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Tallah: Sänger Justin Bonitz spricht über seine HIV-Erkrankung

Hier seine Worte.

VON AM 07/09/2025

Tallah-Frontmann Justin Bonitz hat in einem Gastbeitrag für den US-Metal Hammer offen über sein Leben mit HIV gesprochen. Im Oktober 2024 war bei ihm das Virus diagnostiziert worden. Zwar hatte er seine gesundheitliche Situation schon zuvor öffentlich gemacht, doch diesmal handelt es sich um seine bisher ausführlichste Stellungnahme.

Da für die Band die bislang umfangreichste Tour seit seiner Diagnose ansteht, entschied sich Bonitz dabei für vollständige Transparenz. In seinem Artikel beschreibt er ausführlich, wie er die Diagnose erhielt und welche Folgen sie für sein Leben hat.

Justin Bonitz (Tallah) darüber, wie es ist, mit HIV zu leben

„Am 14. Oktober 2024 kam ich aus dem Studio zurück und öffnete einen Brief vom Krankenhaus. Ich erholte mich gerade von einer Lungenentzündung, hatte Blut im Stuhl – und ich hatte gerade die Gesangsspuren für das neue Tallah-Album Primeval: Obsession // Detachment fertiggestellt, die ich in einem einzigen, durchgehenden, unbearbeiteten Album-Take aufgenommen habe. Es war ohne Zweifel der stolzeste Moment meines ganzen Lebens, und ich schwebte noch auf dieser Welle … bis ich den Brief öffnete.

Zwei Monate zuvor hatte ich meinen Arzt um Blutuntersuchungen gebeten. Im Brief stand, dass das Labor einen Test nicht durchgeführt hatte, also müsse ich zurückkommen. Am nächsten Nachmittag war das Ergebnis da: HIV-positiv.

Man denkt immer, dass es einem selbst nicht passieren kann – bis es passiert, oder? Ich war immer so vorsichtig! Ich bin 34 Jahre alt und hatte in meinem ganzen Leben nur sieben Sexualpartner – alles feste Beziehungen. Ich hatte nie eine STI, nie One-Night-Stands, nie Gruppensex, nichts dergleichen!

Im Juli 2024 hatte ich sogar meinen damaligen Partner gebeten, sich vor unserem Treffen auf HIV testen zu lassen, aber er hat es nie getan. Ich habe ihm trotzdem vertraut. Rückblickend hätte ich ihn bitten sollen, ein Kondom zu benutzen, aber ich war dumm. Seine Mitbewohnerin hatte ihn im Januar 2024 mit der Krankheit infiziert, und er hatte keine Ahnung davon.

Die ersten zwei Wochen nach der Diagnose waren sehr schwer. Ein existenzielles Grauen hing über mir wie tausend wütende Wespen. Ich fühlte mich verängstigt, beschämt, ekelhaft und entehrt.

Viele Monate vor all dem hatte ich die Texte für das neue Tallah-Album geschrieben – allerdings ohne ein Konzept im Kopf. Ich wollte, dass es persönlicher wird, also schrieb ich alles im Stream-of-Consciousness-Stil und setzte erst im Nachhinein eine Geschichte darauf. Nicht, dass ich dramatisch klingen will, aber wenn ich jetzt auf diese Texte schaue, frage ich mich: Habe ich meine Zukunft vorhergesagt?

Auf dem Album schrieb ich Dinge wie: ‚Es ist längst entschieden. Teste dein Schicksal nicht, denn du könntest hassen, was du findest … Es ist längst geschehen. Du holst nur auf.‘ Oder: ‚Doch hätte ich mich ausgedrückt, wäre ich wohl weit weg von hier. Ein Heide – dem ich erlegen bin. Ich gehe weiter und abwärts in den Müll.‘ Ich weiß nicht, warum ich diese Dinge geschrieben habe; es fühlte sich damals einfach richtig an. Und jetzt frage ich mich, ob da etwas in der Luft lag. Wer weiß!

Zum Glück sind wir nicht mehr in den 80ern. HIV/AIDS ist heute kein Todesurteil mehr, aber es gibt immer noch so viel Stigmatisierung. Die Menschen müssen besser aufgeklärt werden, was dieses Virus tatsächlich mit dem Körper macht.

Ich glaube, manche fühlen sich unantastbar, weil sie heterosexuell und glücklich verheiratet sind. Aber dieses Virus diskriminiert nicht. Es reicht, wenn dein Partner dich einmal betrügt, und dein Leben steht Kopf. Meins tat es definitiv.

Im letzten Jahr habe ich viele mentale und spirituelle Veränderungen durchgemacht. Neben der HIV-Infektion verursachten die Medikamente akute Nierenschäden, und dann bekam ich auch noch die Diagnose einer Autoimmunerkrankung namens Colitis ulcerosa. Es kam einfach Schlag auf Schlag! Ich fühlte mich demütig und besiegt, was viele Veränderungen in meinem Verhalten und meiner Einstellung nach sich zog – und jede Menge inspirierende Texte für mein Soloprojekt Hungry Lights.

Seit meiner Diagnose habe ich nur vier Shows gespielt. Bei den ersten beiden wartete ich noch auf meine Krankenversicherung, also bekam ich keine Medikamente, und jede Kleinigkeit machte mich verrückt, weil mein Immunsystem völlig am Boden war.

Eine Zeit lang sah ich Menschen nicht mehr als Menschen, so schlimm das klingt. Ich sah sie als mögliche Gefahren, die mich krank machen könnten. Ein Moshpit wirkte eher wie eine Kloake – denn seien wir ehrlich: Viele Menschen waschen sich nicht die Hände, halten sich beim Husten oder Niesen nicht den Mund zu, und wenn dein Immunsystem geschwächt ist, ist eine Menge schwitzender, schwer atmender Fans der reinste Albtraum. Ein Stück weit fühle ich das noch immer, aber ich bin Frontmann, und ich habe einen Job, also muss ich da durch.

Dank moderner Medikamente hat HIV meine körperliche Kraft oder Ausdauer überhaupt nicht beeinträchtigt. Ich habe kein Gewicht verloren, bin nicht abgemagert. Ich gehe täglich joggen für meine Nierengesundheit und trainiere mehrmals die Woche mit Gewichten, um stark zu bleiben. Mit den heutigen Behandlungen glaube ich, dass mich das natürliche Altern eher besiegen wird als diese Krankheit.

Das heißt aber nicht, dass nicht trotzdem ein nicht nachweisbarer Viruslevel in meinem Blut läuft. Und weil mein Immunsystem so stark reagiert, verursacht es systemische Entzündungen – was sich definitiv auf meine Stimmbänder auswirkt.

Zum Glück habe ich keine Range verloren, meine Stimme ist nicht dünner geworden, aber meine False-Cord-Screams klingen trockener, meine Fry-Screams und hohen Töne sind angespannter, und ich habe die Fähigkeit zum Whistle-Scream verloren. Am Anfang machte mich das traurig, aber meine Entscheidungen haben mich hierhergebracht, und ich muss mit den Konsequenzen leben. Ich bin dankbar, dass ich immerhin noch 90 Prozent von dem habe, was ich früher hatte.

Um ganz ehrlich zu sein: Vor Touren habe ich Bedenken. Meine Bands spielen live nicht mit Klicktrack, das heißt, es gibt keine Vocal-Backing-Tracks oder irgendetwas, hinter dem ich mich verstecken könnte.

Ich will keine Bands kritisieren, die das nutzen; ich sage nur, dass ich besonders auf meine Stimme und meine Gesundheit achten muss, wenn wir unterwegs sind – was die Interaktion mit den Fans einschränken wird. Hoffentlich verstehen sie das. Ich will kein Arschloch sein; ich will nur meine Gesundheit schützen, damit ich auch in den kommenden Jahrzehnten die bestmöglichen Shows liefern kann. Ich bin sicher, die Fans würden mich lieber mit eingeschränkter Interaktion sehen, als mich gar nicht zu sehen.

Ich will weiterhin meinen Träumen folgen, aber ich würde lügen, wenn ich sagte, dass ich bei Fotos, Händeschütteln und so weiter nicht unsicher bin. Meine Gesundheit muss an erster Stelle stehen. Ich hoffe nur, dass die Leute nicht schlechter von mir denken nach allem. Zumindest hoffe ich, ein gutes Beispiel für jeden sein zu können, der zu mir aufschaut.“

Bild: YouTube / „Tallah – depleted (Official Video)“

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