News

Interview

„Ich hoffe einfach, dass das Album etwas ist, das in der aktuellen Situation hilft“ – Jim Grey von Caligula’s Horse im Interview

Mit der Veröffentlichung von "Rise Radiant" finden sich die Australier in einer neuen Situation.

VON AM 25/05/2020

Caligula’s Horse sind zurück! Mit ihrem neuen Album „Rise Radiant“ führen sie ihre Erfolgsgeschichte, die 2017 mit dem Release von „In Contact“ richtig Fahrt aufgenommen hat, fort. Sänger Jim Grey verbringt die Zeit in der Coronakrise vorwiegend zuhause, unterrichtet dort seine Tochter und nimmt sich die Zeit, um über das neue Album zu sprechen. Von den ersten Reaktionen auf die Singles des neuen Albums ist der Sänger auf positive Art und Weise schockiert, wie er erzählt. „Ich war noch nie so stolz auf ein Album, das wir gemacht haben. Dass die Respons bisher so großartig ist, ist einfach nur umwerfend!“

Rodney | MC: Erzähl mal. Viele Bands haben ihr Release aufgrund der Pandemie verschoben. Mit der aktuellen Krise gibt es bei euch bestimmt auch Ängste, wenn es um die Veröffentlichung neuer Musik geht, oder?

Jim Grey: Ja, natürlich. Insbesondere die Absage unserer USA-Tour hat mich ziemlich getroffen. Ich bin natürlich unfassbar leidenschaftlich, was dieses neue Album angeht und das pusht mein Ego ziemlich. Ich habe mich in den letzten Wochen auf die wirklich wichtigen Dinge fokussiert und versucht die Tour und alles, was für dieses Jahr sonst noch so geplant war, einfach gehen zu lassen. Niemand hätte ahnen können, dass die Umstände unter denen „Rise Radiant“ entstanden ist, so anders sind als zum Zeitpunkt des Songwritings. Da wurde ich zum Beispiel von den australischen Feuern stark beeinflusst, die in erster Linie nur unser Land betroffen haben. Mit der Pandemie befinden wir uns aber in einer Situation, die die ganze Welt betrifft. Es ist ein Album, das ich selbst hören musste und wollte. Das jedenfalls ist die Message zu mir selbst.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Rodney | MC: Lass uns über die Musik sprechen. Für mich sind die Vocal Lines etwas, das Caligula’s Horse ausmacht. Kannst du mir erzählen wie du es schaffst diese so unfassbar catchy zu schreiben?

Jim Grey: Danke, das freut mich natürlich zu hören. Tatsächlich ist es ein eher simultaner Prozess im Songwriting. Es ist nicht so, dass ich von Anfang an Melodien im Kopf habe, es gibt aber auch keine komplett fertigen Songs, auf die ich dann einfach Singe. Es sind vielmehr kleine Snapshots, an denen wir arbeiten und an denen ich die melodischen Formen ausprobiere. Das läuft wirklich ziemlich simultan ab, wenn wir zusammen arbeiten. Ich will hören was instrumental passiert und die Highlights finden, um mich dort einzuklinken. Manchmal ist es die Melodie, die von der Gitarre kommt, die wir dann doppeln oder auch umgekehrt. Es ist ein Prozess in dem uns als Band besonders wichtig ist, dass wir so viele „hooky“ Elemente wie möglich finden und einbauen.

Rodney | MC: Wenn ich mir Songs wie „Autumn“ oder „Salt“ anhöre, muss ich direkt an Opeth denken. Wie stehst du zu dieser Aussage?

Jim Grey: Opeth haben einen riesigen Einfluss auf unsere Musik. Ich erinnere mich noch daran, wie wir das erste Mal mit ihnen die Bühne geteilt haben. Das war witzigerweise gestern vor genau 5 Jahren. Das weiß ich so genau, weil am Tag zuvor meine Tochter geboren wurde. Wir haben dann Opeth in Brisbane supported und die Jungs waren wirklich großartig zu uns. Du kannst dir vorstellen was das für wilde 24 Stunden für mich waren, haha. Es kommt öfter vor, dass wir selbst merken, dass ein bestimmter Part an andere Bands erinnert. Wenn wir merken, dass eine Stelle beispielsweise zu sehr nach Pain Of Salvation klingt, dann versuchen wir einen Weg zu finden, wie wir uns das erlauben können und Tribut zollen, ohne etwas abzukupfern. Das ist eine gewisse Art Wertschätzung unserer Einflüsse. Um auf den Part in „Autumn“ einzugehen, ich denke, dass dieser einer meiner absoluten Lieblingsmomente auf dem gesamten Album ist.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Rodney | MC: Dieser Song und insbesondere die ruhigen Parts haben ein für mich sehr ätherisches Feeling.

Jim Grey: Ich weiß was du meinst. Es klingt offen, aber irgendwie auch dunkel und das ist für unseren Sound enorm wichtig. Wir wollen nicht nur düstere Musik schreiben. Wir benötigen Raum, Hoffnung und Kontraste. Diese ruhigen, akustischen Parts sind auch ein bisschen dirty, haben den nötigen Raum und die, wie du sagst, ätherischen Aspekte, damit man beim Hören nicht nur in eine Richtung fühlt.

Rodney | MC: Ich habe das Gefühl, dass Progressive Rock bzw. Metal gerade einen gewissen Hype erfährt. Bands wie ihr, aber auch Leprous und Haken werden immer erfolgreicher, spielen größere Venues und wachsen als eine Prog-Szene mehr zusammen. Wie erklärst du dir das?

Jim Grey: Ich denke, dass es eine gewisse Open-Mindedness gibt, die mit dem Zugang zu Musik zusammenhängt. Damit meine ich die unendlichen Möglichkeiten des Streamings. All diese Plattformen ermöglichen es jeder Menge Menschen etwas finden zu können, was sie vorher vielleicht nie entdeckt hätten. Wir hätten mit dem australischen Radio alleine niemals eine so große Fanbase aufwachsen können. Du brauchst nicht 10.000 Leute in einer Stadt, wenn du deine Musik auf der ganzen Welt verteilen kannst. Sind wir mal ehrlich. Wir sind eine kleine Band in Brisbane und Australien, aber in der Prog-Szene kennt man uns, weil wir dort international gewachsen sind. Die Leute kennen Haken und werden durch Algorithmen auf uns aufmerksam und umgekehrt. Der musikalische Geschmack der Menschen entwickelt sich so viel organischer. Aber wir machen auch seit einer ganzen Weile schon Musik, genau wie Haken oder Leprous. Dieser Erfolg kam nicht über Nacht. Dennoch muss man sagen, dass wir seit dem Release von „In Contact“ enorm gewachsen sind. Die letzten drei Jahre waren wirklich wild!

Rodney | MC: Was würdest du denn als wirklich progressiv in der Musik dieser und auch deiner eigenen Band ausmachen?

Jim Grey: Ich denke es geht darum, kompromisslos zu sein. Wenn du kompromisslos bist, dann pusht du etwas in deiner eigenen Stimme nach vorne. Das macht es ehrlich und für mich auch progressiv. Agent Fresco zum Beispiel – ich kenne keine Band, die so klingt wie sie. Du kannst zwar Vergleiche ziehen, aber das reicht nicht. Wenn du Caligula’s Horse mit Leprous vergleichst, was auch einige Fans machen, dann sehe ich selbst da zwar einen Einfluss, höre ihn aber nicht direkt in der Musik. Ich kenne keine Band, die so wie Leprous klingt, weil sie so kompromisslos sind und einfach komplett nach sich selbst klingen.

Rodney | MC: Ich finde zum Beispiel, dass man auf „Rise Radiant“ auch Vergleiche zu Haken ziehen könnte.

Jim Grey: Mein absolutes Traum-Lineup für eine Tour wäre, und das sage ich, weil ich es lieben würde, diese Bands jeden Abend zu sehen: Haken, Leprous und Agent Fresco.

Rodney | MC: Ich denke ein jeder Prog-Fan würde dieses Lineup lieben.

Jim Grey: Ich muss aber sagen, dass ich ungern nach einer dieser drei Bands spielen würde, weil sie in meinen Augen so verdammt gut sind.

Rodney | MC: Gab es schon mal eine solche Situation, in der du dich unwohl gefühlt hast nach einer anderen Band auf die Bühne zu gehen?

Jim Grey: Ja, aber eher in Bezug auf andere Sänger. Als wir mit Circles auf Europatour waren zum Beispiel. Ben Rechter ist einer meiner persönlichen Lieblingssänger und so verdammt gut, ein absolutes Monster. Als meine Stimme nach drei Wochen Tour anfing, schwächer zu werden, war das dann natürlich schon etwas unangenehm, haha.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Rodney | MoreCore: „Rise Radiant“ ist ja auch wie “In Contact“ ein Konzeptalbum. Wie geht ihr da heran und was ist diesmal anders am Konzept?

Jim Grey: Es gibt für uns, strukturell und musikalisch, immer Dinge, die Sinn machen. „In Contact“ war für uns verdammt schwer zu schreiben, auch weil das Album und die Geschichten darauf enorm vielschichtig sind. Für mich sind die Charakter der Schlüssel zu diesen Geschichten. Ich versuche den Fakt, dass es ein Konzeptalbum wird nicht im Vordergrund zu haben. Es müssen nicht alle kleinen Details aufgeschrieben werden.

Rodney | MoreCore: Folgst du bei den Konzeptalben einem gewissen Vorbild?

Jim Grey: Nicht wirklich, aber das ist eine spannende Frage. Ich erinnere mich noch an das erste Konzeptalbum, das ich als solches wahrgenommen habe. Das war „Dreams From A Memory“ von Dream Theater. Meine Gedanken waren in etwa “Was zur Hölle ist das? Das ist der Wahnsinn!“. Dieses Album hat mich zum Prog geführt, aber ich habe kein Format für Konzeptalben. Ich mag es einfach Geschichten zu erzählen, Ideen auszuspinnen und denke, dass das ein cooler Weg ist mich auszudrücken, auch weil ich zum Beispiel keine Romane schreiben kann.

Rodney | MoreCore: Hast du denn schon mal überlegt einen Roman zu schreiben?

Jim Grey: Hahaha, ich denke jeder Mann in seinen Dreißigern hat schon mal diesen Gedanken gehabt. Ich denke mir so oft: „Das ist es, das schreibe ich, ich bekomme das jetzt hin“ und dann merkst du, dass du es doch nicht hinbekommst. Ich breite aber jetzt nicht weiter aus, woran es liegt, dass ich das nicht hinbekomme. Bei den Alben klappt es ja, haha!

Rodney | MoreCore: Gibt es noch etwas, was du über „Rise Radiant“ loswerden möchtest?

Jim Grey: Ich hoffe einfach, dass das Album etwas ist, das in der aktuellen Situation hilft. Auf welchem Weg auch immer…viele haben Probleme, sind zuhause, verlieren ihre Jobs oder ähnliches. Wir hoffen, dass wir diesen ganzen Ärger irgendwie ausblenden können. Wenn dieses Album also auf irgendeine Art hilft, dann ist diese Message des Albums etwas, mit dem ich persönlich sehr glücklich bin.

Beitragsfoto im Auftrag von MoreCore: Quinten Quist

Feature

The Ghost Inside

Es war eine dieser Sekunden, die ein Leben von Grund auf verändern können. Von hier an hast du genau zwei …

von