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R.I.P. Rob Reiner: Warum sein „This Is Spinal Tap“ der beste Musikfilm aller Zeiten ist
Rob Reiner ist tot. Aus diesem tragischen Anlass blicken auf das Vermächtnis eines Films, der Heavy Metal und Rockkultur bis heute prägt.
VON
Tobias Tißen
AM 18/12/2025
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- Minuten
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Ihr kennt das: Man schlägt morgens die (digitale) Tageszeitung auf und das schwarz-weiß gefärbte Porträt eines Prominenten blickt einem entgegen. So eine Todesnachricht kann aus verschiedenen Gründen schocken, bewegen – etwa, weil die Person und/oder ihr Schaffen einem besonders viel bedeutet hat oder weil der Tod sie auf so grausame Art und Weise heimgesucht hat.
Im Fall von Rob Reiner (78) trifft bei mir beides zu. Der Regisseur, der sich mit Filmen wie „Harry und Sally“, „Stand By Me“ oder „Misery“ einen Namen in Hollywood gemacht hat, wurde am 14. Dezember 2025 zusammen mit seiner Frau Michele Singer Reiner (68) tot aufgefunden. Das Ehepaar wurde allem Anschein nach im eigenen Haus in Los Angeles mit mehreren Messerstichen ermordet – ihr Sohn Nick (32) wurde noch am selben Abend als Hauptverdächtiger verhaftet und wurde mittlerweile wegen des Verbrechens angeklagt.
Es ist ein grausames, beinahe surreal wirkendes Ende für jemanden, dessen Name man sein Leben lang eher mit lakonischem Humor, warmherzigen Figuren und augenzwinkernden Dialogen verbunden hat.
Doch eben darauf wollen wir uns mit diesem Abschiedstext konzentrieren und einen Blick auf den Film werfen, mit dem Rob Reiner sowohl die Film- als auch die (Gitarren-)Musikwelt für immer geprägt hat: „This Is Spinal Tap“ (1984).
Die lauteste Band der Welt und das ehrlichste Bild vom Musikzirkus
„This Is Spinal Tap“ kam 1984 in die Kinos. Es war der erste Spielfilm des damals schon als Schauspieler erfolgreichen Rob Reiner. In der Rolle des Dokumentarfilmers Marty DiBergi verfolgt er die britische Heavy-Metal-Band Spinal Tap, bestehend aus Frontmann David St. Hubbins (Michael McKean), Lead-Gitarrist Nigel Tufnel (Christopher Guest), Bassist Derek Smalls (Harry Shearer) und dem x-ten Drummer Mick Shrimpton (R. J. Parnell), auf US-Tour.
Die Bilder wirken roh, die Kamera stolpert durch Backstage-Gänge und Hotelzimmer, die Interviews sind eine Mischung aus Großmaulerei, gekränkter Eitelkeit und hilflosem Rechtfertigen. Nicht wenige dachten vor 40 Jahren, bei Spinal Tap handele es sich um eine echte Band (was sie ja später auch wurde – aber dazu gleich mehr), die sich ihren Weg durch das steinige Musikgeschäft schlagen muss.
Und genau in diesem Spannungsfeld funktioniert der Film bis heute so wahnsinnig gut: Die Gags sind nicht einfach nur Witze über plumpe Metal-Klischees, sondern scharfe Beobachtungen eines Musikgeschäfts, das seine Helden immer wieder in Situationen manövriert, die zugleich lächerlich und brutal ehrlich sind.
Wenn sich Spinal Tap auf der Bühne verlaufen und irgendwo im Labyrinth der Arena landen, ist das absurd – aber jede Band, die schon mal in einer Mehrzweckhalle gespielt hat, weiß, wie nahe das an echten Tour-Erfahrungen klebt.
Realitätscheck für Musiker
Und auch mit seinen vielfältigen anderen Beobachtungen des Musik-Business traf Rob Reiner damals voll ins Schwarze – wie zahlreiche Musiker, die selbst die Höhen und Tiefen des von Sex, Drugs & Rock’n‘Roll erlebt haben, bestätigen.
So verriet Sting einst, dass er „nicht wusste, ob er lachen oder weinen sollte“, weil der Film so nah an der Realität sei. Ozzy Osbourne hingegen habe gar nicht erst lachen können, weil ihm der Film zu realitätsnah erschien. Und Dave Grohl beschrieb ihn als „Bibel“ für jeden, der in einer Band spielt, und nannte ihn einen „Realitätscheck“ für die Absurditäten des Musikgeschäfts.
„This Is Spinal Tap“ verhöhnt das Genre nicht von außen, er kommt von innen: von Leuten, die verstanden haben, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Ego größer ist als die Venue, in der man spielt, und die Merch-Verkäufe trotzdem nicht reichen, um die Busmiete zu decken. Dass die Figuren sich auch heute noch wie echte Musiker „lesen“ lassen, ist kein Zufall, sondern Ergebnis dieser präzisen, manchmal schmerzhaft genauen Sicht auf den Zirkus aus Tourplänen, Promoterminen und Scheitern auf offener Bühne.
Wie „Spinal Tap“ die Filmwelt für immer verändert hat
Was man aus heutiger Sicht schnell vergisst, ist, wie ungewöhnlich die Form von „This Is Spinal Tap“ im Jahr 1984 war. Die verwackelte Kamera, die scheinbar zufällig eingefangenen Momente, der Eindruck, man würde „echte“ Menschen bei etwas höchst Peinlichem beobachten – all das ist heute Standard in Comedy und Satire. Man denke nur an „The Office“ oder „Modern Family“. Damals war es ein Experiment.
„Spinal Tap“ nimmt die Ästhetik von Musikdokumentationen, die gerne zu Heiligenlegenden für Rockstars geraten, und dreht sie einmal auf links. Dass die US amerikanische Library of Congress den Film 2002 in das National Film Registry aufgenommen hat, ist letztlich nur die offizielle Bestätigung dessen, was Fans längst wussten: Hier geht es nicht nur um ein paar gute Gags, sondern um ein Stück Filmgeschichte, das begriffen hat, wie eng Komik, Fremdscham und eine gewisse Traurigkeit beieinander liegen.
Für die Musikwelt kommt noch etwas dazu: Der Film hat den Blick auf Band-Dokus verschoben. Nach „Spinal Tap“ wirkt fast jede ernst gemeinte Tour-Doku automatisch ein bisschen verdächtig, weil man nie ganz sicher ist, ob sich die Protagonisten nicht exakt so benehmen wie die Parodie. Dass Musiker und Musikerinnen bis heute von ihren „Spinal-Tap-Momenten“ erzählen, ist da nur folgerichtig – der Film hat ein Vokabular geliefert, um über die absurden Seiten dieses Jobs zu sprechen.
Der Kreis schließt sich: „Spinal Tap II“ ist Reiners letzter Film
Mit dem Tod von Rob Reiner schließt sich nach über 40 Jahren ein Kreis. Nun steht nämlich fest, dass der erst vor wenigen Monaten erschienene „Spinal Tap II: The End Continues“ nicht nur die Fortsetzung von Reiners erstem Film als Regisseur, sondern zugleich auch seine letzte Regiearbeit ist.
In den Jahrzehnten zwischen beiden Filmen ist Spinal Tap von einer fiktiven Idee zu einem ganz realen Phänomen geworden – mit echten Alben, Tourneen, TV-Auftritten und Festivalshows.
McKean, Guest und Shearer haben ihre Rollen nie abgelegt, sondern als David St. Hubbins, Nigel Tufnel und Derek Smalls tatsächlich Platten veröffentlicht. Zudem tauchten Spinal Tap im Laufe der Jahre überall dort auf, wo man echte Rockbands erwartet: bei „Saturday Night Live“, in „The Simpsons“, auf Tour und sogar auf den großen Bühnen, etwa beim Live Earth Konzert in Wembley, wo sie „Big Bottom“ mit einem ganzen Heer an Bassistinnen und Bassisten performten und damit endgültig in der gleichen Liga der Legenden-Geschichten landeten wie die Bands, die sie ursprünglich parodieren sollten.
Vor diesem Hintergrund wirkt auch „Spinal Tap II“ weniger wie ein unnötiges Anhängsel und eher wie der logische nächste Schritt. Wer sich denkt, dass sich ein Kultfilm wie „This Is Spinal Tap“ doch eigentlich gar nicht fortsetzen lässt, hat natürlich erst mal recht – und trotzdem fühlt sich das Wiedersehen erstaunlich selbstverständlich an.
Wieder sind es die altbekannten Gesichter, wieder ist es dieser dokumentarische Zugriff, wieder geht es um eine Tour, die alles andere als glatt läuft. Nur dass diesmal die Zeit deutlicher an den Figuren genagt hat: Die Körper sind älter, die Karrieren stolperiger, der Abstand zwischen Anspruch und Wirklichkeit noch ein Stück schmerzhafter – und gerade deshalb oft noch komischer.
Es ist ein Statement über das Älterwerden in einer Branche, die sich eigentlich von ewig jungen Helden ernährt.
Ein Abschied auf 11
Zum Abschluss lässt sich damit sagen, dass Rob Reiner die Rock- und Metal-Szene mehr geprägt hat als die meisten Musiker. Dabei war er nie der Typ, der mit langen Haaren und schwarzem Shirt auf Metal-Konzerten rumhing.
Aber er hat mit „This Is Spinal Tap“ einen Film gedreht, der die Mechanik von Rock und Metal so genau seziert hat, dass er auch vier Jahrzehnte später noch erschreckend aktuell wirkt – und der es nebenbei geschafft hat, seine eigene Band in die Wirklichkeit hinauszuschieben.
Aus einer einmaligen Mockumentary ist ein dauerhaftes Hybrid aus Film-Mythos und echter Band geworden, mit Studioalben, Grammy-Nominierung, Festivalgigs und Cameos in Popkultur und Musikgeschichte.
Vielleicht ist das der beste Weg, sich von Rob Reiner zu verabschieden: nicht über nackte Karrierestatistiken, sondern über einen Film, der unsere Szene besser verstanden hat, als man es einer Komödie zutrauen würde. Einen Film – und eine Band – die zeigen, wie chaotisch und zerstörerisch die Branche sein kann und wie die Liebe zur Musik das trotzdem vergessen lässt. Eine angebliche Doku, die so tut, als würde sie nur beobachten, und am Ende doch mehr Wahrheit über dieses Business enthält als viele ernst gemeinte Backstage-Chroniken.
Rob Reiner ist tot. Aber allein durch die unzähligen „Spinal Tap“-Zitate hat er sich längst unsterblich gemacht.
Und damit bleibt mir an dieser Stelle nur noch eines zu tun: Euch mit der wohl ikonischsten Szene aus „This Is Spinal Tap“ (an der Rob Reiner als Marty DiBergi natürlich maßgeblich beteiligt ist) in den Tag zu entlassen.
- Nigel Tufnel: „Well, it’s one louder, isn’t it? It’s not ten. You see, most blokes, you know, will be playing at ten. You’re on ten here, all the way up, all the way up, all the way up, you’re on ten on your guitar. Where can you go from there? Where?“
- Marty DiBergi: „I don’t know.“
- Nigel Tufnel: „Nowhere. Exactly. What we do is, if we need that extra push over the cliff, you know what we do?“
- Marty DiBergi: „Put it up to eleven.“
- Nigel Tufnel: „Eleven. Exactly. One louder.“
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