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Interview
„Und wer möchte, kann zehn Minuten entfernt einen Joint kaufen“ – Unser Interview zum Jera On Air 2025
Veranstalter Thijs Vogels zeigt seine Liebe zum Festival.
VON
Jonas Happel
AM 27/04/2025
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Es ist wohl DAS Punk-, Hardcore- und Metalcore-Festival der Niederlande: das Jera On Air in Ysselsteyn. Im Jahr 1992 gegründet, ist es mittlerweile bekannter als je zuvor und verzeichnet vor allem bei deutschen Fans immensen Zuspruch. Doch warum dafür in die Nähe von Venlo fahren? Über die Gründe haben wir uns mit Thijs Vogels, Booker und Organisator des Festivals unterhalten.
30 Jahre Jera On Air und noch mehr – Von Anfang an
Das Jera On Air wurde ursprünglich von Freiwilligen des Jugendzentrums OJC Jera 70 im niederländischen Ysselsteyn ins Leben gerufen. Am Sonntag der jährlichen Dorfkirmes wurde damals ein improvisiertes Festival organisiert: Ein flacher Anhänger wurde so tief eingegraben, dass er als Bühne diente, mit einer Konstruktion aus Gerüstrohren und landwirtschaftlicher Plane. Die Bar wurde nach draußen verlegt, das Gelände eingezäunt – das Festival war geboren. Klingt einfach, aber hat nicht jedes Festival mal so oder zumindest so ähnlich begonnen?
Nach dem Erfolg der ersten Ausgabe wurde es fortan jedes Jahr veranstaltet – bis 1999. Diese Ausgabe musste wegen eines schweren Sturms und Gewitters abgebrochen werden, 2000 folgte dann ein Pausenjahr. Im Jahr 2001 änderte man den Namen von Jera Open Air zu Jera On Air – und organisierte das Festival als ein „Eintagesfestival“ im Zelt.
2008 kam zum ersten Mal eine zweite Bühne hinzu, bis das Festival 2012 auf ein neues Gelände Umzug. Ab dann erstmals zwei Tage, inkl. Festivalcamping. Nach der Corona-Zeit wechselte man nochmals den Standort. Seither wuchs das Jera On Air schrittweise zu dem heran, was es heute ist: mittlerweile ein dreitägiges Festival mit sechs Bühnen, einem umfangreichen Rahmenprogramm und rund 15.000 Besucher:innen pro Tag.
Ein Hoch auf das Ehrenamt
Es klingt verrückt, aber das Besondere am Jera On Air ist, dass es ein Festival dieser Größenordnung ist, welches vollständig von Freiwilligen organisiert und durchgeführt wird. Das schafft eine wahrlich besondere Atmosphäre. Hier steht noch die Dorfjugend hinter der Theke, Mütter und Väter verkaufen Festivalmerch und auch die älteren Dorfbewohner:innen kommen ungelogen mit ihren Rollatoren aufs Festivalgelände gefahren, um sich eine gute Zeit zu gönnen. Hier spürt man Dorfgemeinschaft auf eine ganz besondere Art und Weise, auch als Zuschauer:in. Positive Energie, wohin man blickt.
Der Name Jera stammt, wie bereits erwähnt, vom örtlichen Jugendzentrum OJC Jera 70, wo alles begann. Dort finden auch heute noch die Planungstreffen des Festivals statt. Die rund 2400 Einwohner sind eine enge Gemeinschaft. Ein Großteil des Festivalteams sowie viele der etwa 1.200 Freiwilligen stammen direkt aus dem Dorf. Das zeigt, wie stark das Festival mit dem Ort verwurzelt ist.
Große Namen und internationale Acts
In den letzten Jahren hat das Jera On Air internationale Anerkennung erlangt, was natürlich ein Prozess über viele Jahre war. Anfangs wurden hauptsächlich regionale und nationale Bands gebucht. Mit dem jährlichen Wachstum des Festivals wurde es zunehmend attraktiver für internationale Acts.
Jahr für Jahr konnten die Veranstalter größere Bands gewinnen. Damit wuchs auch das Vertrauen von Agenturen und Managern. „Wenn man zeigt, dass man große Produktionen professionell umsetzen kann, wird man ernster genommen und bekommt die Chance, sich mit den Großen zu messen“, so Thijs Vogels. „Natürlich ist die Konkurrenz enorm, gerade an unserem Festivalwochenende – aber wir haben uns einen guten Ruf erarbeitet, was uns hilft, große Namen zu buchen.“
Von lokalen Partner bis zur Nachhaltigkeit
Jeher sind lokale Partner und Sponsoren ein wesentlicher Bestandteil des Jera On Air-Netzwerks. Sie sorgen für Rückhalt in der Region, unterstützen finanziell und materiell – und stehen dem Festival stets zur Seite. Viele dieser Unternehmen haben Mitarbeitende oder Familienmitglieder, die als Freiwillige beim Festival mithelfen. In Sachen Nachhaltigkeit sehen sich Thijs Vogels und seine Kolleg:innen nicht als Vorreiter, halten sich aber natürlich an alle gesetzlichen Vorgaben. Das Festival nutzt unter anderem nachhaltige Trinkbecher, trennt und reduziert Müll, und arbeiten daran, den Stromverbrauch pro Besucher jährlich zu senken. Ein guter und realistischer Umgang, oder was meint ihr?
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Von „Bauernrock“ zum Metalcore
Jera On Air begann als ein regionales „Bauernrock“-Festival mit hauptsächlich niederländischen Bands. Ab 2007 wurde die stilistische Ausrichtung dann alternativer, sodass man mit Punkbands begann. Später kamen Hardcore und schließlich auch Metalcore hinzu. Ziel war es, das Publikum zu erweitern und für mehr Abwechslung zu sorgen. Inzwischen deckt das Festival eine breite Palette an Genres ab – darunter Emo, Thrash, Black Metal, Hip-Hop und sogar elektronische Musik wie Hardcore, Drum ’n’ Bass und Techno. So ist für jeden etwas dabei.
Zwischen Vollzeitjob, Familie und Jera On Air-Orga
Seit jeher kümmert sich Thijs Vogels zusammen mit dem anderen Vorsitzenden Sjoerd um das Booking. In Kooperation mit Mojo Concerts wird dann das Line-up geplant. Man informiert sich über tourende Bands, dann wird das Programm zusammengestellt, die Budgets bestimmt und im Anschluss übernimmt Mojo die Verhandlungen.
Außerdem leitet Thijs die PR- und Marketingabteilung, plant zusammen mit seinem Team die Kampagnen, verteilt das Budget und behält den Überblick über Zeit- und Finanzpläne. Zusätzlich ist er stellvertretender Vorsitzender und sorgt dafür, dass die Festival-Kultur erhalten bleibt. Ganz schön stressig und viel Arbeit. Das merkt der Vater einer fünfjährigen Tochter, die zur Hälfte bei ihm lebt, ganz besonders. Vollzeit arbeitet er bei der Stadtverwaltung Tilburg, nebenher dann noch das Jera On Air. „Das alles unter einen Hut zu bringen, erfordert gutes Zeitmanagement – ist aber machbar“, so Thijs. „Ich schöpfe aus allem sehr viel Energie, deshalb funktioniert es.“
Saubere Toiletten auf einem Festival? Das gibt es wirklich!
Wir sind uns einig: Grundsätzlich sollten alle Musikfans das Jera On Air besuchen – natürlich auch aus Deutschland. Das Festival ist dadurch groß geworden, dass es klein geblieben ist: Parkplatz, Camping und Gelände liegen direkt beieinander, die Wege sind kurz, man verpasst kaum etwas.
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Es gibt keine langen Schlangen an den Bars, statt Dixies gibt es gespülte Toiletten, die regelmäßig gereinigt werden – die Infrastruktur ist also top! Von der Entspanntheit und Hilfsbereitschaft aller Besuchenden ganz zu schweigen. Und das Line Up? Auch das ist stark, und hat mit Acts wie Heaven Shall Burn, Donots, The Butcher Sisters und Slope auch einige deutsche Acts im Gepäck. Und wer möchte, kann zehn Minuten entfernt in einem Coffeeshop einen Joint kaufen – der ist auf dem Gelände übrigens erlaubt.
Lust bekommen? Alle wichtigen Infos zum Festivals findet ihr über diesen Verweis!
Foto im Auftrag von MoreCore.de: Sarah Soria-Galvarro (soga.focus)
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