
Live
Punkrock
Live bei: Feine Sahne Fischfilet in Karlsruhe (30.06.2023)
Pyromanisch.
VON
Tamara Jungmann
AM 03/07/2023
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Nach längerer Pause, Bandkrise und einer neuen Album-Schaffensphase machen die Polit-Punkrocker Feine Sahne Fischfilet wieder die Bühnen der Nation unsicher. Neben den spontanen Dorf-Konzerten in den Garagen ihrer Fans startete die Kombo aus Mecklenburg-Vorpommern am Freitag in Karlsruhe den deutschen Teil ihrer großen „Alles Glänzt“-Open-Air-Tournee. Dort gab es neben Matsch und internationalem Support vor allem eins zu sehen: bunte Pyrorauch-Action in allen Farben.
Die Location Kulturbühne in Karlsruhe sorgte bei einigen Besucher:innen im Voraus für Verwirrung. So mancher vermutete einen Auftritt von Scooter, Johannes Oerding und Feine Sahne Fischfilet auf der ebenso benannten DAS FEST-Bühne. Tatsächlich handelt es sich bei dieser noch recht jungen Location aber um eine Veranstaltungsstätte am außerstädtischen Messegelände von Karlsruhe – mit also nicht viel mehr im Umkreis als Badeseen und Äckern. Umso beachtlicher, wenn man Nachricht erhält, dass die Konzertklänge doch noch bis in die Häuser umliegender Vororte schallten.
Denn an diesem Freitagabend, den 30. Juni sollte das badische Umland einen kleinen Punksturm erleben. Nass wurde dabei niemand, der erwartete Regen ließ sich bereits um die Mittagszeit ab und sorgte lediglich für matschiges Gelände – nichts, was die Karlsruher Punkmeute aufgehalten hätte.
Maid Of Ace
Kurz nach 18 Uhr ist der Platz noch recht leer, einige wenige Fans haben sich bereits vor der Bühne eingefunden und umringen einen großen Mann, der sich zu einer kleinen spontanen Fotosession überreden lässt. Es ist Monchi, Frontmann von Feine Sahne Fischfilet, der ein paar Momente später den ersten Wellenbrecher mit der Stage tauscht. Von dort begrüßt der Vorpommeraner erstmal Stuttgart, so wie man das in Karlsruhe gerne macht, wenn man (freundlich) provozieren möchte. Mit jener Ankündigung betritt auch die britische All-female-Konstellation Maid Of Ace die Kulturbühne.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen, rockt das Quartett Punkt halb sieben los – cool, rotzig, frech und in typischer Punkmanier in feuernden 3-Akkord-Klang gehüllt. Die Band bringt eine Attitüde mit, die beeindruckt; Musik und Vibe der Gruppe wissen Maid Of Ace authentisch zu präsentieren. Das Publikum gibt sich (bis auf ein sehr dünn besetztes Moshpit) zurückhaltend, dennoch fällt auf, dass die Wahl der All-female-Supportgruppe positiv begrüßt wird: Als der Auftritt der vier Frauen eine halbe Stunde später endet, überschlagen sich die Zugaberufe.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Comeback Kid
Auch das eigentlich durchaus bekannte kanadische Stück Hardcore-Geschichte Comeback Kid scheint den Karlsruhern nicht unbedingt geläufig. Zwar ist gegen 19:30 Uhr vor der Bühne ordentlich was los, Sänger und Frontmann Andrew Neufeld scheint die angezogene Stimmung allerdings noch nicht wirklich zu befriedigen. So ruft er zwischen verausgabenden Sprint- und Sprung-Einlagen das Publikum trotz fehlendem Songwissens und dem angeblichen Umstand, noch nie etwas von seiner Band gehört zu haben, immer wieder auf, wenigstens Riffs und Backvocals mitzusingen.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Mit dem Auftritt des Quintetts ändert sich dennoch der Vibe dieses Open-Air-Konzertabends. Comeback Kid sorgen mit ihrer härteren Musik und energetischen Art für anstachelndes Festival-Feeling und können das Publikum zu zahlreichen Aufwärm-Circle-Pits und Crowdsurf-Einlagen motivieren.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Feine Sahne Fischfilet – ein Bengalo kommt selten allein
Die Ankunft des Headliners wird mit wehendem „Komm Mit Auf‘s Boot“-Banner und dem vom Band laufenden Punk-Klassiker „Halbstark“ eingeläutet. Der erste Wellenbrecher, sowie die Ränge dahinter sind nun dicht besiedelt und das Publikum zum Ausrasten und Party machen bereit. Mit „Kiddies im Block“ fallen Banner und jegliche Hemmungen – vor und auf der Bühne zünden die ersten Pyrotechnik-Stangen und das Karlsruher Messegelände hüllt sich in bunten Rauch und Leuchtfeuer. Vor jeglicher Begrüßungs-Ansage wird das Publikum mit der Band-Hymne „Alles auf Rausch“ weiter zum Ausrasten aufgeputscht – die Stimmung ist bereits jetzt auf einem Hoch angekommen, dass die nächsten zwei Stunden nicht abklingen wird.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Überall im Publikum öffnen sich wilde Mosphits in denen sich ältere Besucher wie Kinder, Frauen wie Männer gegenseitig einen schönen, eskalativen Abend bescheren. Der Text eines jeden Liedes sitzt, so auch zu älteren Nummern wie „Gehen Oder Bleiben“ und dem neuen „Komm Mit Auf’s Boot“. Zu „Mit Dir“ darf Trompeter Max auf einem Bananenboot die Publikumswellen reiten, Fans sind darauf ebenfalls herzlich willkommen. Zu „Warten auf das Meer“ kehrt erstmals etwas mehr andächtige Ruhe ein, Neuzugang Hauke Segert präsentiert dabei erfolgreich sein Können am Mikro, vor allem als er zusammen mit Monchi seine Einstands-Hymne „Tut Mir Leid“ zum Besten gibt.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Die Fans sind vorbereitet und schwingen zum neuen Good-Vibes-Banger „Diese Eine Liebe“ ein riesiges „Alles-Glänzt“-Banner und entzünden erneut bunte Freudenfeuer.
Emotionen, auch außerhalb des Partytums
Neben den eskalativen Party-Tracks der Band, zu denen ordentlich gefeiert wird, lässt es sich Frontmann Monchi Gorkow dennoch nicht nehmen, auch die ein oder andere Entstehungsgeschichte zu den lyrisch-schwerwiegenden Songs zu teilen. So wird es nach dem zerstörungswütigen Anfang der Show mit Liedern wie „Irgendwann“, der anlässlich des Todes eines Feine Sahne-Fans geschrieben wurde, „Angst zu Erfrieren“, einer sehr persönlichen Nummer über die Gefühlswelt der Band betreffend der Anfeindungen, die sie erleben, „Zuhause“ und „Wenn wir uns sehen“, über die Arbeit eines befreundeten Seenotretters, nun sehr viel emotionaler und aufwühlender.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Auch politische Fingerzeigs gehen raus an den aktuellen Wahlsieg der AfD in Sonneberg (dort hat die Band übrigens ein spontanes Konzert angekündigt), sowie die aktuellen Proteste in Frankreich. In seinen Ansagen gibt sich der gebürtige Norddeutsche alle Mühe, keine leeren Parolen zu schwingen, sondern ruft dazu auf, Personen abzuholen und ihnen Alternativen zu rechtem Gedankengut zu schenken: „Dass wir hier vor Ort alle Nazis scheiße finden, wissen wir ja“. Außerdem wird zum Informieren und Spenden aufgerufen, Kein Bock auf Nazis und die Organisation der Seenotrettung Compass Collective sind ebenfalls vor Ort. Mit dieser Politisierung wird es zu „Solange es brennt“, „Wut“ und „Dreck der Zeit“ nochmal wütend und laut; Fäuste werden gen Himmel gehoben.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Ein Ende mit Wumms
Das Ende dieses Hit-geladenen Feine Sahne-Abends wird mit dem neuen Party-Stück „Freaks dieser Stadt“, dem Schunkler „Wo niemals Ebbe ist“ und dem Festival-Banger „Geschichten aus Jarmen“ eingeläutet. Zur dritten Zugabe schwenkt der durchgeschwitzte, aber immer noch strahlende Monchi eine Karlsruhe-Flagge und schenkt dem Publikum mit „Wir haben immer noch uns“ ein emotionsgeladenes Feuerwerk an Gemeinschaftsgefühl. Mit „Komplett im Arsch“ wird dann nicht nur der verschwitzte und Matsch-besudelte Zustand der Zuschauer:innen des Abends gedeutet, sondern nochmal deren letzte Energiereserven zum großen anarchischen Finale aufgebraucht.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
Ein wundervoller Abend mit überbordender Stimmung, guten Freunden, wichtigen Botschaften und einem Programm, dass es in sich hat, geht zu Ende und bestätigt – Feine Sahne Fischfilet sind live einfach unschlagbar.
Fotos im Auftrag von MoreCore.de: Lisa Bressmer (lisa_brss)
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