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All Time Low Interview: „Mach das, was du liebst, trotz Zweifel oder Hindernissen.“
Sänger Alex Gaskarth im Interview über das neue Album "Everyone's Talking!" und die anstehende Tour.
VON
Lisa Kaiser
AM 10/11/2025
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Am 17. Oktober haben All Time Low ihr nunmehr 10. Studioalbum „Everyone‘s Talking!“ von der Leine gelassen – nach über 20 Jahren Bandgeschichte ein echter Meilenstein. Im Interview mit MoreCore.de gibt Fronter Alex Gaskarth einen tieferen Einblick in ihr neuestes Werk und einen Ausblick auf die anstehende Europatour im nächsten Jahr.
All Time Low über die Beziehung zur eigenen Band
Vom Release ihres Dauerbrenners „Dear Maria, Count Me In“ im Jahr 2007 über ihr Nummer-1-Album „Future Hearts“ 2015 bis zum Radio-Hit „Monsters“ 2020 – All Time Low haben im Verlauf ihrer Karriere einige Peaks erleben dürfen. Und doch fragen sie sich auf dem Eröffnungstrack „[cold open]“, ob die Zeit als Band „glücklich oder tragisch enden wird“.
Wie Alex nämlich klarstellt, ist das neue Album „Everyone‘s Talking!“ eine Art „Meta-Kommentar darüber, wie es ist, in einer Band zu sein. Und über die Reise, mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen. 20 Jahre lang, von Teenagern bis jetzt. Die Band ist Teil unserer Identität.“
Es geht darum „sich zu verlieben und wieder zu entlieben und zu kämpfen“, erklärt Alex den Kern des Albums. „Wenn man mit etwas oder jemandem eine lange Beziehung führt, dann gibt es Höhen und Tiefen. Die Beziehung verändert sich und entwickelt sich weiter. Diese Platte ist wie ein Liebesbrief an die Band selbst, an unsere Beziehung dazu, an das Auf und Ab. Es geht darum, wiederzuentdecken, warum wir das machen und wie dankbar wir dafür sind.“
Aber was genau bedeutet der Opening-Track? Mit den eröffnenden Textzeilen „will it end happy or tragic“ drückt der Sänger ganz klar Unsicherheit aus. „Wenn man Künstler von außen beobachtet, weiß man nie, wie ihre Geschichte ausgeht. Im Rock ‚n‘ Roll gibt es viele tragische Enden, aber es gibt auch viele Geschichten, die als Legenden enden. Der Song [‚[cold open]‘] spricht über dieses Vermächtnis und darüber, wie man in Erinnerung bleiben wird“, erklärt Alex im Interview. Dabei beschreibt er das „Umblättern einer nächsten Seite“ in seiner eigenen Geschichte und die „Ungewissheit, wie es weitergeht“.
Songwriting ohne Strategie
Die Gedanken, die man sich als Bandmitglied so macht, zeigen sich beispielsweise auf der Single „Oh No!“. In den Textzeilen wundert sich Alex, was passiert, wenn All Time Lows Songs nicht mehr Herzschmerz oder Tiefpunkte behandeln. Einfach weil es ihm als Person gut geht. Doch viele andere Tracks haben einen gewohnten Interpretationsspielraum. So dreht sich die Leadsingle „SUCKERPUNCH“ um harte Zeiten und wie sie einen stärker machen. Der Titeltrack „Everyone’s Talking“ setzt wiederum den Ton an: „Mach das, was du liebst, trotz Zweifel oder Hindernissen. Es ist ein trotziges ‚Wir machen weiter‘“, erklärt Alex.
Während All Time Low auf ihrem neuen Album die Beziehung zu ihrer eigenen Band Revue passieren lassen, dürfen sich langjährige Fans über musikalische Elemente aus früheren Alben freuen. Darunter Anspielungen auf ältere Songs und Kapitel aus dem Leben der Band. Mit den Zeilen „you were painting flowеrs, I was off in Neverland“ in der Ballade „Different Languages“ spielt All Time Low nämlich gleich auf zwei Songs aus ihrem Repertoire an – „Painting Flowers“ (2011) und „Somewhere In Neverland“ (2012).
Dabei gehört der Track zu den persönlichsten Songs auf der Platte und hält dem Fronter einen Spiegel vors Gesicht. „Ein Song wie ‚Different Languages‘ spricht Probleme in meiner eigenen Beziehung an. Das war nicht leicht zuzugeben und in einen Song zu packen, weil es so offen ist. Aber es hilft auch beim Verarbeiten, und darauf habe ich mich als Songwriter immer gestützt.“
Allerdings denkt er nicht darüber nach, wie Songs bei Jüngeren oder Älteren ankommen könnten. Trotz der mittlerweile generationsübergreifenden Community schreiben All Time Low ihre Texte in erster Linie für sich selbst.
„Dasselbe gilt für Songs wie ‚Everyone‘s Talking‘ oder ‚Little Bit‘, die sich mit Selbstfindung, Wachstum und dem Leben als Bandmitglied in den Dreißigern beschäftigen“, ergänzt Alex Gaskarth. Er betont allerdings auch die Wichtigkeit der Fan-Resonanz: „Dass Fans sich darin wiederfinden, ist großartig. Oft interpretieren sie Dinge ganz anders, als ich sie gemeint habe. Wenn mir jemand bei Shows erzählt, dass ein bestimmter Song ihm durch etwas Schweres geholfen hat – auch wenn ich ihn völlig anders geschrieben hatte – ist das unglaublich bereichernd. Genau deshalb machen wir das.“
Der Sound: Reife trifft Rebellion
Richten wir den Fokus auf den Sound, stellen Hörer:innen schnell fest, dass All Time Low ihren Gute-Laune-Chords treu geblieben sind – und doch klingt ihr Sound gereift. Im Interview beschreibt Alex das neue Album als „teilweise rau, chaotisch, frech und ungestüm.“ Dabei vergleicht er den Sound mit den ersten Platten von All Time Low.
„Gleichzeitig ist es [das Album] aber auch gelassener, reifer und selbstbewusster“, fährt der Sänger fort. „Wir wissen inzwischen, wer wir sind. Diese Version von All Time Low steht sehr klar zu sich selbst. Das liebe ich an unserem jetzigen Status.“ Dabei hat sicherlich auch die Gründung ihres eigenen Labels Basement Noise Records beigetragen, über welches „Everyone‘s Talking!“ veröffentlicht wurde.
Insgesamt verlassen All Time Low ihre Pop-Punk-Blase auf der Platte nur in kleinen Schritten. Auf der Single „SUCKERPUNCH“ konnten Fans bereits vorab die Klänge von 80er-Jahre-Synths vernehmen. Wie der Sänger verrät, hat er sich in den Strophen von seinen Lieblingskünstlern des genannten Jahrzehnts inspirieren lassen: „Ein bisschen Quincy Jones, ein bisschen Genesis und dann dieser große Refrain, der eher typisch All Time Low ist.“
Dabei spielt die richtige Portionierung der Genres eine große Rolle: „Es geht darum, solche Elemente zu mischen, ohne dass es zusammengestückelt wirkt. Ich finde, das ist uns auf dieser Platte richtig gut gelungen – daraus hat sich der Sound dieses Albums entwickelt.“
„Everyone‘s Talking“ – das finale einer Ära
Einen soundtechnischen Ausreißer findet man auf „Everyone‘s Talking!“ trotzdem. Auf der Pop-Ballade „Sugar“ experimentiert die Band in eine neue Richtung: „Auf dem Song finden sich Sounds und Vibes, mit denen wir als Band noch nicht gearbeitet haben. Es gibt einen kleinen R&B-Touch“, erklärt Alex. Er fährt fort: „Es geht einfach darum, neue Wege einzuschlagen und Dinge auszuprobieren – natürlich im Rahmen dessen, was wir als Band machen. Aber es bringt uns an neue kreative Orte. Das macht Spaß und hilft uns, nicht zu stagnieren.“
Besonders in der heutigen Zeit, in der das Schubladendenken abgelegt wird und Genres aufgebrochen werden, macht das Experimentieren für eine Band besonders Spaß. Das findet auch der Sänger: „Es ist eine superspannende Zeit. Früher wurde man quasi in Genres eingesperrt – als Fan und als Künstler. Man hatte das Gefühl, sich an Regeln halten zu müssen. Heute ist Musik ein Spielplatz. Künstler und Künstlerinnen probieren mehr aus. Und auch wir haben auf jedem Album mindestens einen ‚Ausreißer‘-Song gehabt. Manchmal hat‘s funktioniert, manchmal weniger, aber wir haben immer experimentiert. Heute fühlen wir uns dabei sicherer und selbstbewusster.“
Dabei wünscht sich der Sänger, dass auch Fans dieses stärkere Selbstbewusstsein sehen. Auf die Frage, wie „Everyone’s Talking!“ in Erinnerung bleiben soll, antwortet Alex:
„Ich fände es schön, wenn man sagt, dass es ein sehr gereiftes und selbstbewusstes Bild dessen ist, was diese Band sein kann. Unsere letzten drei Alben – ‚Wake Up Sunshine‘, ‚Tell Me I‘m Alive‘ und dieses hier – gehören für mich zu einer Phase. Mit ‚Wake Up Sunshine‘ haben wir eine neue Stufe erreicht. Diese drei Platten sind sehr wichtig in unserer Geschichte. Mit dieser Ära ab 2019/2020 hat All Time Low einen neuen Weg eingeschlagen. Wir haben uns selbst wiedergefunden und wissen, wer wir sind. Und ich hoffe, dass ‚Everyone‘s Talking!‘ die stärkste und vollständigste Version dieser Ära ist.“
Zurück auf die hiesigen Bühnen
Doch bevor wir über Nostalgie sprechen dürfen, geht es erst einmal richtig los für die Band. Während sie sich zum Zeitpunkt des Interviews in den Staaten auf Tour befanden, kehren All Time Low 2026 nach mehr als drei Jahren auch nach Deutschland zurück – natürlich, um ihre neue Platte zu feiern. Der Fronter freut sich „total, die neuen Songs live zu spielen“. Doch ebenso betont er, dass alle Alben repräsentiert werden sollen: „Die Leute begleiten uns seit so vielen Jahren. Und gerade, weil wir lange nicht in Deutschland waren, wollen wir auch Songs spielen, die viele eine Weile nicht live gehört haben.“
Tourdaten
All Time LowEveryone’s Talking! Tour 2026
Special Guests: Mayday Parade, Four Year Strong & The Paradox
- 30.01.2026 – DE – Leipzig, Haus Auensee
- 31.01.2026 – DE – Hamburg, Große Freiheit 36
- 06.02.2026 – DE – Köln, Palladium
- 12.02.2026 – DE – München, Tonhalle

Groß nachdenken, ob die Band ihre Setlist für die gewachsene – vor allem generationsübergreifende – Community anpassen muss, muss Alex nicht. „Es kann herausfordernd sein, alle anzusprechen, aber nach 20 Jahren wissen wir, was live funktioniert. Dass unsere Fanbase jetzt generationsübergreifend ist, finden wir unglaublich schön. Bei unseren Shows sind Menschen aller Altersgruppen, und das macht uns stolz. Die Community rund um All Time Low ist etwas Besonderes – egal, ob jemand seit 15 Jahren dabei ist oder uns erst letztes Jahr entdeckt hat. Die Energie ist bei allen gleich. Wir müssen nicht für einzelne Zielgruppen spielen – alle sind dabei und bereit zu feiern. Das lieben wir.“
Besonders freut sich der Sänger darauf, „Little Bit“ vom neuen Album live zu spielen. „Ich glaube, der wird live richtig eskalieren. Ich kann es kaum erwarten, die Leute im Pit zu sehen“, erklärt Alex aufgeregt zum Abschluss.
Foto: All Time Low / Offizielles Pressebild
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