
Review
Rock
Kritik: Mammoth - „The End“
Alle Zutaten stimmen, aber die letzte Durchschlagskraft fehlt.
VON
Tobias Tißen
AM 19/10/2025
Artikel teilen:
Es gibt Künstler, die ganze Karrieren darauf aufbauen, das Kind von jemandem zu sein. Auch Wolfgang Van Halen hat sein in der Gitarrenwelt so populärer Nachname sicherlich etwas Starthilfe gegeben – doch wie kaum ein anderer hat er hartnäckig daran gearbeitet, sich vom Mythos seines Vaters Eddie Van Halen zu lösen.
Musste er seiner eigenen Band wegen einer Rechteproblematik zunächst noch seine Initialen „WVH“ anhängen, kann er sie nun endlich streichen – es bleibt das einfache Mammoth. Und es wirkt, als hätte der 34-Jährige damit auch endgültig die Emanzipation von seinem Nachnamen geschafft.
Mammoth spielen die Mammut-Festivals, Wolfgang Van Halen steht auf den größten Bühnen der Welt – unter anderem beim Tribute-Konzert für Taylor Hawkins oder bei den Oscars 2023, wo er „I’m Just Ken“ vom „Barbie“-Soundtrack auch live seinen Gitarrenstempel aufdrücke. Dass sein Vater einer der legendärsten Gitarristen der Welt ist: mittlerweile Randnotiz.
Und so passt auch der Titel des neuen Albums: „The End“. Das Ende einer Ära – und der Beginn einer neuen. Als Mammoth, nicht mehr als Mammoth WVH.
Geändert hat sich ansonsten aber nicht viel: Van Halen ist wieder als Ein-Mann-Kapelle unterwegs, hat alle Instrumente selbst eingespielt, stand zudem am Mikro. Das Genre: hook- und riff-lastige Rockmusik mit Stadion-Appeal.
Mammoth: Neuer Name, gleiche DNA
Dass Mammoth mit der Kürzung des Bandnamens nicht die eigene Identität über Bord werfen, macht „One Of A Kind“ direkt zum Start unmissverständlich klar: breitbeinig, die Drums hämmern, das Riff zieht die Strophe nach vorn. Im Refrain öffnet sich die Melodie, setzt sich mit unaufdringlichen Chören im Kopf fest. Der Opener atmet Foo Fighters und Stadionrock.
„The End“ beginnt anschließend mit virtuosem Two-Hand-Tapping – eine tiefe Verneigung in Richtung Familiengeschichte –, bevor Drums, Bass und Gitarren wieder wie Zahnräder ineinandergreifen. Genau hier macht sich bezahlt, dass Mammoth (zumindest im Studio) ein Ein-Mann-Projekt ist: Alles aus einer Hand, alles stringent.
Und es wird klar: Wolfgang Van Halen beherrscht nicht nur das Einmaleins der Instrumente, sondern bringt für jedes ein natürliches Gespür mit. „Same Old Song“ hält die Energie hoch und macht den starken Albumauftakt mit einem kantigen Hard-Rock-Riff, dessen Groove den Song zum stampfenden Kopfnicker macht, endgültig rund.
Alt-Rock statt Altlasten
Mit „The Spell“ schlägt die Nadel weit in Richtung 00er-Jahre-Alt-Rock-Schule aus, wo Wolfgang Van Halen sich selbst ein paar seiner ersten Sporen verdiente – von 2012 bis 2016 war er Bassist bei Tremonti, dem Solo-Projekt von Alter-Bridge-Gitarrist Mark Tremonti. Ein großer, von Gitarren getragener Refrain und ein einprägsames Riff sorgen für den nächsten sehr soliden Heavy-Rocker.
„I Really Wanna“ startet danach mit einem schweren, fast industrial-mäßigen Riffing, dem WVH in Strophe und Chorus einen lässigen Groove verpasst – clever angepoppt, fast tanzbar, der „hittigste“ Moment bis hierhin. Ärgerlich nur die zentrale Zeile „I really wanna fuck with you“: Als Attitüde okay, in dieser Direktheit aber plump und klar unter dem musikalischen Niveau des Tracks.
Unterm Strich steht nach der ersten Hälfte: Wolfgang Van Halen spielt sein enormes musikalisches Talent voll aus und liefert das, was er liebt – melodischen, trotzdem treibenden Hard Rock, mit deutlich mehr Anleihen an Dave Grohl und Myles Kennedy, an 90er und 2000er als an Vater Eddie und David Lee Roth, an klassischen 70er- und 80er-Rock.
Was allerdings – wie schon auf den ersten beiden Mammoth-Platten – weiterhin schmerzhaft fehlt, ist der ganz große Über-Hit, der Festival-Massen anzündet und in Stadien mitgegrölt wird.
Wenn die Formel nicht mehr zündet
Bei allen hochwertigen Zutaten tut’s fast weh zu sagen: Dieser Hit kommt auch in der zweiten Hälfte nicht mehr.
„Happy“ und „Better Off“ treten merklich auf der Stelle. Zwei solide Midtempo-Rocker mit netten Tempo- und Taktwechseln, sauber arrangiert – und doch schleicht sich das Déjà-vu ein. Riff, Aufbau, großer melodiöser Refrain, kurzes Solo: Das Rad dreht sich spürbar in der bekannten Spur, nur diesmal etwas weniger zwingend. Gerade „Happy“ trägt im Chorus viel 90er-(Post-)Grunge-DNA in Stimme und Gitarren – angenehm, aber nicht aufregend.
„Something New“ eröffnet mit Doppelgitarren, die kurz an AC/DC erinnern, kippt danach aber zurück in den melodischen Alt/Hard-Rock, der die Platte prägt.
„Selfish“ legt instrumentell den härtesten Auftritt hin: Metal-Riff, knackige Drums, ordentlich Schub. Schade aber: Ausgerechnet die Hook wirkt flachbrüstig neben einer Rhythmussektion, die eigentlich nach Abriss schreit.
Auch der Rausschmeißer „All In Good Time“ wird nicht weit über die Laufzeit hinaus im Ohr bleiben, ist aber immerhin der emotionalste Moment der Platte: ein mitreißender Midtempo-Song ohne Schmalz aus der Dave-Grohl/Myles-Kennedy-Schule – große Stimme, große Geste, aber geerdet.
Foto: Mammoth / Offizielles Pressebild
More Reviews