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Pop-PunkPost-HardcorePunkrock

Kritik: Indecent Behavior - "Therapy in Melody"

„Nehmt der Menschheit das Rad, und nichts von ihr wird übrigbleiben“, so sagt man in Tagen wie diesen. Erfunden wurde ...

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„Nehmt der Menschheit das Rad, und nichts von ihr wird übrigbleiben“, so sagt man in Tagen wie diesen. Erfunden wurde diese Revolutionierung der Menschheitsgeschichte in den frühen Hochkulturen vor etwa 5.000 Jahren, und eben diese stammt aus Mesopotamien, dem heutigen Irak. Und Indecent Behavior aus dem Saarland?

Somewhere in the Swamps of Merzig

Die müssen jenes erfreulicher Weise in musikalischer Hinsicht eben nicht neu erfinden, um überhaupt Relevantes zu erschaffen. Das Quartett aus Merzig sieht sich selbst im Fahrwasser von Bands wie Blink-182, Sum 41 und A Day To Remember.

Und auch wenn der Vierer mit dem eröffnenden „Hide From The Truth“ direkt mit einem in Richtung von Tony Sly gerichteten Augenzwinkern ’gen Himmel beginnt, ist das darauf Folgende dann aber eben doch mehr als ein Sammelsurium an blanken Referenzen aus dem klassischen Cali-Punk.

Gab man sich in den vergangenen Jahren bedeutend mehr im an Strike Anywhere erinnernden Hardcore verwurzelt, so stehen die Mannen um Sänger Henrik heuer knietief im Skatepunk bzw. Pop-Punk.

Indecent Behavior: Überzeugend in Sachen West Coast Skate-Punk

Klar, ein Song wie die unlängst erschienene Single „Animal“ ist an und für sich genommen schon recht stark, klammert sich jedoch recht offensichtlich an eingangs erwähnte Vorbilder.

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Indecent Behavior entwickeln immer dann hörbare Stärken, wenn sie allem Anschein nach das Bestreben vergessen, musikalisch gleich mehrere Genres bedienen zu müssen. Denn gänzlich unverkopft legen sie – so etwa mit der nächsten Single „Twice As Good“ – eine Eigenständigkeit an den Tag, die in Sachen Spielfreude und Beherztheit keinerlei Vergleich mit US-amerikanischen Genrekollegen scheuen muss und auch sollte.

Dieser Song klingt mit seinen schmeichelhaften Keys fast so, als wäre er einem begnadeten Tom DeLonge seinerzeit aus der Baggy gerutscht. Da stimmt einfach ziemlich viel, insbesondere möchte man dem Vierer nebst der gelungenen, äußerst druckvollen Produktion zudem jede Menge Herzblut attestieren.

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Lyrisch geben sich Indecent Behavior ungeahnt reichhaltig. Vom Prinzip her stellt man sich die richtigen Fragen und bietet entgegen allen Erwartungen im Genre Pop-Punk keine leichte, gut verdauliche lyrische Kost, die lediglich den Ansprüchen der seichten Unterhaltung genügt. Stets an den richtigen Stellen wird Fahrt aufgenommen und an den entsprechenden Stellen auch wieder Tempo gedrosselt.

Ein leichtes qualitatives Gefälle

Natürlich hat „Therapy In Melody“ seine Schwächen. Eben diese sind jedoch immer nur dann auffällig, wenn die musikalischen Stärken des Quartetts im direkten musikalischen Zusammenhang zu Tage treten. Im Würgegriff von Twice As Good“ und dem starken wie treibenden „To Hell And Back“ kann ein „Show Me What You Got“ eben nur zurückfallen.

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Die im Alternative Rock beheimateten Songs mit Metal-Versatzstücken fallen qualitativ ein wenig ab, wohingegen Indecent Behavior mit losgelösten Leinen und reichlich Gespür für charmante Melodien im Gepäck zweifelsfrei das eindrücklichste Album der Bandgeschichte geschrieben haben.

Und beim finalen „A Life Turned Into Art“ fallen sich schließlich alle erleichtert in die Arme.

Foto: Simon Volz / Offizielles Pressebild

ALBUM
Therapy In Melody
Künstler: Indecent Behavior

Erscheinungsdatum: 12.05.2023
Genre:
Label: Bloodblast/Believe
Medium: CD, Vinyl, etc

Tracklist:
  1. Hide From The Truth
  2. Twice As Good
  3. Bird Of Prey
  4. Too Close
  5. Show Me What You Got
  6. To Hell And Back
  7. Animal
  8. White Lies // Black Tattoos
  9. Like Any Other Morning
  10. Fire In The Attic
  11. I Love Goodbyes
  12. A Life Turned Into Art
Indecent Behavior Therapy In Melody
Indecent Behavior Therapy In Melody
7
FAZIT
Es ist keine Schande, nicht amerikanisch zu klingen. Aber wenn’s dann eben doch klappt, entsteht so etwas wie „Therapy In Melody“ - druckvoll, mitreißend, mit reichlich Tiefgang und Charakter versehen.

Indecent Behavior gelingt das, was vielen Kapellen eben nicht gelingt. Diese Band nutzt Bekanntes und erschafft eine eigenständige Interpretation samt musikalischem Rückgrat. Auffällig ist bei allen zweifelsfrei vorhandenen musikalischen Zitaten, dass es diesem Quartett gelingt, auf authentische Weise derart viel Energie freizusetzen, dass man in Sachen Potenzial seinerzeit auch die Donots zu ihren „Pocketrock“-Zeiten von der Waldbühne gefegt hätte.

Indecent Behavior sind eben Saarland’s best dancers!