
Review
Alternative Pop Rock
Kritik: The Rasmus - „Weirdo“
„Weirdo“ zeigt eine Band, die 2025 vor allem eins ist: erschreckend gewöhnlich.
VON
Tobias Tißen
AM 07/09/2025
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Es gibt Songs, die man nie wieder vergisst, wenn man zur Veröffentlichungszeit bewusst Musik gehört hat. „In The Shadows“ ist so ein Fall: ein Welthit, der The Rasmus 2003 plötzlich aus Finnland heraus in die ganze Welt katapultierte. Goth-Rock; verführerisch, düster, unverschämt eingängig – ein Song, der heute noch auf jeder 2000er-Party läuft.
Nach dem Mega-Hit folgten 2005 und 2008 noch zwei einigermaßen erfolgreiche Alben. Die Jahre danach waren dann mehr von Experimenten, Brüchen und zuletzt einem ESC-Abenteuer geprägt: 2022 traten The Rasmus mit „Jezebel“ beim Eurovision Song Contest an – ein Versuch, die eigene Karriere auf die große Bühne zurückzuhieven. Statt dem Triumph gab es aber nur viele „Ach, die gibt’s noch“-s und ein enttäuschender 21. Platz. Was dann auch nur drei Plätze besser war als der (erneute) deutsche Totalausfall Malik Harris („Rockstars“).
Gitarrist Pauli Rantasalmi stieg aus, Emppu Suhonen übernahm, und Frontmann Lauri Ylönen versprach ein Album, das wieder mutig und stark sein sollte. „Weirdo“ heißt diese elfte Platte nun. Sie soll das Anderssein feiern, das „Weird-Sein“ zum Manifest erheben. Klingt stark. Leider klingt das Ergebnis wie ein beliebiger Versuch, sich an aktuelle Trends anzubiedern. Statt weird zu sein, sind The Rasmus 2025 vor allem eins: langweilig normal.
„Weirdo“: Midtempo-Hölle und Bombast ohne Seele
Schon der Opener „Creatures of Chaos“ soll als Hymne für Außenseiter taugen. Heraus kommt ein Stampfen, das zwar ein paar leichte Uptempo-Vibes vorgaukelt, aber spätestens nach zwei Minuten in Belanglosigkeit versinkt. Man kann nett den Kopf mitwippen, klar. Doch was hängenbleibt, ist nicht Chaos, sondern gepflegte Langeweile.
Ist „Break These Chains“ (feat. Niko Vilhelm von Blind Channel) im Anschluss der große Befreiungsschlag, der im Titel versprochen wird? Haha, nein. Das Midtempo-Riff, die überlang gezogenen Vocals und ein Text, der mit Zeilen wie „true passion makes you bleed“ auf pseudo-düster macht, lassen den Song eher unfreiwillig komisch wirken.
„Rest in Pieces“ versucht es dann immerhin mit mehr Härte. Die Drums knallen, die Gitarren haben Wucht, und immerhin wirkt der Song weniger steril als das meiste andere auf „Weirdo“. Aber auch hier: Midtempo-Bombast, dessen größte Provokation ein „Motherfucker“ am Ende ist. Eher peinlich als kathartisch.
The Rasmus schielen auf den Fernsehgarten
Erste drei Songs überstanden. Wer denkt, dass es doch jetzt mal bergauf gehen muss, hat sich geschnitten. „Dead Ringer“ ist schunkeliger Goth-Pop mit einer Melodie, die die Finnen endgültig für einen Spot zwischen dem Comeback-Grafen von Unheilig und den beiden Cringe-Cowboys von The BossHoss auf der ZDF-Fernsehgarten-Bühne qualifiziert. Der Semi-Rap-Part zwischendrin? Brrr, Gänsehaut! Vor dem inneren Auge schwingt Andrea Kiewel die Pommesgabel.
[Kleine Anmerkung dazu: Mittlerweile sind The Rasmus tatsächlich im ZDF Fernsehgarten aufgetreten. Zum Zeitpunkt, als die Kritik geschrieben wurde, war darüber noch nichts bekannt. Die Finnen mussten zwar ohne Unheilig und BossHoss auskommen, trafen dafür aber u. a. auf Bülent Ceylan, Battle Beast, Smash Into Pieces und natürlich Kiwi.]
Selbst der Titelsong „Weirdo“ selbst verfehlt sein Ziel komplett. Er sollte doch Herzstück und Statement sein, schleppt sich aber wieder nur in zähem Midtempo dahin. Wenn Lee Jennings von The Funeral Portrait einsetzt, wird einem bewusst, wie monoton Lauri im Kontrast dazu inzwischen klingt. Wo ist hier das „Weird“? Der Song ist so gewöhnlich, dass er ironischerweise das komplette Album perfekt beschreibt.
„Banksy“ ist Punk – für The Rasmus-Verhältnisse
Dann immerhin „Banksy“: Zwei Minuten Stakkato-Gitarren, ein paar Oh-Uh-Oh-Chöre, endlich mal ein bisschen Tempo. Trotzdem maximal glatt und steril – aber für The-Rasmus-Standards ist das wohl schon Punkrock.
„Love Is A Bitch“ ist schließlich der große Stilbruch. Gepfeife, Falsett-Einstieg, ein Rhythmus, der stark nach Maroon 5 klingt. Passt das ins Album? Absolut nicht. Ist es genau deswegen der bisher spannendste Moment auf „Weirdo“? Definitiv.
Dieter Bohlen lässt grüßen
Auch die letzten drei Songs zeigen noch einmal, warum „Weirdo“ so enttäuschend ist. „You Want It All“ klingt, als hätte Dieter Bohlen eine Rocknummer geschrieben: glatt, generisch, dazu ein Refrain, der so kalkuliert wirkt, dass er dem nächsten DSDS-Gewinner zielsicher zu Platz 87 in den deutschen Single-Charts verhelfen würde.
„Bad Things“ bringt zumindest nochmal kurz Abwechslung. Der Refrain erinnert fast an eine sehr glatte Hair-Metal-Hymne, es gibt sogar ein Gitarrensolo – das allerdings unter der dicken Produktionsschicht verschwindet.
Zum Schluss „I’m Coming For You“: eine verträumte Ballade mit „Oh-Oh-Oh“-Chor. Tut immerhin nicht weh, klingt wohlig-schwofig – aber auch hier plätschert es mehr, als dass es mitreißt. Kein großes Finale, sondern ein belangloses Auslaufen. So endet ein Album, das von Anfang bis Ende zu wenig riskiert.
Foto: Venla Shalin / Offizielles Pressebild
Weirdo
Künstler: The Rasmus
Erscheinungsdatum: 12.09.2025
Genre: Alternative, Rock
Label: Better Noise Music/Playground Music
Medium: Streaming, CD, Vinyl, etc
- Creatures of Chaos
- Break These Chains (feat. Niko Vilhelm von Blind Channel)
- Rest in Pieces
- Dead Ringer
- Weirdo (feat. Lee Jennings von The Funeral Portrait)
- Banksy
- Love Is a Bitch
- You Want It All
- Bad Things
- I’m Coming for You
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