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Kritik: Boston Manor - “Sundiver”
Im Frühjahr 2016 bespielte eine schüchterne, junge Band aus Blackpool zum ersten Mal im Vorprogramm von Crooks UK die Clubbühnen ...
VON
Malin Jerome Weber
AM 06/09/2024
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Im Frühjahr 2016 bespielte eine schüchterne, junge Band aus Blackpool zum ersten Mal im Vorprogramm von Crooks UK die Clubbühnen Europas. Mit zwei EP’s und ihrem leichtgängigen Emo/Pop-Punk-Sound im Gepäck wussten Boston Manor auch zu diesem Zeitpunkt schon zu überzeugen. Dass sie jedoch drei Jahre später vom Loudwire Magazin zu einer der 16 Bands gekürt werden, die die moderne Rockmusik im Vereinigten Königreich definieren, hätte am 21.02.2016 wahrscheinlich niemand im Kölner Underground kommen sehen. Aber der beeindruckende Lauf von “Welcome To The Neighbourhood” (2018) bis hin zu “Datura” (2022) spricht nun mal für sich. Dass sich der Erfolg trotz der unfassbar hohen Hitdichte ihrer Diskografie immer noch in Grenzen hält, lässt sich langsam nicht mehr wirklich erklären.
Könnte ihre neueste Platte “Sundiver” daran etwas ändern? Vielleicht! Auch auf ihrem fünften Album haben Boston Manor ein gutes Gespür dafür, die richtigen Zutaten zusammenzuführen, um catchige und vielseitige Rocksongs abzuliefern. Mit Songs wie “Horses In A Dream” und “What Is Taken, Will Never Be Lost” wagt sich die Band sogar mehr denn je aus ihrer Komfortzone heraus und taucht dabei sehr gekonnt in Pop- und R’n’B-Gefilde ein. Aber auch wenn sie dort oder mit den starken Vorabsingles “Container” und “Sliding Doors” zu überzeugen wissen, offenbart sich spätestens in der zweiten Hälfte, wie gut das Quintett doch mit der kurzen Spielzeit ihrer letzten beiden Releases dran war. Auf Gassenhauer in der hohen Qualität von “Halo” oder “Foxglove” wartet man leider ebenfalls vergebens.
Boston Manor präsentieren einen spannenden Mix
So oder so macht es dennoch großen Spaß mit anzuhören, welche neuen Elemente die gewohnte Boston Manor-Formel ergänzen. Während “Sliding Doors” und “Why I Sleep” ihren Deftones-Einfluss kaum verstecken können, bestechen “Fornix” und “DC Mini” vor allem durch gewagte Harmonien, die den Songs einen etwas spezielleren Touch geben. Auf Letzterem finden sich mit Heriot sogar ein wenig unerwartete Feature-Gäste, die sich in der wuchtigen Bridge die Ehre geben. Im Gegenzug dazu kommt das mit Indie-Elementen bespickte “Dissolve” daher, das durch seine Tanzbarkeit und die unglaublich clever geschriebenen Gesangsmelodien eins der Highlights der Platte bildet. Wie schon in der Vorabsingle “Horses in A Dream” bekommt man fast das Gefühl, dass Sänger Henry Cox mal kurz seinen inneren Justin Timberlake heraufbeschworen hat.
Es sind immer verschiedene Fokuspunkte, die die jeweils einzelnen Songs auf “Sundiver” tragen. So ist es bei “Why I Sleep” das Riffing, bei “What Is Taken, Will Never Be Lost” die Atmosphäre und bei “Horses in a Dream” der Gesang. Aber auch wenn jeder Track auf dem Album seine eigenen Stärken besitzt, ergeben sich trotz allem größere Qualitätsunterschiede. So wollen manche Refrains einfach nicht so recht zünden und straucheln zusätzlich in der Produktion. Hier und da wünscht man sich besonders bei den Vocals noch die letzten 10% im Feinschliff. Das Gleiche gilt für die Drums, genauso wie für den tieferen Frequenzbereich, der vor allem in “HEAT ME UP” leider viel zu kurz kommt. Besagter Song bringt auch im Songwriting nicht viel Neues mit auf die Platte und weist starke Parallelen zum auf “Datura” vertretenen “Passenger” auf.
Trotz aller Schwächen ein besonderes Erlebnis
Was aber “Sundiver” am Ende des Tages doch zu einer hörenswerten Platte macht, ist das Selbstbewusstsein und die Entschlossenheit, mit der Boston Manor hinter ihrem neuesten Streich stehen. So bildet LP Nummer 5 das hellere Gegenstück zum in seiner Ästhetik eher düster gehaltenen Vorgänger “Datura”. Sänger Henry Cox spricht darüber, wie die Band sich vorgenommen hatte, “strahlenden Sonnenschein” musikalisch abzubilden, ohne „zu fröhlich“ zu klingen. Ein Unterfangen, das ihnen definitiv gelungen ist und die Tracks im 18 Songs umfassenden Doppelalbum-Kontext nochmal in einem ganz anderen Licht erstrahlen lässt. Auch wenn am Ende nicht ganz ein Schuh aus Teil 2 wird, kann man den Briten kaum vorwerfen, dass sie nicht (mal wieder) etwas ganz Besonderes geschaffen haben.
Beitragsbild: Megan Doherty / Offizielles Pressefoto
Sundiver
Künstler: Boston Manor
Erscheinungsdatum: 06.09.2024
Genre: Pop-Punk, Punkrock
Label: SharpTone Records
Medium: CD, Vinyl, etc
- Datura (Dawn)
- Container
- Sliding Doors
- HEAT ME UP
- Horses In A Dream
- Morning Star
- Why I Sleep
- Fornix
- Dissolve
- What Is Taken, Will Never Be Lost
- DC Mini (feat. Heriot)
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