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Interview
Grandson: „Ich hoffe, meine Verletzlichkeit ermutigt meine Fans dazu, sich bei schwierigen Gesprächen wohler zu fühlen“
Der Musiker im Talk über Verletzlichkeit, kulturelle Unterschiede seiner Fans und Zukunftspläne.
VON
Natascha
AM 26/09/2023
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Am 05. Mai diesen Jahres erschien mit „I Love You, I’m Trying“ das neue Album von Grandson, auf dem sich der 29-Jährige so verletzlich und persönliche wie nie zeigt. Im Rahmen des neuen Albums standen neben einer großen US-Tour auch eine Tour in UK- und Europa an.
Wir haben uns mit Grandson vor seiner Show in Köln zusammengesetzt und ein bisschen über Verletzlichkeit, kulturelle Unterschiede der Fans und Zukunftspläne unterhalten.
Grandson im Interview
Natascha | MC: Herzlich Willkommen zurück in Deutschland! Bislang hast du schon zehn Shows spielen können, Paris war ausverkauft, die Köln-Show ist auch ausverkauft? Wie gehts dir damit?
Es war bislang echt großartig! Ich habe wirklich großes Glück, vor allem, da nach der Pandemie so große Unsicherheit herrschte, wie es weitergeht. Es ist wirklich schön, Fans zu sehen, die schon seit fünf Jahren darauf warten, auf eine Show kommen zu können. Auch wenn man auf Festivals spielt, so wie ich es letztes Jahr tat, ist es in den Opener Slots immer schwer zu sagen, ob es bei den Leuten denn ankommt und ob man selbst als Künstler gewachsen ist. Diese ausverkauften Shows erinnern einen daran, dass es sich auszahlt, unermüdlich zu touren und so viel wie möglich von sich selbst auf der Bühne preis zu geben – auch 2023 ist das immer noch wichtig. Und dafür bin ich sehr dankbar, hier sein zu dürfen und zu rocken.
Natascha | MC: „I Love You, I’m Trying“ erschien im Mai und ist ein Album, auf dem du dich sehr verletzlich zeigst und generell tief blicken lässt. Du hattest ja schon Gelegenheit, damit in der USA zu touren und jetzt bist du in Europa und UK unterwegs. Wie haben die Fans denn reagiert? Gibt es Unterschiede zwischen dem Publikum zuhause und hier?
Schwer zu sagen, ich denke, dass es größtenteils sehr ähnlich ist. Meine Texte richten sich an eine Fangemeinde, die sehr auf Details achtet und sehr leidenschaftlich ist. Ich denke, dass vor allem hier in Europa sich das physisch mehr manifestiert, als beispielsweise in den Staaten. In Amerika haben vor allem Hip-Hop Shows den Ruf, super energiegeladen zu sein. Künstler wie Travis Scott und Playboy Carti bauen Moshpits und anderen crazy Kram in ihre Shows ein, dass schafft Rockmusik immer noch in einigen Städten, aber die meisten meiner Fans in Amerika stehen lieber bequem in der hinteren Reihe. Die Konzerte hier in Deutschland oder auch im Vereinigten Königreich, sind da anders, die Leute haben eine größere Bereitschaft sich zu bewegen,…raus aus dem Kopf, rein in den Körper, was sich meiner Meinung nach gut auf diese Art von Musik übertragen lässt.
„Ich hatte Angst vorhersehbar zu sein und wollte, dass meine Fans mich kennen“
Natascha | MC: Wie ich bereits erwähnt hatte, gibst du dich auf deiner neuen Platte sehr verletzlich und dein Fans lernen dich nochmal ganz neu kennen. Sie lernen Grandson kennen, aber auch ein bisschen Jordan. War es anfangs für dich nicht etwas beängstigend, diese Art Songs live zu performen?
Ich begann meine Karriere immer mit dem Wunsch, Musik als Kommentar zur Welt um mich herum zu nutzen, und ich fühlte mich wohl dabei meine persönliche Lebensgeschichte fast in den Hintergrund zu rücken, weil mir das Thema, das ich mit meiner Musik angehen wollte, wichtiger und dringender erschien. Aber nachdem ich fünf Jahre lang Musik nach einer bestimmten Formel gemacht hatte, hatte ich Angst davor, vorhersehbar zu sein. Es gibt Musiker, die ihre Musik nutzen, um mit ihrer Fangemeinde in Kontakt zu treten, und dann gibt es Künstler, die ihre Musik dazu nutzen, um Stücke von sich selbst zu teilen. Ich glaube, ich habe mich immer irgendwie immer zwischendrin bewegt, aber mit diesem Album habe ich mich einfach selbst gefunden.
„Ich wollte mich wirklich dieser persönlicheren Seite widmen und es war äußerst erfreulich“
Mir ging es nicht sehr gut und ich musste mich auf die Musik verlassen, wie ich es tat, bevor ich ein Publikum hatte. Ich möchte immer noch kraftvolle Rocksongs machen und ich möchte immer noch Musik machen, die sich mit dem politischen und sozialen Klima auseinandersetzt, aber speziell bei diesem Album hatte ich einfach das Gefühl, falls ich nie die Gelegenheit bekommen sollte, möchte ich sicherstellen, dass meine Fans habe das Gefühl, dass sie mich kennen.
Natascha | MC: Also hast du dich sozusagen vorgestellt?
Total. Nach unzähligen Songs, meinem zweiten Album und einer Reihe von EPs konnten Menschen, die diese Reise mitgemacht haben, anhand meiner Werte herausfinden, wer ich bin. Aber ich habe nie auf diese direkte Art Themen wie meiner Familiengeschichte, meine Kindheit, meine Beziehungen, meine geistige Gesundheit in meinen Songs behandelt. Ich hoffe, dass meine Verletzlichkeit meine Fans dazu ermutigt, sich bei schwierigen Gesprächen mit ihren Familien und mit sich selbst wohler zu fühlen.
„Es war beängstigend, aber es war gut“
Natascha | MC: Es ist eine schöne Art und Weise, sich dem Thema Verletzlichkeit und Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und seinen Lieben zu nähern. Weil es so hart ist. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es für dich gewesen sein muss, mit Freunden und der Familie am Tisch zu sitzen und deine Vorhaben zu verkünden.
Ja, diese Erfahrung habe ich wirklich noch nie gemacht, vor allem, weil ich das Glück habe, in einem Umfeld aufgewachsen zu sein, in dem meine politischen Werte weitestgehend unterstützt werden. Ich bin in einem äußerst fortschrittlichen und toleranten Haushalt aufgewachsen. Erst durchs Touren und Reisen in konservativere Länder und Staaten in Amerika und Kanada begann ich zu verstehen, wie viel Glück ich hatte und welche Konsequenzen dieses Glaubenssystem hatte. Bis zu diesem Album musste ich bei diesen intimen Beziehungen nie viel riskieren, aber ich hatte das Gefühl, dass es wichtig sei, Themen rund um meine geistige Gesundheit, die Essstörung meiner Schwester und den Alkoholismus meiner Mutter zu besprechen, und es war beängstigend, aber es war gut. Ich denke, dass diese Dinge im Verborgenen wachsen. Wenn man diese Dinge nicht ans Licht bringt, werden sie schlimmer. Daher ist es so wichtig, darüber zu sprechen, denn vor allem diese schwierigen Gespräche stärken uns und unsere Beziehungen.
Anmerkung der Redaktion: Solltest du selbst das Gefühl haben, dass du dich in einer belastenden Situation befindest, dann kontaktiere bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhältst du anonym Hilfe von Beratern, die mit dir Auswege aus schwierigen Situationen finden und eine tolle Stütze sein können. Danke, dass du es versuchst!
Natascha | MC: Du bist schon so weit gekommen auf deinem Weg, hast unter anderem mit Tom Morello und Mike Shinoda zusammengearbeitet, einen Song für einen Film gemacht, Touren und Festivals gespielt. Welche Meilensteile willst du denn noch so erreichen?
Ich denke, das ist eine sehr wichtige Sache, mit der sich Künstler meiner Größenordnung befassen müssen, denn man kommt mit so viel Träumen und Ehrgeiz in die Musikindustrie, und wenn man dann einige Ziele erreicht, beginnt man, hinter die Kulissen zu blicken. Ich habe begonnen, die politische Natur vieler meiner größten Ziele zu verstehen, wie zum Beispiel den Gewinn eines Grammys. Ich denke, das wäre nach wie vor etwas, das wirklich cool wäre, oder als Headliner auf den größten Festivals der Welt aufzutreten, aber nachdem ich jetzt auch gesehen habe, wie viel Arschkriechen und Bullshit in solchen Beliebtheitswettbewerben steckt, wird dieser Ehrgeiz irgendwie abgeschwächt und abgestumpft. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass zu meinen Zielen gehört, immer bessere Musik zu machen, die mir Spaß macht und mir Ziele zu setzen, die ich erreichen kann. Größere Produktionen spielen zu können und meiner Kreativität freien Lauf zu lassen.
Natascha | MC: Du tourst ja noch ein Weilchen und vielleicht ist es noch ein bisschen zu früh für die Frage, aber – was passiert denn nach der Tour? Was ist dein Plan?
Nach der Tour werfe ich mein Handy ins Meer und bin dann zwei Wochen lang unauffindbar. Ich werde mich in einen Trancezustand begeben, wie Mönche es tun und versuche zu verarbeiten, was für eine unglaubliche Reise das war. Ich brauche ein wenig Raum, um über einige der Beziehungen zu trauern, die mich so weit gebracht haben und nicht mehr Teil meines Lebens sind und auch, um die Menschen und Dinge in meinem Leben zu feiern, die mich in den letzten zwei Jahren bei so vielen Touren unterstützt haben. Ich habe über 150 Shows gespielt, bin zweimal um die Welt gereist, außerdem werde ich 30, was irgendwie verrückt ist. Das ist ein großer Meilenstein, von dem ich nicht immer sicher war, ob ich ihn erreichen würde. Das ist irgendwie aufregend. Ich erinnere mich, als ich ein Teenager war, dachte ich, dass man mit 30 alt ist. Also bin ich dann erst mal alt. Und dann werde ich mehr Musik machen und mehr Shows spielen.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Philipp Mirschel (Stray.View Photography)
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