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Corelumne

Es reicht: Wir müssen (leider doch) über Falling In Reverse reden!

Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln...

VON AM 27/11/2024

Na, heute schon beleidigt worden? Falling In Reverse-Kopf Ronnie Radke zeigt gerade mal wieder, warum er zu den kontroversesten Menschen im Musikbusiness gehört. Jetzt bekommen es sogar die eigenen Fans ab und da stellt man sich dann doch langsam die Frage, wie weit er noch gehen kann, bis sich die Leute von ihm abwenden. Ein Kommentar.

Die Kunst vom Künstler trennen können

„Die Kunst vom Künstler trennen zu können“. Das ist eine Fähigkeit, um die ich Leute schon immer beneidet habe. Musik, das ist für manche einfach etwas, was aus den Lautsprechern tönt und einen bei Laune hält. Das ist eine Playlist, die auch dann gut ist, wenn man sich mit den Namen dahinter nicht beschäftigt. Das ist aber auch die Platte, die mich an meine Eltern erinnert, an meine beste Freundin, an eine gute oder eine schlechte Phase in meinem Leben. Musik, das ist für andere etwas, was ziemlich nah an den Begriff “Lebensinhalt” rankommt. Das ist Ausdruck der eigenen Gefühle. Das ist Soundtrack. Das ist Antrieb. Das ist Identität.

Es gibt wenige Musikrichtungen, die so sehr für sich beanspruchen, dass sie einem gewissen Wertekodex unterliegen (wollen), wie Punk und Hardcore. Gegenseitiger Respekt, soziales Engagement, Community-Denken, Kapitalismuskritik, Einstehen für Minderheiten. Mit dem Verschieben von Genre-Grenzen und Auflösen von Schubladen, sind entsprechende Werte auch Teil anderer (“Gitarrenmusik”-)Szenen geworden. Wenn zwar nicht vollends gelebt und propagiert, besteht aber die Erwartungshaltung an die Artists und Bands, dass diese irgendwie auch zu den “Guten” gehören, wie auch immer man dies nun definiert. „Uns“ ist halt wichtig, was für ein Bild die Bands und deren Mitglieder abgeben, wofür sie einstehen oder dass sie einfach keine Volltrottel sind.

Fan-Treue und das Dilemma

Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich diesen kurzen Exkurs zu Gemüte führt, bevor man in die eigentliche Thematik einsteigt, die konfus und schwierig genug ist. Viele Leute fühlen sich erschlagen davon, was sie vermeintlich noch sagen und hören dürfen. Die sich von “Wokeness” und “Cancel Culture” bedroht fühlen oder denen das Ganze einfach völlig egal ist und ohnehin tun, was sie wollen.

Es schmerzt, wenn das eigene Weltbild zerstört wird, weil ein Musiker nicht dieselben politischen oder gesellschaftlichen Werte vertritt. System Of A Down-Drummer John Dolmayan, der Trump-Supporter ist oder Deftones-Gitarrist Stephen Carpenter, der glaubt, die Erde sei eine Scheibe. Nicht zu vergessen die vielen Anschuldigungen und Skandale in den letzten Jahren, auch herausgekommen im Rahmen der #MeToo-Bewegung. Manche davon bewiesen, andere nicht. Aber hey, was betrifft mich das Ganze überhaupt? Hauptsache der Song ist gut, oder?

Falling In Reverse: Polarisierend und schwierig

Derzeit sind Falling In Reverse auf großer “Popular Monstour Tour 2: World Domination”. Das ist toll für alle Fans, die die Band (oder Ronnie Radke) in Deutschland nach sechs Jahren Unterbrechung gerne sehen wollten. Falling In Reverse zählt derzeit zu den gehyptesten Metal(core)-Gruppen überhaupt, die im Handumdrehen die größten Hallen rund um den Globus ausverkauft hat und nächstes Jahr zu den Haupt-Acts bei Rock am Ring, Novarock und Co. gehören wird.

Spricht man von Falling In Reverse, spricht man eigentlich von Ronnie Radke. Ein faszinierender Mensch, irgendwie. Er gehört zu denen, die am Ende vermutlich sogar US-Präsident werden könnten, weil ihnen trotz so vieler Kontroversen und verbaler Ausfälle so ziemlich alles vergeben wird. Die eine Rhetorik nutzen, die sie kaum angreifbar machen und die genug Spielraum lassen, um sie immer wieder zu verteidigen. Die viel einstecken müssen, aber mindestens genauso viel austeilen. Aber hey, was betrifft mich denn seit Geschwafel auf X und bei Instagram? Der soll eine gute Show machen, verdammt!

Falling In Reverse / Ronnie Radke TweetFalling In Reverse / Ronnie Radke Tweet

Ronnie Radke ein Comedian?

Unter uns: Mir ist Falling In Reverse und mir ist auch Ronnie Radke völlig egal. Ich mag die Musik nicht und ich finde den Menschen höchst unsympathisch – oder zumindest die Persona, die man von ihm präsentiert bekommt. Ich mag seine konservative Einstellung gegenüber Transpersonen nicht und muss schmunzeln, wenn man seine Verbindung zu Blaire White als Vorwand nimmt, dass er deswegen nicht problematisch sei. White, selbst eine Transperson, spielte im Musikvideo zu “All My Life” mit, fällt aber regelmäßig mit transphoben Aussagen und ihrer Unterstützung für Donald Trump auf. Mir gefällt nicht, wie er immer wieder provokant in die Offensive geht, um dann zurückzurudern, da alles nur ein “Scherz” sei. In einem Interview mit Rock Feed sagte Radke einmal, dass man ihn nicht so ernst nehmen solle. Er sei vielmehr ein Comedian, aber man würde seinen Humor einfach missverstehen. Spannend.

Dass so viele Menschen sich trotzdem als Falling In Reverse-Fans bezeichnen und Radke unterstützen, mag an deren Wertekompass liegen, der angesprochenen Haltung die Kunst vom Künstler trennen zu wollen, purer Unwissenheit oder eben dem Fakt, dass es sie bislang einfach nicht tangiert hat. Vielleicht ist es eine Reaktion oder Begleiterscheinung der aktuellen Zeit, wo sich viele „bevormundet“ fühlen und sich an kontroversen Figuren, an Anti-Helden orientieren. Möglich. Aber es scheint, als ob sich zumindest letzteres nun geändert hat: Nachdem kürzlich die Shows in Würzburg, Tilburg und Budapest aus “produktionsbedingten Gründen” abgesagt wurden, legte man nun mit der Absage der Shows in Wien (wenige Stunden vor Beginn des Konzerts) und Prag nach. Ein Muster, das in der Historie von Falling In Reverse übrigens nicht neu ist.

I’m sorry, but canceling the Vienna show on the day of the concert is just awful.
byu/Tin_Can7 inFallingInReverse

Show-Absagen in Würzburg und Wien, Fan-Beleidigungen vor laufender Kamera

Was nun aber spannend ist, ist die Reaktion Radkes auf die Nachfrage eines Fans während seines Streams, in dem er Online-Glücksspiele spielt: „You are just fans, you don’t understand.“ Das mag durchaus sein, aber dass er in einen regelrechten Rage-Mode verfällt, Fans als “Cunts” bezeichnet und noch weiter nachlegt, ist eine absolute Frechheit. Ganz abgesehen davon natürlich, dass man den Fans keine wirkliche Erklärung liefert und diese, wie im Falle der Wien-Show, einfach im Regen stehen lässt. Kein Wunder, dass sich viele dieses Verhalten nicht gefallen lassen und sich in den sozialen Medien darüber beschweren, auch weil sie teils auf hohen Kosten für Hotel und Anreise sitzen bleiben.

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Dass die stattgefundenen Konzerte, zum Beispiel in Berlin und München, auch nicht der Oberhammer gewesen sein sollen, zeigen zumindest die teils durchwachsenen Reviews, die man bei Eventim lesen kann. Schade, also für alle, die sich darauf gefreut hatten und dann enttäuscht wurden. Welche Gründe am Ende wirklich verantwortlich dafür sind, dass die gespielten Show eher kurz ausfielen, Radke in Berlin minutenlang die Bühne verließ oder die Band am Ende gar nicht erst spielte – bislang kann man nur darüber spekulieren.

Für jemanden, der sich sonst aber als so groß darstellt und mit seinen Zahlen prahlt, ist die Performance aktuell aber sehr dürftig. Und hey, das tangiert uns ja dann doch, oder? Am Ende dürft ihr selbst entscheiden, ob ihr dem Typen weiterhin Aufmerksamkeit schenkt und euer Geld gebt. Dass Radke ein schwieriger Mensch zu sein scheint, ein Anti-Held, zumindest nicht das Vorbild, wie ich es mir vorstelle, hat mich dazu gebracht, dass ich ihn im musikalischen Kontext komplett meide. Entsprechend ist dies kein Aufruf zum “Canceln”, eher eine kritische Nachfrage, ob ihr euch als Fans wirklich so behandeln lassen wollt.

Bild: YouTube / „Falling In Reverse – ‚Last Resort (Reimagined)'“

Feature

Imminence

Und zack! Schon wieder neigt sich ein spannendes Musikjahr dem Ende entgegen. Der perfekte Moment, um Revue passieren zu lassen …