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„Ich wollte, dass diese Platte Licht in die Welt bringt“ – Misery Signals-Frontmann Jesse Zaraska im Interview

Ein Plausch über die letzte EU-Tour, die kommende Platte "Ultraviolet" und die Situation der Band in aktuellen Pandemie-Zeiten.

VON AM 04/08/2020

Am 07. August erscheint „Ultraviolet“, der erste Misery Signals-Longplayer nach der Rückkehr ihres Sängers Jesse Zaraska, der 2006 die Band einst verließ und durch Karl Schubach ersetzt wurde. Grund genug, sich mit dem mittlerweile in den 40ern angekommenen Shouter über vergangene Tage und Zukunftspläne auszutauschen.

Lest jetzt das Interview mit Jesse Zaraska von Misery Signals

Sebastian | MoreCore.de: Zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für das Interview genommen hast. Nachdem Fans auf dem amerikanischen Kontinent bereits die Möglichkeit hatten, die ursprüngliche Besetzung 2014 während der „Malice X“ -Tour wieder auf der Bühne zu sehen, wurden Fans in Europa fünf Jahre später mit der „Death To False Metalcore“ -Tour beschenkt.

Wie war es für Dich, hier auf die Bühne zurückzukehren, vor dem Hintergrund, dass Dein letzter Auftritt in Deutschland vor 14 Jahren gewesen sein muss?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Letztes Jahr nach Europa zurückzukehren, um mit Darkest Hour die Death to False Metalcore-Tour zu machen war eine absolut wundervolle Erfahrung. Es war einige Jahre her, seit ich hier als Musiker auftreten konnte. Also war es etwas ganz Besonderes für mich. Ich bin zuvor als junger Mann hier gewesen und in diesen Zeiten nutzte ich die Situation, mit der ich gesegnet worden war nicht voll aus. Es war etwas ganz Besonderes, hier jetzt auftreten zu können, nachdem ich studiert hatte und erwachsener geworden bin.

Ich legte Wert darauf, Museen und historische Sehenswürdigkeiten zu besuchen und ich erlebte viele großartige Dinge und sah viele große Sehenswürdigkeiten. Nachdem ich Misery Signals verlassen hatte, habe ich Geschichte an der Universität studiert. Daher war es wirklich cool, nach Europa zurückzukehren und die Dinge aus einem anderen, besser ausgebildeten Blickwinkel zu betrachten. Als ich jünger war habe ich viele meiner Erfahrungen für selbstverständlich gehalten.

Jetzt weiß ich es besser und ich habe wirklich mein Bestes getan, um im Moment zu leben und zu genießen, der uns beschert war. Wir hatten das Glück, Teil eines so großartigen Pakets zu sein. Wir hatten noch nie mit Left Behind gespielt und wir haben uns mit diesen Kids wirklich gut verstanden.

Sebastian | MoreCore.de: Laut einem Zitat aus einem Interview hast Du bereits 2016 neues Material angekündigt. Bitte gestatte die Frage, warum die Band fast vier Jahre gebraucht hat, um das Album fertigzustellen.

Jesse Zaraska | Misery Signals: Die Band hat einige Jahre gebraucht um diese Platte fertigzustellen, weil wir uns alle in einer ganz anderen Situation befinden als beim Schreiben von OMATMH. Als wir „Of Malice and the Magnum Heart“ geschrieben haben, waren wir junge Männer, die nichts anderes im Kopf hatten, als unser Handwerk zu verbessern und relevanten Heavy Metal zu schreiben. Die Sessions zum Schreiben von OMATMH waren super konzentriert.

„Wir bewegten uns alle in die gleiche Richtung und die Zeit war auf unserer Seite.“

Die Platte wurde über einen Zeitraum von etwa einem Jahr in der Heimat der Morgans (Anm. d. Red.: Gitarrist Ryan und Drummer Branden) in Madison, WI und in meinem Keller in Sherwood Park, Alberta, geschrieben. In jenen Tagen haben wir stundenlang am Tag geprobt – über Wochen und Monate. Wir bewegten uns alle in die gleiche Richtung und die Zeit war auf unserer Seite. Wir waren Kids. “Ultraviolet” hatte den gleichen Zeit- und Arbeitsaufwand, aber sie kam zu einer Zeit in unserem Leben, in der wir uns nicht nur auf Musik konzentrieren konnten.

Ry und ich haben beide Kinder und die anderen Jungs sind alle sehr beschäftigt mit anderen musikalischen Projekten. Um alles richtig zu machen, mussten wir gut planen. Die gleiche Menge an Zeit und Mühe steckte am Ende in diesem Album. Es wurde nur über vier Jahre anstatt über ein Jahr verteilt.

Sebastian | MoreCore.de: „Ultraviolet“ – das am 7. August diesen Jahres erscheinen wird – ist die erste Platte mit Dir seit dem bereits angesprochenen 2004er Pionier-Werk „Of Malice And The Magnum Heart“. In meiner persönlichen und subjektiven Wahrnehmung – bitte korrigiere mich – brachte Karl seine eigenen Erfahrungen im Bereich Songwriting speziell in „Controller“ mit ein. Dein kreatives Archiv muss im Laufe der Jahre massiv gewachsen sein. Gibt es bestimmte Elemente und Ideen, die Du zur Erstellung des bevorstehenden Albums hinzugefügt hast? Wie ist das Songwriting in der Band im Allgemeinen?

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Jesse Zaraska | Misery Signals: Es war mir aus mehreren Gründen wichtig, viele Texte auf dieser Platte zu schreiben. Ich hatte viel Material, auf das ich mich stützen konnte, da ich seit Jahren keine meiner Arbeiten mehr veröffentlicht hatte. Und ich war froh, dass ich sicher etwas davon herausbringen konnte. Ich denke auch, dass ich etwas zu beweisen hatte. Dieser Anspruch richtete sich nicht so sehr an andere, sondern vielleicht mehr an mich.

„Es gibt nicht viele Beispiele, auf die man sich stützen kann, wenn es darum geht, positive Heavy Metal-Texte zu schreiben.“

“Könnten wir das noch einmal machen? Könnten wir wieder Musik von Wert schaffen, nachdem wir so lange von Dingen weg waren?” Es war ein einschüchterndes Unterfangen, mich darauf einzulassen. Nachdem ich solange weg war, war es für mich wichtig, zurück zu kommen und etwas Wertvolles zu veröffentlichen. Und es war auch wichtig, dass die Veröffentlichung etwas Positiveres war als Werke, die ich in der Vergangenheit geschaffen hatte.

Von Beginn des Schreibprozesses an habe ich mein Bestes getan, um den lyrischen Inhalt in eine hoffnungsvollere und positivere Richtung zu lenken. Dies war nicht ohne Herausforderungen, da die Jungs manchmal meinen Weg in Frage stellten und ich ihn selbst dann in Frage stellte. Es gibt nicht viele Beispiele, auf die man sich stützen kann, wenn es darum geht, positive Heavy Metal-Texte zu schreiben. Also haben wir unsere Arbeit eigenhändig erledigt.

„Ich hatte in den frühen Tagen von Misery Signals etwas zu viel Angst, um cleanen Gesang voranzutreiben.“

Sebastian | MoreCore.de: Die neue Platte enthält weniger cleane Gesangparts als die vorherigen Platten, meiner Einschätzung nach, und wenn sie vorkommen, werden sie mit Shouts kombiniert oder als aufbrechende Elemente verwendet wie z. B. in „The Fall“. Nur in „Redemption Key“ sind sie als Hauptthema in einer narrativen melodischen Form konzipiert. Während viele Bands des Metal-Genres populäre musikalische Elemente wie melodische Refrains adaptierten, um ein breiteres Publikum anzulocken, scheinen Misery Signals an ihren Prinzipien festzuhalten. War das eine natürliche Entscheidung? Gibt es einen echten Impuls, wann z. B. melodische Parts hinzugefügt werden oder plant ihr einen Song von Anfang an strategisch?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Obwohl die Band eher vor cleanem Gesang zurückschreckt, war es mir wichtig, dass wir uns in dieser Hinsicht ins Zeug legen. Ich kann nicht all zuviel über die Jahre sprechen, in denen ich nicht Teil der Band war, aber ich weiß, dass es eine Reihe von Faktoren gibt, warum es bei OMATMH und “Ultraviolet” nicht viele saubere Vocals gibt. Einige Mitglieder der Band sind sehr misstrauisch gegenüber cleanem Gesang und als ich jung war, hatte ich zu viel Angst, etwas in dieser Richtung zu versuchen.

Diese beiden Dinge spielten eine große Rolle bei der Frage, warum es bei OMATMH an cleanen Vocals mangelt. Obwohl ich immer zu Leuten wie Dev (Anm. d. Red.: Devin Townsend), Mike Patton und Burton Bell aufgeschaut habe, Sängern, die schreien und singen konnten, hatte ich in den frühen Tagen von Misery Signals etwas zu viel Angst, um eben das voranzutreiben.

Ich war auch ein großer 7Angels 7 Plagues-Typ und ich hatte immer das Gefühl, dass sie großartige Dinge vollbrachten – auch ohne sauber zu singen. Es gibt einige cleane Vocals auf „Of Malice and the Magnum Heart“, aber die meisten davon werden von Devin (“A Victim, A Target”) oder von unserem Freund Byron Ellis (“A Difference of Vengeance and Wrongs”) gesungen. Dieses Mal nahm ich mir vor, alle cleanen Vocals selbst aufzunehmen und es sollten mehr als in der Vergangenheit sein. Ich musste vorsichtig mit den Ideen umgehen, die ich zur Diskussion stellte, aber am Ende hat alles geklappt und ich denke, wir sind alle glücklich mit dem ausgeglichenen Ergebnis.

Sebastian | MoreCore.de: Als ich zum ersten Mal „River King“ mit seinem monotonen sakralartigen Chorus-Intro hörte, war ich zutiefst überrascht. Hatte es eine tiefere Bedeutung, als ihr es aufgenommen habt?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Das Intro, das auf „River King“ gesungen wurde, war etwas, das Ry sich ausgedacht hatte. Es war ein Lied, bei dem ich kämpfen musste, es fertigzustellen und am Ende schrieb Ry einen guten Teil der Texte. Ich denke, der Anfang klingt nach Cynic oder so, was ich für wunderbar halte, weil ich Cynic liebe. Es klingt vielleicht auch wie Tool. Ich finde, es ist cool geworden.

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„Was er und Ry für ‚Absent Light‘ kreierten, war eine dunklere Version von Misery Signals“

Sebastian | MoreCore.de: Nachdem ich „Ultraviolet“ dutzende Male gehört hat, scheint die Platte eher die Hardcore-Wurzeln von Misery Signals widerzuspiegeln als den Progressive Metal(Core)-Ansatz mit seinen atmosphärischen Elementen und dem reduzierten Tempo, wie er bei „Absent Light“ zu hören ist. Würdest Du dieses Gefühl stützen und könntest Du Deine persönliche Beschreibung dieser musikalischen Richtung ergänzen?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Ich glaube, dass Stuart und Greg sehr unterschiedliche Gitarristen sind und ich glaube, dass die Band sich unter ganz anderen Umständen befand, als sie “Absent Light” geschrieben hat. Ry und Greg haben die große Mehrheit der Texte für die Platte geschrieben und Greg hat einen Großteil der Musik geschrieben. Es ist nur eine andere Version der Band. Greg spielte in Shai Hulud und spielt jetzt in END. Was er und Ry für “Absent Light” kreierten, war eine dunklere Version von Misery Signals.

“Absent Light” ist ein Bild dieser Version der Band, genauso wie “Ultraviolet” eine Momentaufnahme davon ist, wo wir uns gerade befinden oder zumindest wo wir uns in den letzten Jahren befanden. Die kommende Platte ist einfach eine ganz andere Sache. Stuart bringt mehr Punkrock in die Gemeinschaft und Kyle, Stuart und ich drängen alle darauf, dass die Strukturen enger werden. Es gibt viel mehr Wiederholungen auf dieser Platte und es gibt eher einen Strophe/Refrain-Stil hinsichtlich der Strukturierung der Songs.

In dieser Hinsicht ist es in gewisser Weise poppiger. Ich denke, als wir jünger waren, haben wir uns von eher traditionellen Popstrukturen verabschiedet, weil wir dachten, sie wären einfach oder so. Die Morgan-Brüder haben einen ganz anderen Hintergrund. Ihr Vater ist Schlagzeuger im Madison Symphony Orchester und sie sind damit aufgewachsen, eher technisch beeinflusste Musik zu hören verglichen mit Stuart und mir. Diese Unterschiede, diese Spannung gab es, als wir OMATMH geschrieben haben, und ich glaube, das hat uns zu einer stärkeren Band gemacht.

Als wir fünf wieder zusammenkamen, gab es viele gleiche Probleme und Gezerre in Bezug auf das, was wir individuell für Misery Signals halten. Wir haben alle unterschiedliche Meinungen darüber, welche Version von Misery Signals die beste ist und die Songs, die auf “Ultraviolet” landeten sind die Songs, bei denen wir uns einig waren, dass sie gute Songs sind.

Sebastian | MoreCore.de: „Sunlifter“ – das ich vom ersten Akkord an geliebt habe, als ihr es letztes Jahr auf Tour gespielt habt – war das erste Lied, das ihr für die kommende Platte geschrieben habt und meiner Meinung nach ist es das beste Lied dieser Platte. Es kombiniert die rohe Schwere, Komplexität, für die die Band bekannt ist mit Hardcore-Punk-Elementen wie Uptempo-Drums. Es zitiert sogar irgendwie ein Halftime-Drum-Pattern aus „Parallels“ vom “Controller”-Album, würde ich sagen. Was war der Grund dafür, „The Tempest“ als erste Single zu nehmen, wenn „Sunlifter“ eigentlich an erster Stelle der Albumentwicklung stand?

 Jesse Zaraska | Misery Signals: Da „Sunlifter“ zuvor als 7”-Version veröffentlicht wurde hatten wir das Gefühl, dass die Fans etwas enttäuscht wären, wenn wir es als erstes veröffentlichen würden. Ich habe tatsächlich dafür gestimmt, dass es als erste Single veröffentlicht wird, musste mich aber geschlagen geben. Ich denke, diese Entscheidung war die beste, weil ich glaube, dass einige Leute überrascht gewesen wären, wenn wir diese Nummer zuerst veröffentlicht hätten.

„The Tempest“ war ein Song, den wir alle von Anfang an mochten und den wir für eine sichere Sache hielten, da er viele verschiedene Aspekte der Band zeigt. Es ist schwer zu entscheiden, welche Songs als Singles veröffentlicht werden sollen. Einige Leute denken, wir hätten zuerst „River King“ veröffentlichen sollen. Andere denken, wir hätten zuerst „Sunlifter“ veröffentlichen sollen. Wiederrum andere denken, “Old Ghosts” hätte zuerst kommen sollen. 

Ich nehme an, wir sollten uns freuen, dass es auf dieser Platte eine Vielzahl von Songfavoriten gibt. Ich stimme zu, dass „Sunlifter“ gut ist.

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„Ich wollte, dass diese Platte Licht in die Welt bringt.“

Sebastian | MoreCore.de: „Absent Light“ war viel dunkler und schwerer zugänglich – nicht nur rhythmisch – und ich denke, deshalb hatten einige der Fans eine verdrehte Sicht darauf, obwohl die Hardcore- und Metalcore-Grundlagen dennoch darin enthalten waren. „Ultraviolet“ fühlt sich jetzt so an, als hättet ihr die dunklen Schatten hinter euch gelassen und bewegt euch mit erhobener Faust in Richtung Licht. Besonders „Some Dreams“ hat diese intensive positive Aura, die durch die Gitarrenlinien erzeugt wird, bei der ich Gänsehaut bekomme. Ist dies ein Neuanfang für Misery Signals, eine Renaissance?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Ich wollte, dass diese Platte Licht in die Welt bringt. Das ist buchstäblich eine der Textzeilen und es war einer der Texte, von denen ich wollte, dass sie früh – wenn nicht zuerst – auf dem Album vorkommen sollten. Ist es ein neuer Anfang? Ich bin nicht sicher. Hoffentlich. Wir sind alle sehr zufrieden mit dem Ergebnis und wir sind alle froh, dass wir dieses Album in diesen Zeiten liefern konnten. Es ist schön zu hören, dass „Some Dreams“ eine so starke Resonanz bei Dir hervorruft, wenn Du es hörst. Es ist ein Lied, das mir sehr viel bedeutet.

„Ich wollte Hymnen schaffen, die meine Tochter voller Stolz singen würde.“

Sebastian | MoreCore.de: Misery Signals waren immer für intensive Texte bekannt, die sich mit Themen wie Schicksal, Verlust, Bedauern oder Hoffnungslosigkeit befassten. Du erwähntest einmal, dass „Ultraviolet“ viel mehr Hoffnung und Positivität enthält. Kannst Du einige Gründe für diese inhaltliche Ausrichtung nennen? Hat Deine Rolle als Vater heute auch die Texte beeinflusst?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Als wir anfingen diese Platte zu schreiben wollte ich etwas schaffen, das mehr Hoffnung brächte. Dies hängt definitiv mit dem Elterndasein zusammen, ist aber auch nur ein Spiegelbild dessen, wo ich mich als Mensch befinde. Ich war vierundzwanzig Jahre alt, als ich OMATMH schrieb. Die Dinge, die ich dieses Mal in die Welt bringen wollte sind also ganz anders als die Botschaften, die ich damals mitteilen wollte. Ich meine, ich musste diese Platte schreiben (OMATMH).

Ich hatte nicht wirklich eine Wahl, aber es ist eine dunkle Platte und eine von der ich weiß, dass sie mich hart getroffen hat und nur zustande kam, weil ich mich selbst in katastrophalen Umständen befand. Also habe ich Songs darüber geschrieben, was mich damals beeinflusst hat. Die Songs konzentrierten sich nicht auf ein spezielles Thema. Es war einfach so. Und das ist ein Teil dessen, was diese Platte so besonders macht. Ich war sauer und durcheinander. Und diese Platte spiegelt das gut wider.

Diesmal wollte ich verschiedene Signale aussenden. Ich wollte Hymnen schaffen, die meine Tochter voller Stolz singen würde. Es war wichtig, mehr Hoffnung in die Welt zu senden.

Sebastian | MoreCore.de: Die Produktion von „Ultraviolet“ klingt roh und authentisch, aber mit einem modernen Touch wie dem massiven synthieähnlichen Bass-Thema in „Through Vales of Blue Fire“. Während „Controller“ den Anforderungen seiner Zeit mit tiefen Gitarrenstimmungen und intensiven Bässen im Mix sowie nahezu medizinischer Präzision entsprach, spiegelt „Ultraviolet“ den Klang der frühen Jahre wider. Nachdem ihr bisher schon mit Devin Townsend an zwei Platten gearbeitet habt („Of Malice and the Magnum Heart“ und „Controller“), seid ihr dieses Mal wieder mit ihm ins Studio zurückgekehrt.

Zudem sind euer ehemaliger Gitarrist Greg Thomas (der auch an der Misery Signals „Sunlifter / Like Yesterday“ 7″ und für END, Shai Hulud oder Zombie Apocalypse gearbeitet hat) sowie Matt Bayles von Minus The Bear (der auch für Isis, Botch oder Mastodon am Werk war) an der Produktion beteiligt. Das klingt nach einer Supergroup von Toningenieuren und Produzenten. Wie war es mit ihnen zu arbeiten und was waren ihre Aufgaben?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Wie schon das Songwriting der Platte wurde auch das Recording nicht auf normale Weise umgesetzt. Das Album wurde über einen Zeitraum von einem Jahr an mehreren Orten aufgenommen. Dies war anders als bei OMATMH, das wir mit Dev in Vancouver in den Greenhouse Studios über einen Zeitraum von zwei Wochen aufgenommen haben. Branden nahm seine Schlagzeugparts im Februar 2019 im Studio Litho in Seattle mit Matt Bayles auf. Dort nahm er 13 oder 14 Tracks auf. Ryan und Stuart nutzten dann das Schlagzeugmaterial und nahmen mit unserem Freund Tim Creviston in Rain City in Vancouver die Gitarren auf.

Als sie kurz vor der Fertigstellung waren, übernahm Kyle in Vancouver und er und Stuart beendeten die Gitarrenparts im März 2019. Ich wollte unbedingt wieder mit Devin zusammenarbeiten, zumal ich versuchen wollte, sauberer zu singen. Schlussendlich konnte ich ihn überzeugen, Anfang Juli eine Woche für eine Gesangsaufnahmen mit mir in Vancouver einzuplanen. Dev war zu diesem Zeitpunkt gut mit “Empath” (Anm. d. Red.: das aktuelle Devin Townsend Album) beschäftigt, so dass er nicht die gesamte Platte mit uns machen konnte. Aber ich bin dankbar für die Zeit, die er für uns geopfert hat. Um dann aber alles umzusetzen reiste ich nach Vancouver und Dev, ich und Tim versteckten sich für fünf Tage in Tims Studios.

„Jeden Morgen wachten Greg und ich auf und frühstückten in meinem Haus und dann schrien wir vier Stunden lang.“

Es war eine wirklich tolle Zeit, für die ich sehr dankbar bin. Im folgenden Monat ging ich nach Boise, Idaho, um mit Ryan und Greg Thomas in den Studios, in denen Ry arbeitet mehr Gesangsparts aufzunehmen. Dort wurden viele der “Absent Light”-Sachen gemacht und Ryan arbeitet dort. Ergo ist es ein guter Ort für uns. Obwohl die Situation dort gut ist, schwächelte meine Stimme nach nur wenigen Tagen, in denen ich viele Shouts aufnahm, so dass wir gezwungen waren, eine Pause einzulegen. Es war super heiß in Boise im August und meine Stimme war trocken und ich war aus der Übung, so dass all diese Dinge in Summe die Situation einfach nicht perfekt machten. Wir haben dort einige Sachen aufgenommen, die es auf die Platte geschafft haben, aber nur sehr wenig von der tatsächlichen Arbeit dort ist auf “Ultraviolet” zu finden.

Wir haben uns dann entschlossen, den Gesang in Edmonton zu einem späteren Zeitpunkt zu beenden. Leider hatte Greg einige vorherige Produktionsverpflichtungen, so dass er erst im November nach Kanada kommen konnte. Zum Glück hatten wir als Greg nach Edmonton kam einige wirklich produktive Gesangsstunden. Ich konnte jede Nacht in meinem eigenen Bett schlafen und wir konnten wirklich viel Zeit darauf verwenden, die Aufnahmen fertigzustellen. Die Sachen aus Edmonton wurden von Braden von Compromise (Anm. d. Red.: Jesses vorherige Band, die bei einem Autounfall zwei ihrer Mitglieder verlor, was die Inhalte von OMATMH beeinflusste) in seinem Haus in einem kleinen Heimstudio aufgenommen.

Jeden Morgen wachten Greg und ich auf und frühstückten in meinem Haus und dann schrien wir vier Stunden lang. Es war toll. Nachdem wir die Vocalsessions abgeschlossen hatten, nahm Greg das ganze Zeug, das wir dann hatten und machte sich an die Arbeit, jenes zu mischen. Es war eine Menge Arbeit, da es ein sehr verrückter Prozess war, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis und sehr zufrieden mit der Hilfe, die wir erhalten haben.

Sebastian | MoreCore.de: Mit „Ultraviolet“ habt ihr euch wieder mit Basick Records zusammengetan. Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, mit Barley und dem im Grunde jungen, aber legendären britischen Label zusammenzuarbeiten, anstatt z. B. mit eOne oder Goodfight Entertainment, die aus Ferret Music hervorgegangen sind, wo alles für euch im Jahr 2004 begann?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Das Basick-Ding hatte Ryan klargemacht. Die Band war zufrieden mit dem, was sie zusammen mit dem Label und der Veröffentlichung von “Absent Light” erreicht hatte und wir hielten es für eine gute Idee, diesen Weg wieder zu gehen. Ich weiß ehrlich gesagt sehr wenig über Basick Records.

Sebastian | MoreCore.de: Gibt es Pläne für eine Promotion-Tour durch Europa und/oder Großbritannien voraussichtlich im Jahr 2021? Während eurer Tour im letzten Jahr habe ich einen Typen getroffen, der 2.000 km von Finnland nach Köln gereist ist, nur um euch zu sehen. Ich würde sagen, die Leute sind bereit für euch.

Jesse Zaraska | Misery Signals: Wir hoffen, so bald wie möglich wieder unterwegs sein zu können. Das ist alles aber sehr in der Schwebe aktuell. Wir vermissen es, Musik zu spielen.

Sebastian | MoreCore.de: Neben Misery Signals seid ihr auch in vielen weiteren Bands involviert. Du spielst Bass bei Sleeping Girl mit Deinem Bruder Levi und kreierst so etwas wie einen emohaften Indie-Rock mit Folk-Einflüssen. Das Debütalbum(?) wurde sogar von Devin Townsend produziert. Stu hat in der kanadischen Punkrock-Band Living With Lions gesungen und spielt Gitarre bei Youth Decay, deren Sound man auch als Punkrock bezeichnen könnte. Er ist auch Mitglied von Lowtalker zusammen mit Branden am Schlagzeug und spielt Post-Punk/Post-HC.

Die Melodic Hardcore/Hardcore Punk Band Burning Empires hingegen besteht aus Ryan, Stu und auch Kyle. Zweifellos seid ihr Musiker mit Leib und Seele. Sind diese Bands, die stilistisch größtenteils sehr unterschiedlich zu Misery Signals sind noch aktiv oder stehen jetzt die „neuen alten“ Misery Signals im Mittelpunkt?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Wir versuchen so viel wie möglich Misery Signals zu machen. Der Plan war, uns dieses und nächstes Jahr wirklich hart reinzuhängen, aber die ganzen Umstände haben uns ganz klar die Pläne durchkreuzt. Wir sind uns nicht sicher, wie die Zukunft für Misery Signals aussehen wird. Sleeping Girl existiert immer noch, obwohl ich nicht mehr Bass spiele. Ich habe nur für ein Album mit ihnen gespielt, während ich studiert habe. Sie haben eine lange Pause eingelegt, sind aber gerade wieder zusammen und schreiben hier in Edmonton ein neues Album.

Braden Sustrik, der Bassist von Compromise, der vor mir in Sleeping Girl Bass gespielt hat, ist wieder dabei und das neue Zeug ist unglaublich. Stuart und Kyle sind dieser Tage sehr beschäftigt mit Comeback Kid und Branden ist die meiste Zeit Drum Tech für Fall Out Boy, so dass wir viele Termine zu jonglieren haben.

„Ich denke, unabhängig davon, was ein anderer Dummkopf da draußen tut, muss man sich nur bemühen und danach streben, gut zu sein.“

Sebastian | MoreCore.de: Ich möchte das Interview mit einem ernsten Absatz abschließen, vor allem, weil wir unsere Augen nicht vor der zunehmenden Anzahl von Tragödien in letzter Zeit verschließen können. Die ganze Welt befindet sich derzeit in einer kritischen Situation. Bürgerkriege, über die die üblichen Medien einfach nicht berichten, Tausende von Flüchtlingen, die im Mittelmeer ertrinken, Covid-19 schwächt und tötet Hunderttausende weltweit, rassistische Polizeigewalt in den USA eskaliert gefolgt von landesweiten Protesten…die Liste geht weiter. Es ist manchmal schwierig, die Hoffnung und das Vertrauen nicht zu verlieren. Wie gehst Du mit Tragödien um? Hast Du Tipps für unsere Leser, wie sie ihre Hoffnung und ihr Vertrauen in den Gedanken der Interaktion der Menschen als eine Gemeinschaft aufrechterhalten können?

Jesse Zaraska | Misery Signals: Ich bin in meinem Leben auf verschiedene Weisen mit Tragödien umgegangen. Manches war gut, manches schlecht. Ich denke, dass das Singen in dieser Hinsicht für mich sehr wichtig ist. Ich denke, dass das Musizieren für mich ein wichtiges Medium ist. Dort gibt es eine Katharsis und Freisetzung, die irgendwie unerklärlich sind. Das ist größtenteils reflektiert auf OMATMH. Ich, der mit Tragödien auf eine halb positive, halb heilende Weise umgeht.

Ich denke, du musst reden und du musst schreien und du musst lachen und tanzen. Schwelgen, freuen und Dinge in Angriff nehmen. Ich denke auch, dass wir einfach versuchen müssen, jeden Tag besser zu werden. Ich denke, unabhängig davon, was ein anderer Dummkopf da draußen tut, muss man sich nur bemühen und danach streben, gut zu sein. Bücher lesen, laufen, Fahrrad fahren und Gewichte heben. Pass‘ auf dich auf und pass‘ auf deine Gemeinschaft auf. Wenn wir uns alle daran halten, wird sich diese Welt verbessern.

Sebastian | MoreCore.de: Vielen Dank für Deine Zeit und Antworten. Viel Glück für die bevorstehende Veröffentlichung und bis bald auf den Bühnen in Europa!

Beitragsfoto im Auftrag von MoreCore.de: Quinten Quist

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