte kommt in einem Pizzakarton, der als Schallplatte die Größe eines echten Pizzakartons hat).

Das Artwork und die Kunst hinter den Gestaltungen von Alben entfalten sich in einem größeren Format deutlich besser. So kommt es nicht selten vor, dass man sich bereits vor dem ersten Hören – oder währenddessen – dabei erwischt, das Album-Cover in seiner Ganzheit auf sich wirken zu lassen, die beigelegten Lyrics durchzulesen, nachzuvollziehen und auch während des Songs, intensiver darauf zu achten.

Für alle diejenigen, die diese Obsession nicht verstehen – seien wir doch einmal ehrlich: Jeder hat irgendeine Sammelleidenschaft. Seien es Briefmarken, Sneaker oder eben Platten. Durch die Limitierungen und die Pressungen für unterschiedliche Märkte haben sich die unterschiedlichen Ausfertigungen einzelner Alben so stark vervielfältigt, dass man nur mit den Ohren schlackern kann.

Allein zum Album „Disease“ von Beartooth gibt es mittlerweile mehr als sechs unterschiedliche Ausführungen. Zusätzlich wird durch Portale, wie www.discogs.com eine Art Club geschaffen, in dem man sich austauschen kann und die eigene Sammlung erweitern und vergleichen kann.

Dann gibt es da noch diesen einen Grund, an dem sich scheinbar die Geister scheiden. Allerdings muss auch in diesem Artikel das Thema Sound bearbeitet werden. Häufig ist es reine Geschmackssache, ob der Sound eines Albums nun „gut“ oder „schlecht“ ist. Eins ist jedoch nicht von der Hand zu weisen: Vinyl besitzt einen ganz eigenen Sound.

Beim Mastern von Alben wird hierfür extra ein eigenes Master-File erstellt, das auf die besonderen Beschaffenheit des Tonträgers angepasst ist. Würde man nämlich das Mastering benutzen, welches auch für Streaming-Plattformen und die CD-Pressung verwendet wird, so würde die Nadel auf dem Vinyl zu stark in Schwingung geraten und am Ende sogar ins Hüpfen geraten. Es wird also auch heute noch ein großer Aufwand betrieben, um via Vinyl releasen zu können. Ob man nun Fan des Klangs ist oder nicht – der Sound ist etwas Besonderes!

Und dann ist da noch dieser eine Punkt, der wahrscheinlich in der heutigen Zeit wichtiger denn je ist. In Zeiten, in denen Spotify-Chef Daniel Ek verkündet, dass Musiker doch einfach in kürzeren Intervallen Musik veröffentlichen solle, um die Einnahmen zu steigern und aktueller zu bleiben, genau in solchen Zeiten ist es wichtig, Künstler und Musik zu supporten und das auch neben dem Streaming.

Klar ist es auch das Streamen von Musik, welches Künstler und Bands zu einem gewissen Teil unterstützt, allerdings ist der Erwerb eines Tonträgers eine zusätzliche Finanzspritze, die besonders nach dem Release einer neuen Platte hilfreich ist.

Darüber hinaus ist es ein Stück weit eine tiefere Wertschätzung der Musik der Band oder des Künstlers und unterstützt zu einem größeren Teil die Musik. Zusätzlich spielen auch heute noch Charts eine gewisse Rolle und sei es nur für das Prestige. Streams werden in dieses Ranking zwar mittlerweile ebenfalls aufgenommen, allerdings schlägt der Plattenverkauf stärker zu Buche.

Selbstverständlich ist es jedem selbst überlassen, wie er Musik konsumiert und wahrnimmt, es soll an dieser Stelle lediglich gezeigt werden, dass die gute alte Scheibe auch in unserer heutigen Zeit ein wichtiger Bestandteil ist.

Puh! Nach so einem Plädoyer bleibt mir eigentlich nicht mehr allzu viel zu sagen. Also, worauf wartet Ihr noch?! Schwingt euch in euren lokalen Plattenhändler eures Vertrauens und frönt einer der schönsten Leidenschaften der Welt.

Foto: Eric Krull

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